Scharfe Kritik
„Wie in Nordkorea“: Hongkong bekommt „drakonisches“ Sicherheitsgesetz
Vier Jahre nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung zieht China die Daumenschrauben weiter an: Hongkong bekommt ein neues Sicherheitsgesetz. Kritiker sind entsetzt.
Hongkong bekommt ein neues Sicherheitsgesetz, das Aktivisten und westlichen Beobachtern zufolge die Freiheiten in der chinesischen Sonderverwaltungszone weiter empfindlich einschränken wird. Das Peking-treue, nicht frei gewählte Parlament der Stadt, der sogenannte Legislativrat, stimmte am Dienstagabend Ortszeit nach mehrstündiger Debatte einstimmig für das Gesetz. Regierungschef John Lee sprach anschließend von einem „historischen Moment“ für die ehemalige britische Kronkolonie.
Scharfe Kritik kommt unter anderem von dem Demokratieaktivisten Finn Lau. „Ein weiteres drakonisches ‘Sicherheits’-Gesetz wurde in Hongkong einstimmig verabschiedet, als befänden wir uns in Peking oder Nordkorea. Die Rechtsstaatlichkeit ist in der einst internationalen Stadt völlig ausgehöhlt“, sagte Lau zu IPPEN.MEDIA. Auch der China-Experte Alexander Görlach von der US-Denkfabrik Carnegie Council kritisiert das neue Gesetz. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping habe die Demokratie in der Stadt bereits „völlig zerstört“, nun wolle er „die Menschen in Hongkong in die totale Unterwerfung zwingen“, sagte Görlach zu IPPEN.MEDIA.
Neues Sicherheitsgesetz ergänzt bestehende Gesetzgebung
Verabschiedet wurde das Gesetz, das sich Hongkong laut seiner aus dem Jahr 1997 stammenden Verfassung geben muss, in Rekordzeit. Der Entwurf wurde erst vor wenigen Wochen vorgestellt, nach mehrstündiger Debatte brachte es der Hongkonger Legislativrat am Dienstag mit 89 Ja-Stimmen auf den Weg.
Bereits 2003 wollte die Hongkonger Regierung ein eigenes Sicherheitsgesetz für die Stadt einführen, das Vorhaben scheiterte damals aber am massiven Widerstand der Bevölkerung. Auch zuletzt gab es vereinzelten Protest gegen das neue Sicherheitsgesetz, allerdings gingen stets nur kleine Grüppchen an Regierungsgegnern auf die Straße. In der 30-tägigen Konsultationsperiode, die der Verabschiedung des Gesetzes vorausgegangen war, hat es laut der Hongkonger Regierung fast 14.000 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern gegeben, von denen fast 99 Prozent das Vorhaben unterstützt hätten.
Massenproteste, wie sie Hongkong 2019 und 2020 gegen ein geplantes Auslieferungsabkommen mit der Volksrepublik China erlebt hatte, sind in der Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt heute kaum mehr denkbar. Dafür hat Peking mit einem Nationalen Sicherheitsgesetz gesorgt, das im Juni 2020 in Kraft getreten ist und „Sezession“, „Subversion“, „Terrorismus“ sowie „Absprache mit ausländischen Mächten“ unter Strafe stellt. Bis Ende letzten Jahres wurden laut offiziellen Zahlen mehr als 170 Menschen auf Basis des Gesetzes angeklagt, die rund 100 bereits abgeschlossenen Verfahren endeten ausnahmslos mit einem Schuldspruch.
Neues Gesetz dient „nur dem Schutz der Sicherheit der Kommunistischen Partei Chinas“
Das nun verabschiedete Sicherheitsgesetz für Hongkong geht über die nationale Gesetzgebung hinaus und soll „Schlupflöcher“ schließen, wie die Regierung der Stadt im Vorfeld erklärt hatte. Es umfasst auf rund 200 Seiten 39 Straftatbestände in fünf Kategorien: „Hochverrat“, „Aufruhr, Anstiftung zur Meuterei und Unzufriedenheit sowie Handlungen in aufrührerischer Absicht“, „Sabotage“, „Einmischung von außen“ sowie „Diebstahl von Staatsgeheimnissen und Spionage“. Vorgesehen sind teils lebenslängliche Haftstrafen.
Aktivist Lau sagte, das Gesetz diene „nur dem Schutz der Sicherheit der Kommunistischen Partei Chinas“. Der 30-Jährige lebt im Londoner Exil, im vergangenen Jahr setzte die Hongkonger Regierung ein Kopfgeld in Höhe von einer Million Hongkong-Dollar auf ihn und weitere Aktivisten aus. „Im Gegensatz zu demokratischen Ländern, in denen Demokratie und Gewaltenteilung für Kontrolle und Ausgleich sorgen, ist die Regierung in Hongkong ein völlig autokratisches Regime, das direkt von der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert wird“, so Lau.
„Ein weiterer großer Nagel im Sarg der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Hongkong“
Die Hongkonger Regierung verteidigt das Gesetz, das am 23. März in Kraft treten soll, unterdessen gegen Kritiker aus dem Ausland. Es sei „notwendig, um sich vor Leuten zu schützen, die in unsere Häuser eindringen“, sagte Regierungschef John Lee unmittelbar nach der Abstimmung. „Wir brauchen solche Instrumente, die wirksam gegen ‚schwarze Gewalt‘ und farbige Revolutionen sind“, so Lee weiter – eine Anspielung auf die teils schwarz vermummten Demokratieaktivisten, die 2019 und 2020 auf die Straße gegangen waren, sowie auf Proteste wie die „Orange Revolution“ in der Ukraine 2004.
Durch die Gesetzgebung werde das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ gestärkt, nach dem China die Stadt seit der Rückgabe durch Großbritannien 1997 regiert, sagte Lee. Peking hatte sich damals dazu verpflichtet, Hongkongs freiheitliches System für 50 Jahre nicht anzutasten – eine Zusage, an die sich China Kritikern zufolge längst nicht mehr hält. Chris Patten, der letzte britische Gouverneur der Stadt, sagte nun, das Gesetz sei „ein weiterer großer Nagel im Sarg der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Hongkong“.
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