Serie: Mein Lieblingsplatz im Landkreis Mühldorf
Von Uganda nach Waldkraiburg: Mercys Lieblingsplatz in der Stadt ist ein Bunker
Mercy kommt aus Uganda, seit knapp einem Jahr lebt sie in Waldkraiburg. Ihr Lieblingsplatz in der Stadt: der „Bunker 29“. Alte Bilder und Maschinen hinter dicken Mauern. Warum?
Waldkraiburg – Einen Ort wie diesen hatte Mercy wahrlich noch nicht gesehen. Denn in ihrem Heimatland Uganda gibt es solche Orte nicht. Von außen wirkt der Bunker 29 unscheinbar: Ein graues Gebäude mit massiven Türen und Fenstern, die keinen Blick ins Innere zulassen. Überreste der ehemaligen Pulverfabrik am Schweidnitzer Weg. „Ich habe es nicht erwartet, als ich das Äußere gesehen habe, aber das Museum ist schön von innen“, sagt Mercy. Ihren vollständigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen.
Sie ist 29 Jahre und lebt seit knapp einem Jahr in Waldkraiburg. Die Stadt ist ihr neues Zuhause. Darum ist es ihr wichtig, auch die Geschichte ihres Wohnortes kennenzulernen. „Es interessiert mich, wie es früher aussah und wie Flüchtlinge die Stadt aufgebaut haben“, sagt sie. Etliche Bilder an den Wänden erinnern an das Waldkraiburg vergangener Zeiten.
Vom versteckten Werksgelände zur Industriestadt
Die Türen für sie geöffnet hat Arnulf Lode, der regelmäßig ehrenamtlich durch das Museum und die Stadt führt. Selbst mit seinen Eltern und Geschwistern als Vertriebener 1946 aus Böhmisch Leipa nach Waldkraiburg gekommen, erzählt er heute gleichermaßen gerne alteingesessenen Mühldorfern wie neu angekommenen Geflüchteten von der Geschichte der jungen Stadt. „Die Menschen haben sich hier immer zusammenfinden müssen und wir leben gut miteinander“, sagt er.
Stolz zeigt er den Bunker 29 – den letzten original erhaltenen von mehr als 400 Bunkern des Rüstungswerks Kraiburg, aus dem sich das heutige Waldkraiburg entwickelt hat. 1939 in Betrieb gegangen, wurde hier einst Schießpulver für die Soldaten im Zweiten Weltkrieg hergestellt. Damals bestand Waldkraiburg noch aus dichtem Wald, die Dächer der Bunker waren mit Erde aufgeschüttet und mit Bäumen bepflanzt, damit sie nicht zu erkennen waren. Noch heute prägen etwa 280 Bunker das Stadtzentrum, an- und ausgebaut sind sie allerdings kaum noch als solche zu erkennen.
Öffnungszeiten „Bunker 29“
Das Industriemuseum im Schweidnitzer Weg 6 in Waldkraiburg hat von April bis Oktober jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Ehrenamtliche führen durch das Museum, eine Anmeldung ist nicht nötig. Der Eintritt ist frei. Gruppenführungen sind nach telefonischer Anfrage unter 08638/959308 möglich. Von November bis März befindet sich das Museum in der Winterpause.
Mercy faszinieren jedoch nicht nur die alten Bilder, sondern vor allem auch die Maschinen. Sie machen Waldkraiburgs Geschichte als Industriestadt greifbar. Da ist eine große „Knetmaschine“, die Pulverrohmasse durchknetete. Da ist aber auch ein Walzwerk, das bei der Herstellung von Gummi zum Einsatz kam.
Ein anderer der insgesamt sechs Räume im Bunker erinnert an die frühere Bonbonfabrik, die vor allem für Frauen Arbeitsplätze schuf. „Die Industrie zeigt, welche Dynamik Waldkraiburg genommen hat: Wie sich aus einem Werksgelände eine Stadt entwickelt hat. Viele Menschen, die hier herkommen, haben sich bewusst für diese Stadt entschieden, weil Waldkraiburg seit Generationen eine sichere, lebendige und offene Stadt ist“, sagt Lode.
„Ich bin am liebsten in Waldkraiburg“
Auch Mercy fühlt sich wohl in Waldkraiburg. „Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich auf der Suche nach einem ruhigen Ort – und habe ihn hier gefunden.“ Sie mag es, dass das Stadtzentrum nicht weit entfernt und gut erreichbar ist. Die regelmäßigen Fahrten mit der Bahn zur Schule nach München strengen sie dagegen an. „Wenn ich keine Schule habe, bin ich am liebsten in Waldkraiburg, nicht in München oder Rosenheim“, sagt sie.
In Uganda war sie Tischtennistrainerin, in Waldkraiburg hat sie vor Kurzem wieder zu spielen angefangen. Sie hofft, in Deutschland Fuß fassen zu können, würde gerne Polizistin werden. Das wäre beruflich ihre erste Wahl. Aber auch Krankenschwester oder Lokführerin könnte sie sich vorstellen. „Ich verlasse mich nicht auf einen einzigen Plan“, sagt sie.




