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Ärger mit der Energiewende

„Wir waren naiv“: Ehepaar Eckert zahlt teures Lehrgeld wegen Balkonkraftwerk in Waldkraiburg

Gerhard und Monika Eckert wollten auf ihrem Balkon Sonnenstrom produzieren. Der Eigentümergemeinschaft gefiel das nicht – auch wegen zweier Löcher in der Verkleidung.
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Gerhard und Monika Eckert wollten auf ihrem Balkon Sonnenstrom produzieren. Der Eigentümergemeinschaft gefiel das nicht – auch wegen zweier Löcher in der Verkleidung.

Gerhard (75) und Monika Eckert (71) wollten eigentlich nur etwas Gutes tun. Also haben sie am Balkon ihrer Eigentumswohnung ein Balkonkraftwerk angebracht. Sie haben die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht und teures Lehrgeld bezahlt

Waldkraiburg – „Wir waren naiv“, das gibt Gerhard Eckert (75) zu. Im November haben er und seine Frau Monika (71) ihre neue Eigentumswohnung an der Aussiger Straße in Waldkraiburg bezogen. Ein heller, sonniger Neubau mit einem großen Balkon Richtung Südwesten.

Ideal für eine kleine PV-Anlage auf dem Balkon, ein sogenanntes Balkonkraftwerk. Da sie einen Beitrag zur Energiewende leisten wollten, haben sie durch einen Fachmann Anfang Februar an der Außenseite ihres Balkons zwei Solarpanele angebracht und angeschlossen. Ab sofort haben sie ihren eigenen Strom produziert. „Es war einfach schön. Man schaltet die Spülmaschine ein und weiß, die Sonne arbeitet für einen“, sagt Monika Eckert.

Rechnung ohne den Wirt gemacht

Alles gut? Mitnichten. Denn die Eckerts haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Zwar hatten sie sich beim Kauf der Wohnung vom Bauträger auf dem Balkon einen eigenen Anschluss legen lassen, zwar haben sie am 12. Januar per E-Mail bei ihrem Hausverwalter nachgefragt, aber: „Als keine Antwort kam, waren wir der Meinung, dass es klar geht“, sagt Gerhard Eckert.

Dem war aber nicht so. Das haben sie am 11. April bei der ersten Eigentümerversammlung erfahren. Balkonkraftwerke müssen nämlich alle Eigentümer in der Eigentümergemeinschaft genehmigen und einen Anspruch auf Genehmigung gibt es – trotz Energiewende und Solarpakt I – für Eigentümer noch nicht.

Anspruch auf Genehmigung wird kommen, aber nicht grenzenlos

„Der Anspruch wird kommen“, sagt Dr. Ulrike Kirchhoff, Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzervereins Haus & Grund Bayern. In einem Jahr dürfte es so weit sein. Dann muss eine Eigentümergemeinschaft Balkonkraftwerke genehmigen, es sei denn, sie hat gewichtige Einwände. „Es soll vereinfacht werden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nicht mehr verneinen darf, sondern nur noch festlegen kann, du musst die und die Auflagen erfüllen“, erklärt dazu Manfred Körner, Geschäftsführer der KMI-Hausverwaltung, der ein Objekt in der unmittelbaren Nachbarschaft betreut.

Eigentümer-Vertreterin Kirchhoff kann den Anspruch verstehen, „weil es gut für die Umwelt ist“. Auf der anderen Seite sei ein Balkonkraftwerk, aber auch ein Eingriff in die Immobilie: sei es optisch oder wenn dazu Löcher gebohrt werden müssen. „Das ist immer ein Eingriff in die Bausubstanz.“ Und die gehört eben allen Eigentümern gemeinsam.

„Wenn es möglich ist, warum nicht?“

Hausverwalter Manuel Kaseder, der zugleich Vorsitzender von Haus & Grund in Waldkraiburg ist, ist nicht gegen Balkonkraftwerke: „Wenn es möglich ist, warum nicht? Das ist eine Technologie, die wir brauchen.“ Allerdings sei ganz wichtig: „Es muss zerstörungsfrei sein.“ Einen absoluten Anspruch werde es nicht geben, die Eigentümergemeinschaft werde immer entscheiden: „Wie setzen wir das um.“

Die Eigentümergemeinschaft in der Aussiger Straße war jedenfalls gegen die Solarmodule der Eckerts. Zum einen wegen der Optik, zum anderen, weil dazu zwei Löcher in die Balkonverkleidung gebohrt wurden, damit es professionell und sicher war. Die Löcher haben zwar nur die Größe eines Zwei-Euro-Stücks, aber trotzdem. Die Eckerts mussten ihr Solarkraftwerk wieder abbauen.

