Flüssiggas-Importe
Trotz US-Exportverbot: Habeck startet in Niedersachsen neues LNG-Terminal
Deutschland hat bisher nur schwimmende LNG-Terminals. In Stade wird jetzt eine landgebundene Anlage gebaut - was sich bis in die USA auswirkt.
Hannover - In Stade soll das erste landgebundene Terminal zum Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) gebaut werden. Am Donnerstag wurde von den Investoren die endgültige Investitionsentscheidung bekannt gegeben. Die erhöhte Nachfrage nach Flüssiggas wirkt sich derweil bis in die USA aus. Mehrere US-Bundesstaaten und Gasfirmen nutzen den deutschen LNG-Bedarf als Druckmittel gegen das Exportmoratorium von US-Präsident Joe Biden.
Als Folge des Ukraine-Kriegs musste Deutschland seine Gasversorgung schlagartig umstellen. Um von russischen Gasimporten schnellstmöglich loszukommen, brachte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Mai 2022 das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) auf den Weg. Nach knapp zehn Monaten Planungs- und Bauzeit wurde im Dezember 2022 in Wilhelmshaven das erste deutsche Terminal für den Import von Flüssigerdgas eröffnet. „Das ist jetzt das neue Deutschland-Tempo, mit dem wir Infrastruktur voranbringen und es soll Vorbild sein, nicht nur für diese Anlage, sondern noch für viele, viele andere“, so Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Eröffnung. Weitere Terminals in Lubmin und Brunsbüttel folgten kurz darauf.
Habecks LNG-Terminal in Stade ist bereits ausgebucht - ab 2027 soll dort Flüssiggas umgeschlagen werden
Im Februar begann schließlich das umstrittene LNG-Terminal im Hafen Mukran auf der Insel Rügen mit dem Probebetrieb. Auch in Stade entsteht seit einiger Zeit ein schwimmender Flüssiggas-Umschlagplatz; bis Ende März soll er den Betrieb aufnehmen. Ein weiteres schwimmendes Terminal wird derzeit in Wilhelmshaven gebaut. Allerdings sind die schwimmenden Anlagen nur zur temporären Nutzung vorgesehen. In einigen Jahren sollen sie in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel durch stationäre Anlagen abgelöst werden.
Laut dem Handelsblatt hat das Projekt in Stade beste Chancen, das erste landgebundene Terminal zu sein, das in Betrieb geht. Wie die Zeitung berichtet, wurde am Donnerstag die finale Investitionsentscheidung der Gesellschafter bekannt gegeben - 2027 soll die Anlage dann fertiggestellt sein. Johann Killinger, der Geschäftsführer der Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH), die das Projekt initiiert hat, zeigte sich dem Bklatt gegenüber optimistisch. „Die Kapazitäten des Terminals sind auf Jahre ausgebucht, alle erforderlichen Genehmigungen liegen vor, die Finanzierung ist gesichert, die finale Investitionsentscheidung ist daher jetzt der folgerichtige Schritt“, so Killinger. Auch die veranschlagten Baukosten, eine Milliarde Euro, sind ihm zufolge weiterhin realistisch.
Das US-Moratorium könnte Folgen für Europa haben - Höhere Gaspreise wegen Umweltbedenken?
Damit sind genügend Kapazitäten für das Anlanden von Flüssiggaslieferungen geschaffen worden. Trotzdem ist die Versorgung noch nicht gewährleistet. Die Regierung in den USA - dem derzeit weltweit bedeutendste Lieferant von LNG - hat Ende Januar die Genehmigung neuer Lizenzen für den Flüssiggas-Export gestoppt. Wie lange dieses Moratorium gilt, ist derzeit noch nicht sicher - laut Euronews wird jedoch erwartet, dass es mindestens bis zu den Wahlen im November dieses Jahres andauern wird. Bidens Regierung reagiert mit dem Ausfuhrverbot auf die Forderungen von Klimaschützern. Diese hatten bereits seit längerem gefordert, dass Biden sein Wahlversprechen einhält, das unter anderem einen Stopp oder eine Reduzierung der Öl- und Gasförderung vorsah.
Anfang Januar hatten Aktivisten mit einer dreitägigen Sitzblockade vom 6. bis 8. Februar vor dem Energieministerium in Washington gedroht, falls Biden sein Wort nicht hält. LNG ist Umweltaktivisten im besonderen Maße ein Dorn im Auge, da die Verflüssigung und Verschiffung von LNG ein sehr energieintensiver Prozess ist. „Wenn man all das Methan berücksichtigt, das entlang der gesamten Versorgungskette entweicht - vom Bohrloch bis zum Endverbraucher - ist LNG nach einigen Schätzungen sogar noch klimaschädlicher als Kohle“, so die US-Umweltjournalistin Nicole Pollack gegenüber Euronews.
US-Senatoren nutzen Deutschland als Druckmittel gegen Biden - Von einer Abhängigkeit in die nächste?
Auch wenn der Beschluss der Regierung Biden nur für neue Genehmigungen gilt, hat er in Europa die Befürchtung geweckt, dass man sich von einer Abhängigkeit in die nächste begeben hat. Die USA bekämen dadurch einen „übergroßen geopolitischen Einfluss“, wie es in einem Artikel des Medienunternehmens Bloomberg heißt. Zudem könnte die Situation für die Verbraucher einen weiteren Anstieg der Energiekosten bedeuten. Ein Großteil der LNG-Lieferungen für Europa wird über den Spotmarkt abgerechnet; eine erhöhte Nachfrage in anderen Teilen der Welt könnte also die Energierechnungen hierzulande in die Höhe treiben.
In den USA machen sich derweil einige Akteure die neue Abhängigkeit Deutschlands zu Nutzen. Vier republikanische Kandidaten aus Bundesstaaten mit bedeutender Gasindustrie warnen in einem Brief vom 18. März, dass Deutschland bereits mit Katar über weitere LNG-Lieferungen verhandle. Biden solle zügig neue LNG-Lieferungen zulassen; wenn die USA kein zuverlässiger Partner seien, würden die Deutschen es eben anderswo versuchen, so der Tenor. Damit sei Deutschland zum Druckmittel für ein Dilemma der US-Politik geworden, schreibt das Handelsblatt. Einerseits wolle das Land durch Energielieferungen geopolitischen Einfluss üben; andererseits hat Biden Klimaschutz versprochen - und muss dem nachkommen, wenn er wiedergewählt werden will. (tpn)
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