Streit im Kabinett
SPD und Grüne tadeln Lindner im Haushalts-Streit: „Das ist unanständig“
Nach Gutachten zum Budget 2025 muss die Koalitionsspitze nachverhandeln. Kritik gibt es vor allem zum Vorgehen Lindners.
Berlin – Der Streit der Ampel-Koalition scheint ein neues Hoch erreicht zu haben: Laut jüngsten Gutachten klafft im Bundeshaushalt für 2025 eine Finanzierungslücke von rund fünf Milliarden Euro. Finanzminister Christian Lindner (FDP) fordert eine Nachverhandlung – und die könnte vor allem den Koalitionspartner SPD unter Kanzler Olaf Scholz in Bedrängnis führen.
FDP-Chef Lindner lehnt bei Haushalt 2025 Steuererhöhungen „für die arbeitende Mitte“ ab
Schließlich setzt Lindner den Rotstift vor allem bei Themen an, die den Sozialdemokraten wichtig sind. Die geplanten Maßnahmen für den Haushalt 2025 wie die Rentenreform sind laut einem wissenschaftlichen Gutachten wahrscheinlich nicht verfassungsgemäß. Im Haushalt klafft ein Loch von mehreren Milliarden Euro. Kurzum: Die Koalitionsspitzen bestehend aus Lindner, Scholz und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) müssen beim Zahlenwerk nachverhandeln.
Es gebe aber noch viel Zeit, eine tragfähige Lösung zu finden, betonte der FDP-Vorsitzende im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Bis Mitte des Monats werde er mit Kanzler Scholz und Habeck beraten, danach gehe der Haushaltsentwurf in den Bundestag, wo er Ende November beschlossen werden solle.
Eigentlich hatten die drei Ampel-Spitzen Anfang Juli bereits verkündet, einen Kompromiss zum Haushalt gefunden zu haben. Es ging darum, eine Lücke von rund 30 Milliarden Euro zu stopfen. Doch Lindner hatte schon damals Zweifel an mehreren Vorhaben angemeldet und diese verfassungsrechtlich sowie wirtschaftlich prüfen lassen. Die Prüfung ergab rechtliche Risiken vor allem bei dem Plan, übriggebliebene 4,9 Milliarden Euro der Förderbank KfW für die Gaspreisbremsen anderweitig im Haushalt zu nutzen. „Ich will einen Haushalt im Rahmen der Verfassung“, betonte Lindner nun.
Eine rote Linie für die anstehenden Verhandlungen zog Lindner bei „Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte“. Es gehe auch nicht ums Sparen, sondern darum, Mittel umzuschichten für die richtigen Zwecke.
Esken kritisiert Lindner bei Vorgehen zu Etat 2025: „Das ist unanständig“
Kritik löst auch Linderns Vorgehen aus, denn der FDP-Politiker hat den Kanzler Scholz mit seinen öffentlichen Aussagen übergangen. Er sei mit seiner Kritik am Haushaltsentwurf nämlich zuerst an die Öffentlichkeit gegangen, bevor er mit Scholz das Gespräch suchte, bestätigte SPD-Chefin Saskia Esken im ZDF-„Morgenmagazin“ am Montag (5. August). „Er spricht von Transparenz, aber er hat nicht innerhalb der Regierung Transparenz hergestellt, sondern mit der Öffentlichkeit. Das ist unanständig, und das dient der eigenen Profilierung“, so Esken. Damit beschädige Lindner wieder einmal die Regierung.
Ähnlich hatte sich zuvor schon SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geäußert; er warf dem Finanzminister „Selbstvermarktung“ vor, weil der die Ergebnisse veröffentlicht hat, während Bundeskanzler Scholz im Urlaub ist.
Aus Sicht der CSU sollte Scholz wegen der Streitigkeiten um den Haushalt sofort seinen Urlaub abbrechen und ein Machtwort sprechen. „Wo ist Scholz? Die Ampel zerlegt sich wieder mal in aller Öffentlichkeit, weil sie erneut beim Haushalt scheitert - und der Kanzler urlaubt“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Nachrichtenagentur dpa in München. Das sei unerträglich und respektlos gegenüber den Bürgern. „Deshalb ist klar: Scholz muss seinen Urlaub abbrechen.“ Ob Scholz seine Auszeit tatsächlich verkürzt, ist bislang unklar.
Grüne lehnen neue Verhandlungen über Haushalt 2025 ab
Die Grünen dagegen haben sich zum Beginn der Woche bereits deutlich gegen neue Verhandlungen der Koalition über den Bundeshaushalt 2025 ausgesprochen. „Es gibt keinen Grund, neu zu verhandeln“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der Rheinischen Post vom Montag (5. August). Er warf Lindner vor, die zwischen SPD, Grünen und FDP im Juli erreichte Einigung über den Etatentwurf „ohne Absprache in der Koalition“ einseitig in Frage zu stellen.
„Die Aufgabe des Finanzministers ist es, gemeinsame Lösungen möglich zu machen. Christian Lindner tut das Gegenteil“, kritisierte Audretsch. Jetzt liege es in der Verantwortung des Bundeskanzlers, „dafür zu sorgen, dass ein vereinbarter Kompromiss von allen in der Koalition getragen wird“.
„Der rechtliche und finanzpolitische Spielraum dafür ist gegeben“, wies Audretsch diesbezügliche Bedenken Lindners zurück. Zugleich wandte er sich gegen Forderungen aus der FDP nach weiteren Einsparungen, unter anderem im Sozialbereich. „Klar ist, Kaputtsparen beim sozialen Zusammenhalt und beim Klimaschutz wird es nicht geben“, betonte der Grünen-Fraktionsvize. (bg/dpa)
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