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In Waldkraiburgs Moschee

„Abschalten vom Alltagstrott“: Ein Besuch beim Koran-Unterricht für muslimische Frauen

Üben gemeinsam die richtige Aussprache auf Arabisch: Theologin Mirac Uguz-Kücük erklärt an der Tafel, wie sich die Betonung je nach Buchstabenfolge verändert. Ihr zweijähriger Sohn macht nebenher seine eigenen Notizen.
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Üben gemeinsam die richtige Aussprache auf Arabisch: Theologin Mirac Uguz-Kücük erklärt an der Tafel, wie sich die Betonung je nach Buchstabenfolge verändert. Ihr zweijähriger Sohn macht nebenher seine eigenen Notizen.

In Waldkraiburgs Moschee wird nicht nur gebetet, es wird auch gemeinsam gelernt und gelebt. Theologin Mirac Uguz-Kücük hat ein besonderes Angebot für Frauen und Kinder geschaffen. Warum die jungen Frauen immer gerne in die Moschee kommen.

Waldkraiburg – Gemeinsam üben sie die richtige Aussprache von „inshallah”, was auf Deutsch „so Gott will” oder „wenn Allah will” bedeutet. Mirac Uguz-Kücük schreibt das Wort mit Kreide an die Tafel und markiert die entscheidenden Buchstaben. Sie ist Theologin, hat fünf Jahre lang an einer Universität in Istanbul studiert, davon das erste Jahr Arabisch. Der Türkisch-Islamische Verein DITIB hat sie während ihres Studiums gefördert, nun arbeitet sie in der DITIB Moschee in Waldkraiburg und gibt ihr Wissen weiter.

Die arabischen Schriftzeichen verändern sich je nach Position im Wort. Das Lesen erfordert darum einige Übung.

Die Frauen im Klassenzimmer hören ihr aufmerksam zu. Jeden Dienstagvormittag kommen sie dort zusammen. Im ersten Teil des Unterrichts beschäftigen sie sich mit dem Koran und lernen die arabische Sprache. Nebenher malt ein kleines Mädchen in ein Notizbuch neben die Eintragungen ihrer Mutter, ein anderes lutscht an einer Reiswaffel. Sie sind zwischen einem und drei Jahren alt.

In anderen Kursen würden die Kinder ablenken

Es ist ein besonderes Angebot, dass Uguz-Kücük geschaffen hat. Dass verschiedene Kurse in Moscheen angeboten werden, ist üblich, aber Unterricht für Mütter mit kleinen Kindern ist eher die Ausnahme. Doch als Mama einer dreijährigen Tochter und eines zweijährigen Sohnes weiß sie nur zu gut, dass spielende oder weinende Kinder in anderen Kursen ablenken würden. Nicht so in diesem: Die Teilnehmerinnen sind jung und lernen schnell, fast alle haben studiert, die anderen eine Ausbildung gemacht. Unter ihnen ist eine Juristin, eine Softwareentwicklerin und eine Buchhalterin – alle momentan in Elternzeit.

Lesen zusammen im Koran und üben so die richtige arabische Aussprache: Theologin Mirac Uguz-Kücük und eine Teilnehmerin ihres Mutter-Kind-Kurses, der jeden Dienstagvormittag stattfindet.

„Das ist eine sehr lockere Gruppe”, sagt Uguz-Kücük. „Aber gleichzeitig sind wir hier weiter als manch anderer Kurs, können auch in die Tiefe gehen oder über aktuelle Ereignisse reden.” Der Unterricht findet an diesem Tag auf Türkisch statt, doch Uguz-Kücük spricht sehr gut Deutsch. Sie ist in Mainz geboren und aufgewachsen, hat später für mehr als zehn Jahre in der Türkei gelebt und arbeitet seit fünfeinhalb Jahren als Theologin in Waldkraiburg.

Uguz-Kücük kennt den Koran auswendig – rund 600 Seiten

Doch nicht nur das, zusätzlich betreut die 31-Jährige sieben andere Moscheen im Umkreis, darunter Mühldorf und Dorfen, in denen sie regelmäßig predigt. Sie gibt Seminare, ist an besonderen Veranstaltungen beteiligt und um Weihnachten herum leitete sie eine zweiwöchige Pilgerfahrt nach Medina und Mekka. Die Abwechslung macht ihr Spaß. „Es steht immer etwas anderes an und das brauche ich auch”, sagt sie.

