Zehntausende gehen auf die Straße
„Autoritärer Angriff“: Proteste gegen Kickl in Österreich – Schallenberg folgt Nehammer
In Wien, Salzburg, Innsbruck und Graz gab es Demonstrationen gegen eine FPÖ-ÖVP-Regierung unter einem „rechtsextremen“ Kanzler Herbert Kickl.
Update vom 10. Januar, 14.05 Uhr: Karl Nehammer (ÖVP) hat sich auf X zu seinem anstehenden Rücktritt als Bundeskanzler von Österreich geäußert. „Es war mir an jedem einzelnen Tag eine Ehre, diesem Land zu dienen“, so Nehammer. Jeder einzelne Tag sei eine „Herausforderung“ gewesen. „Ich werde auch in Zukunft stets für das Wohl unserer Nation eintreten“, so Nehammer weiter.
Update vom 10. Januar, 11.51 Uhr: Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wurde von Bundespräsident Alexander Van der Bellen offiziell zum neuen Bundeskanzler ernannt. Schallenberg soll die Regierung bis zur Bildung einer neuen Koalition führen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Van der Bellen beauftragte zuletzt Herbert Kickl, den Chef der rechtspopulistischen FPÖ, mit der Regierungsbildung.
Erstmeldung: Wien/Salzburg/Innsbruck/Graz – Zehntausende Menschen haben in Österreich am Donnerstagabend gegen eine drohende FPÖ-Regierung unter Kanzler Herbert Kickl demonstriert. Das berichtet die österreichische Tageszeitung Der Standard. Allein in Wien versammelten sich rund 25.000 Menschen, teilten die österreichischen Behörden mit. Weitere Proteste gab es auch in Innsbruck, Salzburg und Graz.
Vor wenigen Tagen hatte Österreichs Präsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Kickl beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Zuvor waren Koalitionsgespräche zwischen den demokratischen Parteien ÖVP, SPÖ und Neos gescheitert. Daraufhin erklärte sich die konservative ÖVP für Verhandlungen mit der rechten FPÖ bereit. Infolgedessen kündigte der aktuelle ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer seinen Rückzug aus der österreichischen Politik an. Die Verhandlungen beider Parteien werden wohl bald beginnen. FPÖ und ÖVP eint eine restriktive Asylpolitik.
Regierungskrise in Österreich: Menschen demonstrieren gegen FPÖ-Chef Kickl
Demonstrantinnen und Demonstranten in Wien hielten Schilder und Transparente mit Botschaften in die Luft wie „Wir wollen kein rechtsextremes Österreich“ und „Nie wieder ist jetzt“. Viele Slogans richteten sich gegen Kickl. Als die Menge während der Demonstration vom formellen Beschluss der Koalitionsverhandlungen erfuhren hatte, buhte sie.
Organisiert wurde die Demonstration in Wien von sozialen und kirchlichen Organisationen – sowie von Gruppen, die sich für Flüchtlinge und die Umwelt starkmachen. In ihrem gemeinsamen Protestaufruf hieß es: „Es droht ein autoritärer Angriff auf Demokratie, Menschenrechte, Umweltschutz und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land.“ Auch linke Parteien waren bei der Kundgebung vertreten.
Drohende FPÖ-Regierung in Österreich: Demonstranten warnen vor Rassismus und Ausgrenzung
In Salzburg trugen „Omas gegen Rechts“ ein Gedicht vor – mit dem Ende: „Alerta, alerta, die Omas sind härter“, berichtet Der Standard. Dort warnten die Veranstalter vor einer drohenden Politik der Spaltung und Ausgrenzung. Rassismus und Sozialabbau könnten nicht nur Asylwerbende treffen – sondern auch Arbeitslose und Sozialhilfebezieher.
Martin Wurzenrainer, fachlicher Geschäftsführer des Vereins Projekt Integrationshaus sagte dem Standard: „Ein Kanzler Kickl bedeutet: eine permanente spaltende und ausgrenzende Rhetorik, ein Schüren einer fremdenfeindlichen Stimmung, Angriff auf die Demokratie und Einschränkungen der Rechtsstaatlichkeit, Aushebelung der Menschenrechte und des Rechts auf Asyl, weitere Einschränkungen von sozialen Leistungen für Asylwerbende und sicherlich eine Ausdehnung auf weitere vulnerable Gruppen. Die fremdenfeindliche Politik wird massive negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die gesamte Gesellschaft haben.“
Bis zu einem Regierungswechsel soll Außenminister Alexander Schallenberg als neuer Bundeskanzler die amtierende Regierung leiten. Das teilte das Büro von Bundespräsident Van der Bellen mit. Schallenberg arbeitet seit 2019 als Chefdiplomat Österreichs – mit einer kurzen Unterbrechung. Auch Ende 2021 übernahm er für einige Wochen das Kanzleramt. Damals folgte er auf Sebastian Kurz, der angesichts von Korruptionsermittlungen als Kanzler zurückgetreten war. (Jan-Frederik Wendt)
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