Drogenbeauftragter Blienert im Interview
Entkriminalisierung von Drogen? „Ich vertrete einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik“
Burkhard Blienert will „endlich mehr, offen und ehrlich über Drogen reden“. Er ist Bundesdrogen- und Suchtbeauftragter – und Mitglied in einem Verein, der alle Drogen entkriminalisieren will.
Berlin – Im Januar 2022 stellte Karl Lauterbach die Weichen für eine neue Drogenpolitik. Der Gesundheitsminister nominierte Burkhard Blienert als neuen Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Blienert ist nach Eduard Lintner (1992-98/CSU) erst der zweite Mann in dem Amt und unterscheidet sich fundamental von seinen Vorgängerinnen, vor allem in der Cannabis-Politik. Diese lehnten eine Legalisierung stets entschieden ab: Etwa Mechthild Dyckmans (FDP/„Cannabis ist eine gefährliche Droge“), Marlene Mortler (CSU/„Cannabis ist verboten, weil es eine illegale Droge ist“) oder Daniela Ludwig (CSU/„Cannabis ist kein Brokkoli“). Blienert will den Konsum erlauben. Gleichzeitig plädiert er für eine gänzlich neue Drogenpolitik.
Blienert für „Paradigmenwechsel“ in der Drogenpolitik
„Ich vertrete einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik“, sagt Blienert im Interview mit IPPEN.MEDIA. Konkret: „Mehr Schutz, mehr Hilfe, weg von Strafe“, so Blienert. „Es hilft überhaupt niemandem, etwas zu stigmatisieren, weil es unerwünscht ist. Davon geht das Problem nicht weg. Sucht ist kein Stigma, es ist eine Krankheit. Und wir müssen endlich mehr, offen und ehrlich über Drogen und Sucht reden. Da will ich hinkommen. Es ist immer eine individuelle Entscheidung, warum Menschen Drogen nehmen.“
Der SPD-Politiker ist Mitglied im Verein LEAP (Law Enforcement Against Prohibition), der sich für eine Entkriminalisierung aller Drogen einsetzt. Drogenkonsum sei eine „Frage der persönlichen Freiheit“, heißt es von dem Verein. Aktuell ruht Blienerts Mitgliedschaft aufgrund seiner Position in der Bundesregierung.
Neue Drogenpolitik: „Spannend, auf Länder wie Portugal zu schauen“
Sollten in Deutschland nach Cannabis auch andere Drogen entkriminalisiert werden? „Wir sind jetzt inmitten der Debatte zur Cannabisfreigabe. Das ist ein enorm dickes Brett, das wir jetzt erst einmal bohren müssen. Da haben wir auch viel gesellschaftlich zu klären. Nichtsdestotrotz ist es spannend, auf Länder wie Portugal zu schauen, die früh auf eine weitergehende Entkriminalisierung gesetzt haben. Das hilft uns in Deutschland, eine konstruktive Debatte zu führen.“
Diese Neuausrichtung sollte sich mehr an den Konsumenten orientieren. „Man muss sich mit der Frage beschäftigen: Warum nehmen Menschen Drogen? Warum kommen sie nicht mehr davon los? Was ist der Auslöser, der viele hilflos werden und zu Stimulanzen oder anderen Substanzen greifen lässt, dass sie sich ausgerechnet davon Hilfe versprechen, um in unserer hektischen Welt scheinbar klarkommen zu können.“
Gesundheitspolitik gehört in das Zentrum der Drogenpolitik
Diese Ansichten sind nicht neu. Schon 2015 schrieb Blienert die „Eckpunkte einer sozialdemokratischen Drogenpolitik“ nieder. Das Ziel: „Von Repression zu Regulierung“. In dem Positionspapier stellte er fest: „Das Ziel der Abstinenz oder einer »Welt ohne Drogen« hat sich als unrealistisch erwiesen.“
In dem Bericht schrieb Blienert auch: „Gesundheitspolitik gehört in das Zentrum der Drogenpolitik“. Blienert forderte zwar nicht direkt eine Entkriminalisierung anderer Drogen, wollte aber schon damals, „Drogen differenziert behandeln und die willkürliche Trennung von legal und illegal auf den Prüfstand stellen.“ Weiter hieß es: „Entscheidend ist das Schadenspotenzial für den/die Einzelne/n und die Gesellschaft.“
Blienert schrieb das in seiner Funktion als drogenpolitischer Sprecher der SPD. Er war einer der ersten Sozialdemokraten, die für eine neue Cannabis-Politik plädierten. So nannte er unter anderem die Social-Clubs, in denen der Kauf der Droge laut Bundesregierung legal sein soll. Doch aktuell wackelt das Gesetz, vor allem aufgrund von Kritik aus der SPD. Blienert kann das nachvollziehen, etwa mit Blick auf den Jugendschutz. Dort will er generell strengere Regeln beim Alkohol und bei Zigaretten.
