Naher Osten
Befürchtung eines Zwei-Fronten-Krieges: Plant Israel eine Bodenoffensive gegen Hisbollah im Libanon?
Die Auseinandersetzung zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon könnte sich zuspitzen. Eine Bodenoffensive Israels in das benachbarte Land scheint möglich.
Tel Aviv/Beirut – Erneut hat Israel Ziele im Libanon angegriffen. In mehreren Angriffswellen bombardierten Kampfflugzeuge rund 100 Raketenabschussrampen der proiranischen Miliz, die mit rund 1000 Abschussrohren bestückt gewesen seien, teilte das israelische Militär am Abend mit. Die Raketenwerfer seien für unmittelbare Angriffe auf Israel vorbereitet gewesen. Libanesische Sicherheitskreise sprachen von einer der schwersten israelischen Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober. Umso mehr werden Ängste vor einer möglichen Bodenoffensive Israels im Süden des Nachbarlands größer. Der jüdische Staat will die Hisbollah, die Israel das Existenzrecht abspricht, wieder aus dem Grenzgebiet verdrängen, um die Sicherheit seiner Bürger im Norden zu gewährleisten.
Nach den schweren Luftangriffen forderte die israelische Armee Bewohner mehrerer Gemeinden und Städte im Norden Israels auf, sich in der Nähe von Luftschutzbunkern aufzuhalten. Zivilisten sollen sich zudem am Wochenende von militärischen Übungsgebieten im Norden fernhalten. Das Militär werde dort „Aktivitäten“ ausführen, für Unbefugte herrsche daher Lebensgefahr. „Es ist möglich, dass in nahegelegenen Ortschaften Schüsse und Explosionen zu hören sein werden“, hieß es in einer Mitteilung der Armee.
Israel spricht von „Aktivitäten“: Sorge vor möglicher Bodenoffensive im Libanon
Die genaue Bedeutung der Anweisung war zunächst unklar. Im Libanon herrscht die Sorge, Israel könnte eine Bodenoffensive im Süden des Landes vorbereiten. Im Fall eines solchen Einsatzes müssten im Norden Israels Truppen zusammengezogen werden. Die Armee werde weiterhin die Infrastruktur und die Fähigkeiten der Hisbollah schwächen, um den Staat Israel zu verteidigen, teilte die israelische Armee weiter mit. Den Angaben nach wurden auch „Terror-Infrastruktur“ und ein Waffendepot der Hisbollah im Südlibanon attackiert.
Vertreter des israelischen Militärs wollten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Abend bei Sicherheitsberatungen Pläne für die Nordfront vorstellen, berichteten israelische Medien. Wie die Times of Israel aus Militärkreisen erfahren haben will, möchte die Armee die Rückkehr der Zehntausenden aus dem Norden Israel geflüchteten Bewohner in ihre Häuser erreichen, ohne jedoch den Konflikt mit der Hisbollah zu einem regionalen Krieg auszuweiten. Israel hatte kürzlich die Rückkehr der Bewohner in den Norden zu einem Kriegsziel erklärt.
Hisbollah warnt nach Explosionen von Pagern und Walkie-Talkies – „alle roten Linien“ überschritten
Den israelischen Luftangriffen folgte Raketenbeschuss aus dem Libanon auf Ziele in Israel, wie die Times of Israel berichtete. Zwei israelische Soldaten wurden dabei getötet und acht weitere Soldaten seien verletzt worden, hieß es. Gleichzeitig hat sich der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, zu dem teils tödlichen Angriff auf Kommunikationstechnik seiner Miliz geäußert. Nasrallah warf Israel versuchten Völkermord vor und kündigte Vergeltung an – „alle roten Linien“ seien überschritten worden.
„Innerhalb von zwei Tagen und binnen einer Minute pro Tag hat Israel darauf abgezielt, mehr als 5.000 Menschen zu töten“, sagte Nasrallah. „Dieser kriminelle Akt kommt einer Kriegserklärung gleich.“ Mindestens 37 Menschen kamen bei den Explosionen manipulierter Pager und Handfunkgeräte am Dienstag und Mittwoch nach Behördenangaben ums Leben. Rund 3.000 weitere wurden demnach verletzt. (erpe/dpa)
Rubriklistenbild: © IMAGO/Saeed Qaq