CO2 von neun Bäumen eingespart

Gerhard Eckert holt sein Smartphone und öffnet die App. Zwischen 1. Februar und 7. Juni hatte seine Anlage 229 kWh Strom produziert und damit 229 Kilogramm CO2 eingespart. „So viel wie in einem Jahr durchschnittlich neun Bäume speichern.“

„Wir waren naiv und haben zu früh installiert. Wir wollen, dass andern nicht das Gleiche passiert“, sagt er mit einigen Wochen Abstand.

Die Eckerts sind damit nicht alleine. Hausverwalter Körner, der im Landkreis rund 40 Wohnanlagen mit gut 1.000 Wohnungen verwaltet, rät, dass sich die Eigentümer schon jetzt auf „einheitliche Regeln“ einigen sollten, damit die Anlage immer noch ein optisches Gesamtbild ergibt. Das rät auch Kirchhoff von Haus & Grund Bayern. In ihrer Nachbarschaft gibt es auch verschiedene Balkonkraftwerke. „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass die so unterschiedlich aussehen.“

Wichtig ist einheitliche Gestaltung

Körner lebt seinen pragmatischen Ansatz bereits. In direkter Nachbarschaft zu den Eckerts betreut er im Anton-Günther-Weg ein Mehrfamilienhaus, dort sind an zwei Balkonen außen Balkonkraftwerke angebracht. „Wir haben nur gesagt, wir wollen eine einheitliche Darstellung.“ Eigentümer sollten auf jeden Fall im Vorfeld die Erlaubnis holen.

Direkt neben der Wohnanlage der Eckerts steht im Anton-Günther-Weg eine andere. Hier sind Balkonkraftwerke erlaubt.

Die Optik würde sich also regeln lassen, auch die Eingriffe in die Gebäudesubstanz. Schließlich müssen auch Markisen, die die Eigentümergemeinschaft genehmigt, in der Regel in der Wand verankert werden.

Probleme für das häusliche Stromnetz

Bleibt noch die technische Seite. Denn die Nachfrage steigt, wie Körner beobachtet hat: „Es wird immer mehr.“ Und die Bayern-Vorsitzende Kirchhoff befürchtet: „Bei älteren Immobilien ist das Netz schnell überfordert.“ Auch daran könne ein Anspruch auf Genehmigung scheitern.

Marc Mucha, Geschäftsführer vom PV-Anlagenbauer Enerix in Mühldorf, sieht für Balkonkraftwerke, die ja höchstens 800 Watt Leistung haben dürfen, in einer Wohnanlage „an sich keine Obergrenze“. Die Obergrenze definiere der Netzbetreiber, der die maximale Leistung für einen Wechselrichter festlegt. „Sollte man da drüber gehen, dann ist zusätzlich ein Wandlerschrank mit Netz- und Anlagenschutz vorgeschrieben.“ Die Kosten für so einen Schrank liegen im kleinen fünfstelligen Bereich.

Doch dazu braucht es schon viele Balkonkraftwerke. Bei einer Maximalleistung von 30 Kilo-Volt-Ampere sind bis zu 37 Balkonkraftwerke ohne Zusatzkosten möglich, rechnet Mucha vor.

Wallboxen für E-Autos machen mehr Probleme

Für Verwalter Kaseder ist das bislang kein Problem: Von den rund 800 WEG-Wohnungen in gut 50 Anlagen, die er betreut, hätten vielleicht 20 ein Balkonkraftwerk. Auch Körner hat keine Angst vor zu vielen Balkonkraftwerke: „Da habe ich mit einer Wallbox für E-Autos mehr Probleme.“ Und mit den Netzbetreibern, die mit den Anträgen nicht nachkommen.

Christian Duschl, Geschäftsführer der Duschl Baubetreuungsgesellschaft, hat in den vergangenen fünf Jahren in Waldkraiburg rund 170 Wohnungen fertiggestellt. Er hat bisher in seinen Neubauten keine Balkonkraftwerke vorgesehen. „Wir sehen das unterschiedliche Erscheinungsbild als Problem an, da wir in der Regel Eigentumswohnungen bauen und daher nicht jeder auch ein solches Balkonkraftwerk installieren möchte.“ Das Hausstromnetz sei dafür aber ausgelegt. „Generell ist die Nachfrage nach Balkonkraftwerken im Moment noch recht gering.“

Lehrgeld bezahlt

Die Eckerts haben jedenfalls teureres Lehrgeld bezahlt. Am 7. Juni haben sie ihre Anlage wieder abgebaut und die durchbohrte Lochwand durch eine neue ersetzt: Kostenpunkt rund 1.000 Euro.

Verbittert sind sie nicht. Wenn jetzt ein anderer ein Balkonkraftwerk in ihrer Anlage anbringen möchte? „Dann bin ich natürlich nicht dagegen“, sagt Gerhard Eckert. Er ist nach wie vor für diese Technik, er und seine Frau wollen nur andere vor ähnlichen Erfahrungen bewahren.

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