Extremwetterschäden
Wird der Elementarschutz bald deutlich teurer? Diese Möglichkeiten bleiben
In den USA sind Hausversicherungen für viele unbezahlbar geworden. Stehen auch hierzulande wegen des Klimawandels höhere Versicherungskosten bevor?
Kassel – 2021 führte die Flut im Ahrtal zu Versicherungsschäden von über acht Millionen Euro. Und auch vergangenes Jahr haben Extremwetter-Ereignisse wie Stürme, Hagel oder Überschwemmungen bundesweit zu Versicherungsschäden in Höhe von rund 4,9 Milliarden Euro geführt. Angesichts des Klimawandels ist davon auszugehen, dass Ereignisse auch in den kommenden Jahren immer wieder eintreten könnten.
Dennoch sind hierzulande nur rund 54 Prozent aller Wohngebäude durch eine Elementarschadenversicherung geschützt – nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wären jedoch 99 Prozent aller Wohngebäude versicherbar. Mit Blick auf die Versicherungslage in den USA warnen Experten mittlerweile, sich früh genug auf die Folgen des Klimawandels einzustellen. Denn dort sind Hausversicherungen durch deutlich stärkere Sturmschäden der jüngeren Vergangenheit mittlerweile für viele unbezahlbar geworden.
Und obwohl man in Deutschland von Zuständen wie diesen noch entfernt ist, passiert den Versicherern zufolge von politischer Seite zu wenig. „Wir werden die Herausforderungen des Klimawandels nicht allein lösen können“, zitierte das Handelsblatt zuletzt GDV-Präsident Norbert Rollingers Worte während der Jahresmedienkonferenz im Januar.
Angst vor teureren Wohngebäudeversicherungen wächst – GDV fordert Anpassung an Klimawandel
Wenn nicht endlich mehr getan werde bei der Anpassung an die Folgen des Klimwandels, dann könnten sich die Prämien in der Wohngebäudeversicherung innerhalb der nächsten zehn Jahre verdoppeln, warnt der GDV. Irgendwann stoße die Versicherungswirtschaft an ihre Grenzen. Infolgedessen wird der Ruf nach staatlicher Unterstützung lauter.
Anders als in Teilen der USA bliebe Versicherern hierzulande die Möglichkeit, risikoadäquate Prämien zu kalkulieren und anzubieten, erklärte Matthias Trüstedt, Leiter Produkte und Preiskalkulation bei der Allianz Versicherung, dem Handelsblatt. So ließe sich eine flächendeckende Versicherbarkeit ermöglichen. Das Risiko, dass Hausbesitzer in Deutschland keine Versicherung finden, sieht man seitens der Versicherer als niedrig an. Selbst in Gebieten in der sogenannten ZÜRS-Zone Vier, die laut Statistik mit einem Mal in zehn Jahren besonders häufig von Hochwassern betroffen ist.
Bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) dagegen sieht man dies anders. Die vzbv fordert in einem Positionspapier vom August 2021, dass Elementarschadenversicherungen für alle Verbraucher erschwinglich verfügbar werden. Im November 2021 untermauerte der vzbv seine Forderung mit einem Eckpunktepapier. Darin fordert er eine private Versicherungspflicht mit begrenzter staatlicher Deckungszusage und zeigt, wie eine Versicherungspflicht gerecht gestaltet werden könnte.
Experten empfehlen Mischung aus staatlicher Pflichtversicherung und privater Absicherung
Außerdem kritisieren einige Versicherer, dass sich an der Flächennutzung und der Bauplanung in vielen Fällen nichts geändert hat. So plane und baue man nach wie vor, als ob es den Klimawandel und seine Folgen nicht gäbe, bemängelt der GDV. Vor dem Hintergrund künftig womöglich steigender Versicherungsschäden infolge des Klimawandels forderte nun auch eine Studie der Landesbank Baden-Württemberg Research (LBBW) ein Umdenken in der Struktur des Elementarschutzes, berichtet das Finanzmagazin ProContra.
Darin empfehlen die Studienautoren grundsätzlich ein Mischsystem aus einer staatlichen Elementarschaden-Pflichtversicherung sowie einer privaten Absicherung. Die Vorschläge des LBBW reichen dabei von einer EU-weiten Absicherung vor Naturkatastrophen über nationale Public-private Partnerships, bis hin zu Elementarschutz-Pflichtversicherungen.
„Außerhalb des Sozialversicherungswesens sind Pflichtversicherungen in Deutschland selten“, sagte Werner Schirmer, der als Senior Investment Analyst maßgeblich für die Studie bei der LBBW verantwortlich ist. Jede Form einer pflichtmäßigen Versicherung schränke das Recht des Einzelnen auf Vertragsfreiheit ein. „Gleichzeitig könnte die Elementarschaden-Pflichtversicherung für Gebäudebesitzer deren Existenzschutz bedeuten, sollte es zu einem Schadensfall kommen“, erklärte Schirmer weiter.
Elementarschutz – können Pflichtversicherungen sinnvoll sein?
In der Frage, ob Pflichtversicherungen bei Elementarschäden sinnvoll sein können, gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Zwar sprachen sich einige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, dafür aus, aber andere Stellen, unter anderem das Bundesjustizministerium, sind bislang dagegen. Und auch die Versicherer stehen einer Pflichtversicherung dem Handelsblatt zufolge eher skeptisch gegenüber.
Dennoch plant der GDV, für extreme Naturkatastrophen eine öffentlich-private Partnerschaft mit einer sogenannten Stop-Loss-Regelung einführen. Der Regelung zufolge wären zunächst die Versicherer in der Pflicht. Ab einer bestimmten Schadensgrenze würde allerdings der Staat die Kosten übernehmen. Als Grenze sieht der GDV hier ein Schadensvolumen von etwa 30 Milliarden Euro als realistisch.
GDV-Verbandschef Asmussen: „Nur Prävention verhindert Schäden oder mindert deren Höhe“
Für Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, sind derartige Konstrukte allerdings eher eine Lösung auf lange Sicht. Eine zeitnahe Umsetzung von politischer Seite hält er dagegen nicht für realistisch, sagte er dem Handelsblatt zufolge zuletzt. Notwendig sei allerdings ein Umdenken der Länder und Kommunen in Flächen- und Bauplanung und der Prävention, wie es die GDV auch bereits zu Jahresbeginn bei einer Pressekonferenz gefordert hatte.
Die Forderung der Versicherer reichten dabei von einem Baustopp für Gebäude in ausgewiesenen Gefahrengebieten über eine Verankerung von Prävention und Anpassung an den Klimawandel in den Landesbauordnungen bis hin zu einem bundesweiten Naturgefahrenportal, das die Gefahrenlagen deutlich benennt. „Nur Prävention verhindert Schäden oder mindert deren Höhe. Eine Versicherungspflicht allein löst kein einziges Problem“, betont Asmussen. (Fabian Hartmann)
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