Extremwetterereignisse
Bundesregierung stellt sich trotz häufiger Jahrhundert-Katastrophen gegen Versicherungspflicht
Der Klimawandel erhöht die Häufigkeit von Extremwetterereignissen. Trotzdem ist etwa jeder zweite Hausbesitzer in Deutschland nicht gegen Naturgefahren versichert. Braucht es eine Pflicht?
Berlin – Über eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden diskutiert Deutschland schon seit Jahren. Die jüngste Hochwasser-Katastrophe in Bayern und Baden-Württemberg mit Schäden in Höhe von zwei Milliarden Euro liefert neuen Diskussionsstoff. Die Bundesregierung und die Versicherungsbranche selbst sind weiterhin gegen eine Versicherungspflicht. Eine Angebotspflicht hingegen hält der Gesamtverband der Versicherer (GDV) indes für „akzeptabel“.
Diskussion um Versicherungspflicht: Länder dafür, Bund lehnt ab
Die Länder hatten die Bundesregierung bereits vor einem Jahr aufgefordert, einen Vorschlag für eine bundesgesetzliche Regelung zur Einführung einer Pflichtversicherung vorzulegen. In Bayern springt nun der Staat für die jüngsten Hochwasser-Schäden ein. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte Hilfen in Millionenhöhe an. „Versicherbare Schäden“ seien aber nur zu 50 Prozent abgedeckt, hieß es. Im stark von Unwetter betroffenen Bundesland ist man nicht überraschend für eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden. Die Bundesregierung hingegen ist weiter gegen eine Versicherungspflicht für Elementarschäden. Über eine entsprechende Beschlussvorlage für die Ministerpräsidentenkonferenz berichtete Politico.
Man wolle „einen Regelungsvorschlag unterbreiten, der den Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern die Wahl lässt, ob sie sich für oder gegen eine Deckung der Schäden aus Elementargefahrenereignissen entscheiden“, zitiert der Spiegel aus dem Papier. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach sich am Mittwoch (19. Juni) gegen eine verpflichtende Elementarschadenversicherung aus. Gleichzeitig schlug er aber eine Angebotspflicht vor. Es sei gut, wenn sich Menschen dafür entschieden, Gebäude gegen Hochwasserschäden und andere Elementarschäden abzusichern, und „jeder sollte dafür auch ein Angebot bekommen“, so Buschmann.
In Angeboten für Neuverträge sollte eine Elementarschadenversicherung enthalten sein, „die man aber abwählen kann“, so der Justizminister weiter. Dies sieht er als schnelle Lösung, um die Abdeckungsquote zu erhöhen. Nach Daten des GDV war Anfang 2023 in Deutschland im Schnitt nur jeder zweite Hausbesitzer (52 Prozent) gegen Elementarschäden versichert. Spitzenreiter mit 90 Prozent ist demnach Baden-Württemberg. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion ist dieser Wert durchaus interessant: In dem Bundesland gab es früher eine entsprechende Versicherungspflicht gegen Elementarschäden.
Was ist eine Elementarschadensversicherung?
Verbraucher können mit einer solchen Versicherung ihr Haus und Grund gegen Naturgefahren absichern. Dazu zählen etwa Hochwasser, Schneedruck, Lawinen, Erdrutsche, Erdbeben oder Vulkanausbrüche. Risiken wie Sturmfluten, steigendes Grundwasser oder Dürren sind laut Angaben des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen nicht inkludiert.
Vorsorge gegen Extremwetterrisiken: Gesamtverband der Versicherer warnt vor hohen Prämien
Der Gesamtverband der Versicherer lehnt eine Versicherungspflicht grundsätzlich ab. Eine Pflicht nähme Hausbesitzern und Unternehmen den Anreiz, gegen Flut- und andere Extremwetterrisiken vorzusorgen, argumentierte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen schon 2021 im Gespräch mit dem Spiegel. Das könne zu unbezahlbar hohen Prämien für die Kunden oder untragbar hohen Risiken für die Versicherer führen, so seine Befürchtung. Buschmanns jüngster Vorschlag einer Angebotspflicht kam in der Versicherungsbranche indes gut an.
Die vorgeschlagene einmalige Angebotspflicht „ist aus unserer Sicht besser als eine alleinige Pflichtversicherung oder das teilstaatliche französische Naturgefahren-System“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in einer Mitteilung vom Mittwoch. Der Verband schlägt ein dreiteiliges Konzept vor: „Mehr Prävention und Klimafolgenanpassung, freiwilliger Versicherungsschutz und eine Risikoteilung zwischen privaten Versicherern und dem Staat für den Fall extremer Naturkatastrophen.“
Klimawandel und Versicherungen: Das sagen Verbraucherschützer
Das Problem wird eher größer als kleiner: Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser werden aufgrund des Klimawandels in Zukunft immer häufiger. Entsprechend fordert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), dass sich Verbraucher verstärkt gegen Klimarisiken absichern. Eine Pflichtversicherung wollen aber auch die Verbraucherschützer nicht. Denn es gebe Einzelfälle, „wo eine Wohngebäudeversicherung wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint, weil das Gebäude nicht mehr genutzt werden und damit verfallen soll“, so der Verband in einer Mitteilung. Jeder Eingriff in die Grundrechte müsse verhältnismäßig sein, meint der Verband.
Ökonomen wie etwa die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, sprechen sich hingegen für eine Pflicht aus – allerdings mit höheren Prämien für Häuser mit höheren Risiken. In den von Extremwetterlagen geplagten USA gibt es bereits ein Problem, das einen Ausblick auf die möglichen Entwicklungen der Branche geben könnte: Hausversicherungen sind aufgrund der zuletzt immer stärkeren Sturmschäden für viele unbezahlbar geworden. Mittlerweile weigern sich Versicherer teils sogar, Menschen in besonders gefährdeten Gebieten zu versichern, wie die New York Times in ihrem Podcast „The Daily“ unlängst berichtete. Der Versicherungsmarkt gerate dort ins Wanken, urteilte die US-Zeitung.
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