Schüler aus vier Ländern - ein Ziel - mit *Umfrage*
Gegen Fake-News und Hass im Netz: Wasserburger Realschüler gehen es international an
Fake-News, abwertende Kommentare, Bodyshaming: Damit werden Teenager, die viel Zeit im virtuellen Raum verbringen, regelmäßig konfrontiert. Realschüler aus Wasserburg kämpfen dagegen an, vor Ort und sogar international. Einblicke in ein mutmachendes Projekt.
Wasserburg - Die Europaflagge weht im Eingang, das Stimmengewirr auf den Gängen und im Pausenhof wird auch von Englisch, Italienisch, Spanisch und Lettisch geprägt. Es ist Erasmus-Woche an der Realschule Wasserburg. Schülerinnen und Schüler und ihre Gäste aus Italien, Spanien sowie Lettland begegnen sich - nicht nur im Unterricht, auch daheim in den Gastfamilien, in der Freizeit.
Doch das von der EU geförderte Projekt, um das sich die Realschule erfolgreich beworben hatte, ist mehr als nur ein Schüleraustausch. Gemeinsam erarbeiten die Jugendliche aus vier Ländern ausgewählte Themen, erläutert Lehrerin Michaela Angerer. In der Tat: Am letzten Tag, rauchen regelrecht die Köpfe in den Klassenzimmern.
Im Computerraum beugen sich die Teenager aus Deutschland, Italien, Spanien und Lettland über die Tabletts. Hier wird noch fleißig aufgenommenes Filmmaterial geordnet und bewertet. Am Ende des von der EU geförderten Erasmusprojektes an der Realschule Wasserburg, das von den Lehrkräften Michaela Angerer, Martina Helwig, Stephanie Schröder und Markus Brem geleitet wurde, steht ein Podcast. Thema der Dreharbeiten: Fake-News und Diversität. Schülerinnen und Schüler aus vier Ländern stehen in Interviews Rede und Antwort, reflektieren über Hass im Netz, Vorurteile und Diskriminierung.
Wurzeln von Vorurteilen auf den Grund gegangen
Eine Woche lang haben sie sich gemeinsam der schwierigen Thematik gestellt: sich bei Radio Charivari erklären lassen, wie eine seriöse Recherche und Quellenarbeit aussieht, die Vielfältigkeitsgestalter in Rosenheim und die Ausstellung in der dortigen Städtischen Galerie zum Thema „wegschauen verboten“ besucht. Auch ein Tagesausflug nach München gehörte zum Programm, zum Finale am Freitagabend natürlich eine Party. Trotzdem: Im Fokus stand die gemeinsame Arbeit, um den Wurzeln von Falschnachrichten und Vorurteilen auf den Grund zu gehen - in Workshops und Projekten.
Hass und Diskriminierung, nur weil jemand eine andere Hautfarbe, Religion oder Nationalität hat? Kein Thema an der Realschule Wasserburg, die gleich am Eingang mit einem großen Plakat klarstellt: Rassismus jeglicher Art findet hier keinen Raum. Abwertende Verhaltensweisen gegenüber Schülerinnen und Schülern, die anders sind: „Das gibt es bei uns kaum“, sagt Josefine Baumgartner. Und doch: Manchmal seien Stereotypen im Kopf, räumen die 14- bis 16-Jährigen ein, die am Projekt teilgenommen haben. Beginnt die Diskriminierung bereits im Kleinen, fragt sich beispielsweise Alexandra Hiedl. Die 15-Jährige stellt selbstkritisch fest, dass sie jüngere Schüler, die sich kleiden, als seien sie schon viel älter und den Tik-Tok-Helden nacheifern, in Gedanken ablehnt. „Dabei kenne ich sie ja gar nicht“, räumt sie ein. Die Sensibilität gegenüber Vorurteilen und Barrieren, die im Kopf beginnen, ist deutlich gestiegen, findet auch Josefine Baumgartner (16).
„Ich bin viel kritischer und vorsichtiger geworden, wenn ich im Netz unterwegs sind“, sagt Alexandra Hiedl. Die Realschülerin hat sich sogar drei Jahre lang im Rahmen des Erasmus-Programms mit Themen wie der Verbreitung von Fake-News beschäftigt. Auch Jasmin Schopka (15) bestätigt, dass sie nicht mehr alles glaube, was in den sozialen Netzwerken stehe. „Ich schaue immer auch noch nach anderen Quellen“, sagt Lena Blazanovic (15).
Wenn aus Stereotypen im Kopf Diskriminierung wird
Unkritsche Übernahme von im Netz verbreiteten Aussagen fördert nach Erfahrungen der Realschüler auch Vorurteile. Wann wird aus ihnen ein diskriminierendes Verhalten? Guillem Cortés aus Katalonien sagt, er wisse nun, wie sich aus den Stereotypen im Kopf abwertende Reaktionen und Verhaltensmustern entwickeln könnten. Diversität - von den Schüler in sieben Kategorien geordnet - ist in seinem Land noch kein großes Thema, sagt der 14-Jährige. „Sollte es aber sein“, findet der junge Spanier, mit dem sich die Wasserburger auf Englisch unterhalten. Die Wahlfachgruppe, an der sich in drei Jahren 25 Schülerinnen und Schüler der Realschule Wasserburg beteiligten, habe das Bewusstsein für die Vielfalt verstärkt, findet auch Miriam Deciccanmo aus Sizilien (13). Das Projekt habe einen Blick über den Tellerrand ermöglicht, sagt Alexandra Hiedl. Sie hatte sich eigentlich zur Teilnahme entschlossen, weil sie dachte: „Das Erasmus-Projekt ist voll cool, weil ich billig reisen kann“. Es war jedoch viel mehr, zieht die Neuntklässlerin, die bei einer Gastfamilie in Lettland war, Bilanz. „Ich habe intensive Einblicke in ein Land gewonnen, das mir völlig fremd war, dass ganze andere Lebensbedingungen bietet als Deutschland, und viele tolle Menschen kennengelernt.“