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Drogenbeauftragter Blienert: „Jugendliche probieren Cannabis bereits mit 12 und 13 Jahren“
Die Ampel arbeitet am Cannabis-Gesetz. Der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert spricht im Interview über Kritik und „berechtigte Hinweise aus medizinischer Sicht“.
Berlin – Die Ampel ist sich in vielen Dingen uneinig: Verkehr, Umwelt, Soziales oder Migration – in etlichen Punkten driften die Positionen von SPD, Grünen und FDP auseinander. Bei der Drogenpolitik herrscht eigentlich Einigkeit: Cannabis soll legal werden. Darauf verständigte sich das Trio recht problemlos im Koalitionsvertrag, nachdem es zuvor im Wahlkampf aktiv für eine neue Drogenpolitik getrommelt hatte. Doch mehr als zwei Jahre später ist das Gesetz noch immer nicht beschlossen.
Cannabis-Legalisierung: „Es ist komplexer, als sich das viele am Anfang vielleicht vorgestellt haben“
Im Koalitionsvertrag heißt es eigentlich: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Diese Pläne musste die Ampel mittlerweile verwerfen, auch wegen internationalem Recht. Statt der flächendeckenden Legalisierung ist aktuell ein Zwei-Säulen-Modell vorgesehen.
In einer ersten Säule sollen Eigenanbau und die Abgabe in Anbauvereinigungen, den sogenannten Cannabis-Social-Clubs, erlaubt sein. Zudem soll der Besitz von 25 Gramm zum Eigenbedarf straffrei bleiben. Mittelfristig ist in Säule zwei ein Verkauf über Fachgeschäfte vorgesehen, allerdings nur in ausgewählten Modellregionen. Doch, ob es dazu kommt, ist unklar. „Es ist komplexer, als sich viele das am Anfang vielleicht vorgestellt haben“, sagt der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert dazu im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Aber wir sind auf der Ziellinie.“
Blienert sieht „berechtigten Hinweis aus medizinischer Sicht“ bei Cannabis-Altersfrage
Wiederholt versprach die Ampel 2023 als Starttermin des Cannabis-Gesetzes. Dann wurde es der 1. Januar, nun ist der 1. April vorgesehen. Im November war alles ausverhandelt, Ende des Jahres meldeten sich dann jedoch einige SPD-Politiker zu Wort. „Wenn jetzt über das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung abgestimmt werden würde, gäbe es einen erheblichen Anteil an Nein-Stimmen aus der SPD-Fraktion. Darunter meine eigene“, sagte etwa der Innenpolitiker Sebastian Fiedler im Spiegel. Kritik kommt auch aus von den acht SPD-Landesinnenministern, die sich mit ihren Landeskollegen gegen die Pläne aussprachen. Sie sehen unter anderem eine Mehrbelastung der Behörden.
Für Blienert gefährdet diese Kritik das Cannabis-Gesetz nicht: „Das macht noch einmal deutlich, wie facettenreich das Thema diskutiert wird. Wir sind in der SPD immer eine Partei der offenen und harten Debatten und ich kann nachvollziehen, dass bei einem solch umfassenden Gesetzentwurf nochmals Diskussions- und Klärungsbedarf entstanden ist.“
Im November gab es zum Thema eine öffentliche Anhörung im Bundestag. Zu Wort kamen mehrere Verbände von Hanfverband über Polizei bis Mediziner. Kinder- und Jugendärzte sowie die Bundesärztekammer lehnen das Cannabis-Gesetz aufgrund des Jugendschutzes ab. Blienert sagt dazu: „Es gibt den berechtigten Hinweis aus medizinischer Sicht, dass Cannabiskonsum im Alter von unter 25 Jahren extrem ungesund und mit langfristigen psychischen und physischen Schäden verbunden sein kann. Das liegt insbesondere an der noch nicht abgeschlossenen Hirnreife.
„Sehr frühes Einstiegsalter bei Cannabis“: Ab 12 und 13 in Hamburg, Berlin oder Frankfurt
Die Bundesregierung will den Konsum ab 18 erlauben. Dafür gebe es mehrere Gründe, meint Blienert. „Vor allem hätten wir bei einer höheren Altersgrenze den Gesundheitsschutz nicht sichern können und dem Schwarzmarkt zu wenig entgegengestellt.“ Schon jetzt gebe es ein „sehr frühes Einstiegsalter bei Cannabis“. Konkret: „Aus Studien zum Beispiel von Frankfurt, Berlin oder Hamburg wissen wir, Jugendliche probieren Cannabis bereits mit 12 und 13 Jahren. Insgesamt ist der Cannabiskonsum von Jugendlichen unter 18 Jahren in Deutschland erheblich.“ Rund 340.000 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren haben laut Blienert in den zurückliegenden Monaten mindestens einmal gekifft. „Die Tendenz ist seit gut zehn Jahren steigend.“
Jugendschutzverbände argumentieren, diese Gruppe würde nach Umsetzung des Cannabis-Gesetzes mehr konsumieren. Blienert denkt das nicht: „Es gibt einen gewissen Experimentierkonsum bei Jugendlichen, das gilt auch für andere Drogen, davon muss man ausgehen.“ Der sei zum Beispiel in Kanada kurz nach der Regulierung leicht angestiegen, dann aber ebenso schnell wieder zurückgegangen. „Wenn wir entkriminalisieren, führt das meiner Meinung nach zu einer besseren Prävention sowie mehr Jugend-und Gesundheitsschutz. Denn gerade mit Jugendlichen, die bereits probiert haben, kann man zurzeit in der Schule oder Jugendarbeit kaum offen über die Droge reden, da immer das Strafrecht mit im Raum steht.“ (as)
