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Antony Blinken

US-Außenminister warnt: China ist bis 2027 in der Lage, Taiwan anzugreifen

Chinesische Kampfjets während einer Übung in der Taiwan-Straße im vergangenen August.
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Chinesische Kampfjets während einer Übung in der Taiwan-Straße im vergangenen August.

Bis 2027 will China sein Militär modernisieren. Aber droht dann auch ein Angriff auf Taiwan? US-Außenminister Blinken hält das für möglich.

München/Washington – Xi Jinping lässt keinen Zweifel an seinen Zielen: Chinas Staats- und Parteichef will Taiwan mit der Volksrepublik „wiedervereinigen“, notfalls auch mit Gewalt. Dass man „die Ambitionen von Präsident Xi in Bezug auf Taiwan nicht unterschätzen“ dürfe, warnte bereits im Februar CIA-Chef William Burns. Schon 2027, so Burns, könnte China zudem die militärischen Fähigkeiten besitzen, Taiwan anzugreifen. Eine düstere Prognose, die nun von US-Außenminister Antony Blinken geteilt wurde. „Ich stimme mit der Einschätzung überein, ja“, sagte Blinken am Mittwoch vor einem Senatsausschuss. Während von Russland derzeit eine „akute Bedrohung“ ausgehe, stelle China die USA vor „langfristige Herausforderungen“, so Blinken. Es sei deshalb wichtig, die Regierung in Taipeh mit Waffenlieferungen zu unterstützen.

China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz und droht immer wieder damit, den Inselstaat militärisch zu erobern. Zuletzt hatte Peking zwar die Rhetorik gegenüber Taiwan etwas entschärft; so betonte Xi unlängst, „die friedliche Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwan-Straße muss aktiv gefördert werden“. Expertinnen wie Helena Legarda von der China-Denkfabrik Merics warnen allerdings davor, diese milden Töne aus Peking zu überschätzen. „Eine friedliche ‚Wiedervereinigung‘ wird zunehmend unwahrscheinlich“, sagte Legarda dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Zwar wolle auch China keine militärische Eskalation, halte sich diesen Schritt aber bewusst „als letzte Option vor“.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Zeitplan für Taiwan-Invasion? China will Militär bis 2027 modernisieren

Einen offiziellen Zeitplan für eine Invasion Taiwans gibt es natürlich nicht. Bis 2027 will China allerdings seine Volksbefreiungsarmee, die dann den 100. Jahrestag ihrer Gründung begeht, weitgehend modernisieren. Zu diesem Zweck erhöhte Peking unlängst die Militärausgaben um 7,2 Prozent auf umgerechnet 211 Milliarden Euro. Chinas Militär müsse bis 2027 „an der Durchführung militärischer Operationen, der Verbesserung der Kampfbereitschaft und der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten“ arbeiten, erklärte Chinas kürzlich aus dem Amt geschiedener Premierminister Li Keqiang Anfang März.

Experten zufolge bedeutet das allerdings nicht, dass China 2027 wirklich den Angriffsbefehl auf Taiwan geben will. Auch CIA-Chef Burns wollte seine Einschätzung nicht so verstanden wissen: Xi Jinping habe „nicht beschlossen, im Jahr 2027 oder in einem anderen Jahr in Taiwan einzumarschieren“, verfolge dieses Ziel aber mit „Ernsthaftigkeit“ und „Ehrgeiz“.

Offen ist, ob die chinesische Armee in vier Jahren militärisch überhaupt zu einem solchen Schritt in der Lage wäre. Eine großangelegte Invasion Taiwan halten etwa die Experten des Zentrums für internationale und strategische Studien (CSIS) in Washington in naher Zukunft für unwahrscheinlich. Einem im vergangenen Jahr veröffentlichten Szenario der CSIS-Analysten zufolge würde China einen Angriff auf Taiwan im Jahr 2026 mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren und dabei zudem schwere Verluste erleiden – vorausgesetzt, die USA und Japan griffen aufseiten Taiwans in den Konflikt ein. Das gilt derzeit als gesichert.

Schutz vor China-Angriff: USA unterstützen Taiwan mit Waffen

Wahrscheinlicher als eine groß angelegte Invasion Taiwans sind in den Augen vieler Experten andere Angriffsszenarien, zum Beispiel eine Blockade Taiwans oder Cyberangriffe auf die Insel. Möglich wäre auch eine Salamitaktik, also ein Angriff zunächst auf eine oder mehrere der kleinen Inseln, die zu Taiwan gehören und unweit des chinesischen Festlands liegen. Das mögliche Kalkül dahinter: Wenn China beispielsweise zuerst die Insel Kinmen angreift, würden sich die USA oder Japan noch nicht in den Konflikt einmischen – die winzige Insel wäre es nicht wert, einen Krieg mit Peking zu riskieren. China könnte sich dann ermutigt fühlen, weitere Inseln anzugreifen und schließlich die Hauptinsel Taiwans zu erobern.

Die USA unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zur Regierung in Taipeh, unterstützen Taiwan aber mit Waffenlieferungen. Außerdem hat US-Präsident Joe Biden mehrfach zu verstehen gegeben, dass sein Land Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch unterstützen würde. Am Donnerstag unterstrich ein hochrangiger US-Militär die Entschlossenheit seines Landes, Taiwan beizustehen. „Jeder, der eine Aggression gegen die Vereinigten Staaten in Erwägung zieht, begeht einen sehr schweren Fehler“, sagte Frank Kendall, Sekretär der US-Luftwaffe, mit Blick auf China und Taiwan. Eine „unmittelbare Bedrohung“ sehe er aber nicht, so Kendall weiter. „Ich hoffe, dass es nie so weit kommen wird.“

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