Heikler Zwischenstopp
Taiwans Präsidentin in New York: China warnt vor „ernster Konfrontation“ mit den USA
Taiwans Präsidentin ist für einen Zwischenstopp in New York gelandet. China gibt sich empört – dabei steht der heikelste Teil von Tsai Ing-wens USA-Reise noch bevor.
München/New York – Offiziell ist es nur ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg nach Mittelamerika. China aber fühlt sich provoziert durch die Stippvisite von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA: „Wir sind entschieden gegen jeden Besuch eines führenden Vertreters der taiwanischen Behörden in den USA, egal in welchem Namen oder unter welchem Vorwand“, tönte es am Mittwoch aus Pekings Außenministerium. Washington würde „Separatisten“ wie Tsai „in ungeheuerlicher Weise unterstützen“, indem die Regierung der 66-Jährigen erlauben, US-amerikanischen Boden zu betreten. Peking betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets und will die demokratisch regierte Insel notfalls mit Gewalt mit China „wiedervereinigen“.
Wenige Stunden nach der Zornesrede aus Peking stieg Tsai dann am New Yorker John F. Kennedy Airport aus dem Flugzeug, begrüßt wurde sie unter anderem von Laura Rosenberger, der inoffiziellen Vertreterin der USA in Taipeh. Vor dem Hotel, in dem Tsai abstieg, wurde die Politikerin der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) später von Hunderten Menschen begrüßt, die taiwanische Fahnen schwenkten, aber auch von einigen Gegendemonstranten. Die Peking-freundlichen Protestierer seien von „chinesischen Gruppen“ dazu aufgerufen worden, Tsai Ing-wen einen unfreundlichen Empfang zu bereiten, berichtete die taiwanische Nachrichtenagentur CNA.
China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt




Tsai Ing-wen in den USA mit Spitze gegen China: „Taiwan kann nicht isoliert werden“
Am Abend Ortszeit sprach Tsai dann vor mehr als 700 in den USA lebenden Taiwanern. Die Beziehungen zwischen Taipeh und Washington seien „nie stärker gewesen“, sagte Tsai, während ein Orchester Stücke wie „New York, New York“ spielte. „Wir wissen, dass wir stärker sind, wenn wir in Solidarität mit anderen Demokratien zusammenstehen. Taiwan kann nicht isoliert werden, und wir betrachten Freundschaft nicht als selbstverständlich.“ Das konnte man auch verstehen als Spitze in Richtung Honduras: Die Regierung in Tegucigalpa hatte erst vor wenigen Tagen diplomatische Beziehungen mit Peking aufgenommen und dafür ihren langjährigen Verbündeten Taiwan fallengelassen.
Tsais New-York-Besuch ist bereits der siebte Zwischenstopp der Präsidentin in den USA seit ihrem Amtsantritt 2016. Wie schon in der Vergangenheit verbindet Tsai ihre Stippvisite auch diesmal mit einem offiziellen Besuch bei Taiwans Verbündeten in Mittelamerika – am Samstag wird sie in Guatemala erwartet, am Montag in Belize. Diesmal aber sind die Vorzeichen andere als noch in der Vergangenheit, als Peking sich nicht zu derart wütenden Reaktionen hinreißen ließ wie derzeit.
Die Spannungen zwischen China und den USA sind so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs hatte Peking mit Moskau eine Allianz gegen die weltweite Vormachtstellung der USA geschmiedet, gleichzeitig wirft Peking der Regierung in Washington vor, China militärisch einzukreisen und das Land von Hochtechnologie wie hoch entwickelten Mikrochips abschneiden zu wollen. Die USA würden so den legitimen wirtschaftlichen Aufstieg Chinas sabotieren, klagt Peking.
USA warnen China, „Aktivitäten in der Taiwan-Straße zu verstärken“
Im Sommer letzten Jahres hatte Peking zudem mit massiven Militärmanövern auf den Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi reagiert, der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses und Nummer drei der politischen Hierarchie der USA. Seitdem dringen quasi täglich chinesische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in die Gewässer vor Taiwan ein, am Tag von Tsais Landung in den USA waren es laut dem taiwanischen Verteidigungsministerium 16 Flugzeuge und vier Schiffe.
Auf ihrem Rückweg von Belize nach Taiwan wird Tsai Ing-wen am kommenden Mittwoch voraussichtlich erneut in den USA einen Zwischenstopp einlegen, dann in Los Angeles. Erwartet wird, dass sie dort mit Kevin McCarthy zusammentrifft, dem republikanischen Nachfolger von Nancy Pelosi. Bestätigt wurde das von der taiwanischen Regierung bislang allerdings noch nicht.
Am Donnerstag erklärte der Direktor von Taiwans Nationalem Sicherheitsbüro, er erwarte nicht, dass Peking ähnlich aggressiv auf ein solches Treffen reagieren werde wie noch beim Pelosi-Besuch im vergangenen Sommer. „Das Treffen wird in den USA stattfinden, sodass die politische Komplexität nicht so groß ist“, wie wenn McCarthy nach Taiwan reisen würde, sagte Tsai Ming-yen vor dem Parlament in Taipeh. In Washington warnte derweil der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, Peking davor, seine „Aktivitäten in der Taiwan-Straße zu verstärken“. Xu Xueyuan, Geschäftsträger der Pekinger Botschaft in den USA, sprach am Mittwoch von einer „ernsten Konfrontation“ mit den USA, falls das Treffen zustande kommen sollte.
Heikler Besuch, Nummer zwei: Tsais Amtsvorgänger in China
Parallel zu Tsais USA-Besuch befindet sich derzeit auch ihr Amtsvorgänger Ma Ying-jeou auf einem heiklen Auslandstrip – allerdings durch China. Ma, der Taiwan von 2008 bis 2016 regiert hat und der größten Oppositionspartei KMT angehört, traf am Montag in Shanghai ein. Nie zuvor hatte ein aktueller oder ehemaliger taiwanischer Präsident die Volksrepublik besucht. Mas KMT ist traditionell Peking-freundlicher als Tsais DPP, offizielle Treffen mit hochrangigen Vertretern der Kommunistischen Partei stehen allerdings nicht auf Mas Besuchsprogramm.
Am Dienstag besuchte Ma im ostchinesischen Nanjing das Mausoleum von Sun Yat-sen, der 1912 die Republik China ausgerufen hatte. „Die Menschen auf beiden Seiten der Taiwan-Straße sind Chinesen“, erklärte Ma in Nanjing, verwendete dabei aber einen chinesischen Ausdruck, der mehr auf die kulturelle Verbundenheit aller Chinesen abzielt als auf Fragen der Nationalität.
Ma Ying-jeou hatte seinen China-Besuch im Vorfeld als reine Privatangelegenheit deklariert. Auch dürfte es Zufall sein, dass seine Visite zeitlich mit der Amerika-Reise seiner Amtsnachfolgerin zusammenfällt. Die Symbolkraft, die von beiden Besuchen ausgeht, ist trotzdem groß. Während Ma versucht, im Verhältnis zu Peking die Wogen zu glätten, setzt Präsidentin Tsai auf ein selbstbewusstes Auftreten gegenüber Chinas kommunistischer Parteiführung. Im kommenden Jahr wählen die Taiwanerinnen und Taiwaner einen Nachfolger für Tsai, die nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten darf. Dann dürfte es auch um die Frage gehen, von welchem Ansatz sich die Wählerinnen und Wähler den größten Erfolg versprechen, um die Freiheit und Unabhängigkeit Taiwans zu bewahren: mehr Nähe zu Peking oder mehr Distanz.