Für den Islam interessiert sich Uguz-Kücük bereits seit ihrer Kindheit. „Ich kenne meine Religion sehr gut und bin auch im Koran lesen sehr gut”, erzählt sie. Die heilige Schrift kenne sie auswendig, alle rund 600 Seiten. Wenn sie den Frauen im Kurs vorliest, bekommt der Text eine ganz eigene Melodie. „Wenn man so gut lesen kann, ist das sehr schön und ich genieße die Atmosphäre”, sagt Teilnehmerin Ayse Aslanboga. Sie hat in ihrer Kindheit bereits Arabisch gelernt, dann aber eine längere Pause gemacht und ist noch nicht ganz so weit, wie die anderen Frauen. „Man fängt wieder bei Null an, aber wenn man regelmäßig kommt, hat man auch Erfolge und es macht Spaß.”

„Für eine Zeit vom Alltagstrott abschalten“

Nach etwa der Hälfte der Zeit beginnen sie mit dem zweiten Teil des Unterrichts, in dem sie Grundwissen zum Islam lernen. Beim Besuch der OVB Heimatzeitungen geht es um ein Totengebet – eine gemeinschaftliche Pflicht, der mindestens ein Gläubiger nachkommen sollte. Uguz-Kücük zeigt, wie die Frauen im Gebet die Hände halten sollen. Aslanbonga ist dankbar, für das, was sie lernt: „Mir gibt das Kraft und ich kann für eine Zeit abschalten vom Alltagstrott.”

Auch Kübra Keser will mehr über ihre Religion lernen. „Ich kann kein Arabisch und möchte den Glauben gerne besser praktizieren können”, sagt sie. Ihre Kinder gehen inzwischen in den Kindergarten, nun unterstützt sie die anderen Frauen bei der Betreuung. „Als meine Kinder so klein waren, war ich sehr erschöpft, da hat mich der Unterricht auch mental weitergebracht.”

Vorurteile gegenüber dem Islam machen traurig

Familie zu haben, das spielt im Islam eine große Rolle. „Man muss natürlich nicht, aber es ist sehr schön, wenn man Familie hat”, sagt Uguz-Kücük – auch für die Theologen ist das vollkommen normal. Dass Priester in der katholischen Kirche nicht heiraten dürfen, findet sie überraschend: „Für mich ist das kaum zu glauben, dass es so eine Regel gibt.”

Die junge Theologin macht es traurig, dass es viele Vorurteile gegenüber dem Islam gibt. „Es ist bei uns nicht so, dass die Männer nichts machen und die Frauen managen den Haushalt – und wenn doch, hat das nichts mit dem Islam, sondern mit der Kultur zu tun.” Wenn jemand Fragen zum Islam oder zur Moschee habe, sei er jederzeit willkommen, das betonen alle Frauen an diesem Dienstag. Man könne immer vorbeikommen, es sei immer jemand da. „Die Moschee wird aktiv benutzt, alles andere ist für uns traurig”, sagt Uguz-Kücük.

Religion, Kinder, Beruf: Hier können sich die Frauen austauschen

Unterricht zwischen angebissener Brezel, bunten Trinkflaschen und dem Koran. „Ein bisschen ist es wie in einer Krabbelgruppe, wir können uns austauschen, aber wir lernen eben auch noch etwas dazu”, sagt Ezgi Akcay (hinten).

Die Frauen genießen die gemeinsamen Stunden. „Ein bisschen ist es wie in einer Krabbelgruppe, wir können uns austauschen, aber wir lernen eben auch noch etwas dazu”, betont Ezgi Akcay. Die Frauen reden nicht nur über Religion oder die Kinder, sie tauschen sich auch aus, wie es beruflich für sie weitergeht und motivieren sich gegenseitig. Gegen 11 Uhr verschwinden Koran und Brotzeitboxen langsam wieder in den Taschen, Akcay muss weiter zum Einkaufen, der Alltag hat die Frauen wieder.

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