Sicher zur Schule kommen
„Angemotzt und angeschrien“: Gefährliche Schulwege und warum in Waldkraiburg alle gefragt sind
Der Weg zur Schule kann gefährlich sein: Kinder können den Verkehr oft schwer erfassen. Wo in Waldkraiburg Vorsicht geboten ist, wie der Schulweg sicher werden kann und warum da auch die Eltern gefragt sind.
Waldkraiburg – „Der Schulweg ist hier nicht sicher“, sagt David Seidemann. Er blickt auf die Ampel am „Grünen Weg“, die die Schüler auf dem Weg zur Grundschule am Goetheplatz passieren müssen. Der Schulweghelfer kennt die Ungeduld der Autofahrer in der Früh, weiß, dass Kinder erst ab etwa zehn Jahren einen Straßenübergang alleine gut einschätzen können.
Darum engagiert er sich bereits seit zwei Jahren als Schülerlotse, hat in diesem Jahr die Leitung des Dienstes übernommen. Mindestens einmal pro Woche steht er ab halb acht mit reflektierender Jacke und Lotsenkelle an der Ampel am Goetheplatz. Dort befindet sich die einzige Schule mit einem Lotsendienst in Waldkraiburg.
Die Stadt Waldkraiburg setze sich aber auch auf anderen Ebenen dafür ein, Schulwege sicherer zu gestalten, wie Pressesprecherin Anita Kroiß auf Anfrage mitteilt. Regelmäßig führe die Kommunale Verkehrsüberwachung Verkehrskontrollen in der Nähe der Schulen durch. Auch gebe es eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei, um Gefahrenstellen zu identifizieren und gezielt zu entschärfen.
Schulweghelfer dürfen Verstöße der Polizei melden
Die gute Zusammenarbeit mit Polizei und Stadt betont auch Kristina Pauli. Fünf Jahre lang stand sie als Schulweghelferin morgens an der Ampel am Goetheplatz, hat bis zu diesem Schuljahr die Leitung übernommen. Gerade montags habe sie die Erfahrung gemacht, dass bis zu vier Autos bei Rot über die Ampel sausen. Solche Verstöße dürfen die Schulweghelfer notieren und der Polizei melden.
Nach Möglichkeit weisen sie auch persönlich auf Fehlverhalten hin, etwa wenn Eltern im absoluten Halteverbot parken. Die Betroffenen würden darauf allerdings mit Unmut reagieren, eine Entschuldigung gebe es kaum, im Gegenteil: „Angemotzt oder auch mal angeschrien zu werden, kann durchaus passieren“, sagt Pauli. Auch beobachte sie vermehrt gestresste Eltern, die ihre Vorbildfunktion außer Acht lassen und noch schnell über die Straße rennen.
Digitaler Schulwegplaner kann Eltern unterstützen
Doch verkehrsplanerisch lasse sich an dieser Stelle nichts machen, um die Situation zu entspannen. Da es sich beim „Grünen Weg“ um eine Kreisstraße handelt, sei weder eine verkehrsberuhigte Zone noch eine Einbahnstraßenregelung möglich. Im Auftrag der Stadt platzieren die Stadtwerke jedes Jahr im August einen Banner und Schilder in der Nähe der Grundschule am Goetheplatz, um auf den Schulanfang aufmerksam zu machen.
Einen möglichst sicheren Schulweg für das eigene Kind zu finden, dabei kann auch der Schulwegplaner der Stadt Waldkraiburg helfen. Unter www.schulwege.de können so auf einer digitalen Karte Gefahrenstellen identifiziert und umgangen werden. Die Gefahrenstellen stammen aus Unfallstatistiken und Fahrzeugdaten, aber auch aus Nutzermeldungen.
Mehrere Dutzend Meldungen seit März
So schreibt User Josip Ciklusic etwa über die Kreuzung von Peter-Rosegger-Straße und Adalbert-Stifter-Weg: „An der Kreuzung stehen geparkte Autos. Die Fahrzeuge können mit 50 km/h beidseitig fahren und, da geparkte Autos stehen, sind die Kinder auch für die Fahrer nicht immer zu sehen“ Für ihn fehle ein Zebrastreifen, ein Parkverbot und Schilder, dass hier Kinder zur Schule gingen. Die Kreuzung sei der Grund, dass niemand seine Kinder alleine zur Schule gehen lasse.
Bereits mehrere Dutzend Meldungen sind seit März eingegangen. Die Stadt gibt an, aktiv auf diese Eintragungen im Schulwegplaner zu reagieren. „Rückmeldungen der Nutzer werden ernst genommen und tragen maßgeblich zur kontinuierlichen Verbesserung der Schulwegsicherheit bei“, sagt Kroiß. Ein Team aus Verkehrsexperten prüfe die gemeldeten Gefahrenstellen und Verbesserungsvorschläge. Nach Dringlichkeit und Machbarkeit werde anschließend die Verkehrssituation verbessert oder die Autofahrer sensibilisiert.
Schon eine halbe Stunde wöchentlich trägt zu sicherem Schulweg bei
Die Stadtverwaltung erhielt für den interaktiven Schulwegplaner das Siegel „DIGITAL-Award 2024“. „Natürlich braucht es dazu die Mithilfe von allen, aber es freut uns als Stadt, diese Möglichkeit durch das Online-Portal bieten zu können und die Schulwege dadurch sicherer zu machen“, sagt Bürgermeister Robert Pötzsch.
Mithilfe, darauf sind auch die Schulweghelfer angewiesen und auf der Suche nach weiteren Ehrenamtlichen. „Gerade haben wir so wenig Lotsen wie noch nie“, sagt Pauli. Dabei könnte sich jeder einbringen, egal ob Eltern oder Großeltern, mit guten oder weniger guten Deutschkenntnissen. Schon mit einer halben Stunde in der Woche wäre dem Team aus derzeit zehn Personen geholfen.
„Mir hat es immer unglaublich viel Spaß gemacht“
„Wenn wir nicht mehr hier wären, leiden die Kinder und die Autofahrer“, betont Seidemann. Denn die Ampel schalte an dieser Stelle schnell auf Rot. Würden die Schulweghelfer nicht darauf achten, dass mehrere Kinder gemeinsam die Straße queren, hätten die Autofahrer nahezu keine Chance weiterzukommen.
Bei allen Herausforderungen betont Pauli aber auch: „Mir hat es immer unglaublich viel Spaß gemacht und wir Lotsen untereinander sind ein super Team!“ Die Kinder würden sich wahnsinnig über die Helfer freuen. Das sieht auch Seidemann so und ergänzt: „Wir sind auch da, wenn ein Kind hinfällt oder seinen Rucksack vergessen hat und fangen das auf.“
