Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies.
Durch Nutzung unserer Dienste stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen
Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.
Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für
. Danach können Sie gratis weiterlesen.
Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.
Taipeh statt Peking
Selbstbewusster Umgang mit China: Das kleine Tschechien macht vor, wie es geht
Taiwans Ex-Präsidentin reist am Wochenende in die EU, sehr zum Ärger Chinas. Ihr erster Stopp führt sie nach Tschechien. Das kleine Land führt schon länger einen David-gegen-Goliath-Kampf gegen Peking.
Kaum hatten die Tschechen vor anderthalb Jahren Petr Pavel zu ihrem neuen Staatspräsidenten gewählt, tat der Ex-General etwas in der gesamten EU bislang nicht dagewesenes: Er wählte die Nummer seiner taiwanischen Amtskollegin Tsai Ing-wen und dankte ihr für die Glückwünsche, die sie ihm zuvor übermittelt hatte.
Bemerkenswert war das insofern, als Tschechien und Taiwan keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Und weil Peking, das Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet, jeden Kontakt zwischen der Regierung in Taipeh und anderen Ländern zu unterbinden versucht. Meist mit Erfolg. Pavel ging dann noch weiter und sagte nach dem Telefonat mit Tsai, er habe die Hoffnung, die Präsidentin „persönlich zu treffen“. Es war ein Affront ohne gleichen gegenüber Peking.
Stattgefunden hat das Treffen zwischen Pavel und Tsai indes nie, im Mai dieses Jahres schied Tsai nach acht Jahren aus dem Amt aus. Ihr Parteifreund und einstiger Vize Lai Ching-te folgte ihr nach, ihm gratulierte Pavel nach der Wahl per Interview. Am kommenden Wochenende aber reist Tsai Ing-wen, nun als Ex-Präsidentin und offiziell als Privatperson, nach Tschechien, anschließend wohl nach Brüssel und Paris.
Ob Tsai in Prag tatsächlich mit Pavel zusammenkommen wird, ist zwar noch offen. Kaum aber wurden die Reisepläne bekannt, reagierte Peking so, wie es immer reagiert, wenn es um Taiwan geht: mit Schaum vorm Mund. „Wir wenden uns entschieden dagegen, dass jemand, der die ‚Unabhängigkeit Taiwans‘ anstrebt, Länder besucht, die diplomatische Beziehungen zu China unterhalten“, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Dienstag in Peking. China wirft Tsai seit Jahren vor, sie wolle Taiwan offiziell für unabhängig von der Volksrepublik erklären. Tschechien solle sich ans „Ein-China-Prinzip“ halten und die „Souveränität und territoriale Integrität“ der Volksrepublik respektieren, forderte Peking weiter.
Es sind Worte, die man in Prag zur Kenntnis nimmt, mehr aber auch nicht. Denn die dortige Regierung lässt sich schon lange nicht mehr von China vorschreiben, mit wem sie sich trifft. So war Taiwans damaliger Außenminister Joseph Wu bereits vor drei Jahren erstmals in Prag zu Gast, um Deutschland musste er seinerzeit einen weiten Bogen machen. Ein Jahr später flog der tschechische Senatspräsident Miloš Vystrčil nach Taipeh, wo er vor dem Parlament der asiatischen Vorzeigedemokratie selbstbewusst erklärte: „Ich bin ein Taiwaner.“ Seitdem habe Tschechien im Verhältnis zu Peking „wenig zu verlieren“, sagt Ivana Karaskova, China-Expertin der Association for International Affairs in Prag, zu IPPEN.MEDIA.
Taiwan investiert in Tschechien, China enttäuscht die Erwartungen
Die Nähe des Landes zu Taiwan erklärt Karaskova mit einer großen Enttäuschung: Die Versprechungen, die die Chinesen den Tschechen einst gemacht haben, hätten diese nicht eingelöst. So seien etwa angekündigte Investitionen ausgeblieben. „Im Gegensatz zu China hat Taiwan darauf geachtet, seine wirtschaftlichen Versprechen zu erfüllen“, sagt Karaskova. So schuf etwa der taiwanische Elektronikhersteller Foxconn 5000 Jobs in Tschechien. Karaskova verweist zudem auf geplante Investitionen des Chip-Riesen TSMC im Nordwesten des Landes. „Das würde Arbeitsplätze schaffen und die Infrastruktur entwickeln.“ Umgekehrt will Tschechien Haubitzen und andere Waffensysteme nach Taiwan verkaufen.
Auch die Tatsache, dass Taiwan eine Demokratie ist, verbindet das Land mit Tschechien. Hinzu kommt seit dem 24. Februar 2022, dass China Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine diplomatisch sowie mit der Lieferung von militärisch nutzbaren Gütern am Laufen hält. Der tschechische Präsident Pavel hat Chinas Beteiligung an dem Krieg mehrfach scharf verurteilt und fordert, die Ukraine „mit allen Mitteln zu unterstützen“.
Umgang mit China: Tschechien ist weniger erpressbar als Deutschland
Dass Prag wenig zu verlieren hat, hat einen weiteren Grund: Für Tschechien ist China zwar der zweitwichtigste Handelspartner, als Exportmarkt aber kaum bedeutend. Die Volksrepublik besitzt gegenüber Prag also weniger Druckmittel als im Verhältnis zu den Regierungen anderer EU-Länder. In der deutschen Export-Statistik etwa lag China im vergangenen Jahr auf Platz vier, das macht erpressbar. Zuletzt zeigte sich das bei den EU-Ausgleichszöllen auf chinesische E-Auto-Importe. Während Deutschland aus Angst vor chinesischen Vergeltungsmaßnahmen, die die eigenen Autobauer treffen könnten, gegen die Zölle stimmte (wenn auch vergebens), enthielt sich die tschechische Regierung in Brüssel.
Deutschlands China-Nähe könnte indes auch für Prag zum Problem werden. Sollte die chinesische Regierung die Tschechen nämlich für ihre Taiwan-Freundlichkeit bestrafen wollen, könnte sie etwa deutsche Autobauer zwingen, keine tschechischen Teile mehr zu verbauen. „Dies wäre für die tschechische Industrie, die fast ein Drittel ihrer Exporte nach Deutschland liefert, verheerend“, schreibt der Analyst Daniel McVicar in einem Beitrag für die Denkfabrik Council on Foreign Relations. Dann müsste sich zeigen, wie viel die europäische Solidarität wirklich wert ist.