Generationenwechsel schreitet voran
Ein neuer Vorsitzender für „Mühldorf ist bunt“: „Das Thema brennt“ – auch im Landkreis
„Mühldorf ist bunt“ wendet sich gegen Rassismus und Diskriminierung, tritt für Vielfalt ein. Am Freitag bekommt der Verein einen neuen Vorsitzenden, der selber schon das Opfer von tätlichen Angriffen war. Das sind seine Ziele.
Waldkraiburg – „Jeder Verein, der überleben will, braucht junge Leute, die es in die Hand nehmen“, sagt Max Wiltschka. Er ist bislang stellvertretender Vorsitzender im landkreisweiten Netzwerk für Demokratie und Toleranz „Mühldorf ist bunt“ mit Sitz in Waldkraiburg. Wenn alles nach Plan läuft, wird er am Freitag (9. Juni) den Vorsitz und damit das Ruder im Verein übernehmen.
Ein Ruder, das er aber keinesfalls alleine führen möchte: „Wir sind ein Mitmachverein. Jeder darf mitmachen.“ Egal, ob im Vorstand oder nicht. Im Vorstand würden Entscheidungen getroffen, aber „gestalten darf jeder“.
Seit gut einem Jahr führen die Stellvertreter
Wiltschka, der in Schwindegg wohnt, möchte den Verein wieder in etwas ruhigere Gewässer führen. Denn nach dem Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden Hartmut Lang wurde vor einem Jahr Olivier Fargeon zum neuen Vorsitzenden gewählt, fiel aber wenige Wochen später aus familiären Gründen wieder aus, wie Wiltschka erklärt. Und so führen die stellvertretenden Vorsitzenden Wiltschka und Christoph Arz seit rund einem dreiviertel Jahr den Verein.
Der Schwindegger ist seit gut eineinhalb Jahren Vereinsmitglied. Die Internationalen Wochen gegen Rassismus hatten ihn auf den Verein aufmerksam gemacht. „Die Veranstaltungen haben mir sehr gut gefallen. Demokratie, Toleranz und Vielfalt sind wichtige Themen“, so Wiltschka. „Sie werden aber in unserer Gesellschaft immer noch vernachlässigt.“
Tätliche Angriffe auf der Straße sind Realität – auch im Landkreis
Das möchte er ändern. Auch, weil er als queere Person selbst schon Opfer von Intoleranz und Übergriffen wurde. Als „queer“ werden Menschen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität nicht entlang der klassischen Zuordnung Mann/Frau verläuft.
Wiltschka wurde biologisch als Frau geboren, fühlt sich aber immer schon als Mann und ist deswegen immer wieder Zielscheibe von Hass. „Das geht von tätlichen Angriffen über Beleidigungen bis zu Hassrede im Netz. Da ist alles dabei.“ Alles habe er schon erlebt, nicht nur im Internet, sondern auch auf den Straßen im Landkreis: „Ich wurde auch schon tätlich angegriffen. Ich kannte mein Gegenüber gar nicht. Das kommt vor, ist leider Realität bei uns.“
Ich wurde auch schon tätlich angegriffen. Ich kannte mein Gegenüber gar nicht. Das kommt vor, ist leider Realität bei uns.
Wiltschka möchte das Themenspektrum des Vereins erweitern: Vielfalt und Identität sollen eine Rolle spielen, ebenso der Austausch mit anderen Kulturen und die Integration von Flüchtlingen sowie Hilfe für Flüchtlinge. Der Aufbau eines Queer-Cafés für die queere Community im Landkreis sei ebenso ein Ziel wie die Zusammenarbeit mit dem Mühldorfer Café International. Auch ein kleines Kulturfest kann er sich vorstellen. Im Bereich der Flüchtlingsarbeit möchte er noch mehr Hilfe durch den Verein ermöglichen: Kontakte aufbauen und vermitteln, Menschen zusammenbringen und konkrete Hilfe leisten.
„Mühldorf ist bunt“ soll selbst bunter werden
Auch „Mühldorf ist bunt“ soll bunter werden. „Wir möchten mehr Vielfalt reinbringen, auch was Kulturen angeht. Da sind wir noch nicht ganz so gut aufgestellt. Wichtig ist: Wir wollen nicht nur über fremde Kulturen reden, sondern auch mit ihnen.“
Und: Er möchte den Verein weiter verjüngen. Das wurde im Vorjahr schon eingeläutet und soll am Freitag fortgesetzt werden. Denn die Themen Demokratie, Vielfalt und Toleranz würden die Jugendlichen interessieren: „Das spricht sie an. Da ist die Nachfrage da.“ Das habe er dieses Jahr bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus erlebt, zum Beispiel in der Waldkraiburger Franz-Liszt-Schule oder in der Mühldorfer Berufsschule für Soziales: „Die waren alle richtig begeistert und wirklich super bei der Sache. Das Thema ist für die Jugendlichen relevant und interessiert sie. Das Thema brennt.“
Viel Arbeit wartet, ebenso viele Unterstützer
Viel Arbeit für Wiltschka und sein Team. Arbeit, die Zeit braucht. „Wir sind im Aufbau“, so der designierte Vorsitzende. Derzeit könne der Verein nur zuarbeiten und mit Demos und Festen Aufmerksamkeit erregen. Das soll sich ändern. Das kann sich ändern: „Wir haben derzeit zwar nur 49 Mitglieder, aber viele Unterstützer, auch in den Institutionen und bei den Jugendorganisationen.“ Das führt ihn wieder zu seinem Amtsverständnis: „Wir sind ein Mitmachverein. Jeder darf mitmachen und gestalten, egal ob im Vorstand oder nicht.“
Die Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen von „Mühldorf ist bunt“ findet am Freitag, 9. Juni, ab 18.30 Uhr beim Kreuzer-Wirt in Mettenheim statt.
Zur Person
Max Wiltschka ist 29 Jahre alt, wohnt in Schwindegg und arbeitet als Oberinspektor im Notardienst in einem Notariat in Erding. Neben seinem Engagement bei „Mühldorf ist bunt“ ist er „Jungpolitiker mit Leib und Seele“ sowie in vielen Vereinen und Organisationen engagiert. In seiner Freizeit trifft er sich gerne mit seinen Freunden und ist viel mit seinen Nichten und Neffen unterwegs.