Der DGB lädt zum Sommer-Garten-Gespräch ein
Kandidaten-Talk: Was im Landkreis „grottenschlecht“ ist und wo Bayern von Bremen lernen kann
An einem lauen Sommer-Abend hat der DGB fünf Landtags-Direktkandidaten im Landkreis Mühldorf zu einem Polit-Talk unter freiem Himmel geladen. Wer mit wem gerne im Ideen-Zug fahren würde.
Waldkraiburg – Der Garten der Schenker-Halle war ein lauschiges Plätzchen für den Polit-Talk des DGB mit Mühldorfer Landtagskandidaten. Der DGB hatte dazu fünf Direktkandidaten eingeladen und an zwei Tischen schön nach Koalitionen geordnet: Vom Zuschauer aus saß links die Berliner Ampel – Sea Altmann (SPD), Valentin Clemente (FDP) und Bianca Hegmann (Grüne) – und rechts die Bayern-Koalition: Markus Saller (Freie Wähler) und Sascha Schnürer (CSU).
Moderiert von Günther Zellner, Geschäftsführer der DGB Region Oberbayern, äußerten sie sich zum Tariftreue-Gesetz, zur umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie, zum Zustand der Pflege, der Attraktivität des Lehrerberufs sowie zum ÖPNV im Landkreis.
Braucht es ein Tariftreue-Gesetz?
Alle waren sich einig, dass Beschäftigte vernünftig bezahlt werden müssen. Sie waren aber uneins, ob es dazu bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ein Tariftreue-Gesetz braucht.
Hegmann und Altmann waren dafür. Bis auf Bayern und Sachsen hätten alle Länder eines; Bayern könne sich, so Hegmann, ein Beispiel an Bremen nehmen.
„Ich sehe ein gewaltiges Bürokratiemonster“, warnte Saller, der auch Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft ist, und forderte wie auch Clemente und Schnürer vielmehr eine Entbürokratisierung. Öffentliche Ausschreibungen seien heute schon so kompliziert, so Unternehmensberater Schnürer, dass sich viele kleine und mittlere Unternehmen gar nicht mehr bewerben. „Wir brauchen Luft für den Mittelstand“, forderte Schnürer unter Applaus.
Wie kann der Pflegeberuf attraktiver werden?
Die Kandidaten waren sich einig, dass im Pflegebereich gehandelt werden muss. „Die Pflegekraft muss wieder mehr Zeit für die Menschen haben“, so Altmann. „Das Gehalt ist nicht das Problem, sondern die Bedingungen“, sagte Rettungssanitäter Clemente, das sei auch Sache der Träger.
Hegmann und Saller regten für die jungen Menschen verpflichtende Praktika (Hegmann) oder ein „freiwilliges oder verpflichtendes Soziales Jahr“ (Saller) an, um die Pflegeberufe kennenzulernen.
Bei aller Kritik warnten Clemente und Schnürer davor, die Zustände über die Maßen schlecht zu reden. Das mache den Beruf nicht attraktiver. Schnürer: „Wir reden uns die Krankenhäuser kaputt.“
Braucht es eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie?
Gespalten war die Runde bezüglich einer Ausbildungsgarantie. Clemente, Schnürer und Saller sahen dafür keinen Bedarf: Es gebe derzeit mehr Ausbildungsplätze als Bewerber, jeder der wolle, bekomme eine Stelle. Das Problem sei, so Saller, dass Handwerksbetriebe ausbilden und die Azubis danach zu besser zahlenden Unternehmen gingen.
Altmann, Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten, unterstützte daher eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie: „Eine gute Idee, die dringend umgesetzt werden muss“. Immer mehr große Unternehmen würden nicht mehr ausbilden und das anderen überlassen; dann sollten sie zumindest eine Umlage zahlen.
Für Clemente war es „ein absolutes Unding“, dass viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Hegmann kritisierte vor allem das bestehende Bildungssystem.
Der Beruf des Lehrers muss attraktiver werden
Alle Kandidaten wollen auch den Beruf des Lehrers attraktiver machen. „Es ist unabdingbar, dass unser Bildungssystem funktioniert“, unterstrich Clement. Schließlich sei Bildung Deutschlands einziger Rohstoff.
Clemente kritisierte die Einstellungspraxis, das starre Bildungssystem sowie die Bedingungen für den Aufstieg. Schnürer unterstrich: „Ich möchte eine Lebensplanung machen können. Ich möchte da eingesetzt werden, wo ich daheim bin. Wenn das nicht funktioniert, ist der Beruf unattraktiv.“
Die Aufgaben der Lehrer müssten entschlackt werden. Berufsschul-Lehrerin Hegmann forderte weniger Bürokratie und eine sinnvolle Digitalisierung; Altmann regte reformierte Studiengänge mit mehr Praxis und eine gleiche Bezahlung für alle Schularten an; und Saller möchte die Schulen für Quereinsteiger, „aber nicht als Lückenfüller“, öffnen, den Lehrern mehr Freiheiten geben und sie leistungsgerechter bezahlen.
Ist der ÖPNV im Landkreis „grottenschlecht“?
Gräben taten sich abschließend beim Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) im Landkreis auf. Hegmann nannte das bestehende Angebot „grottenschlecht“, forderte mehr Buslinien und mehr Digitalisierung. „Wir brauchen Demand-Verkehre, die den letzten Weiler anfahren.“ Das müsse der Freistaat finanzieren. Da war Altmann an ihrer Seite: „Mobilität ist Teilhabe.“
„Wir haben nur begrenzte Mittel“, entgegnete Schnürer. „Was in der Stadt funktioniert, funktioniert nicht unbedingt auf dem Land“, ergänzte Saller. ÖPNV auf dem Land sei ein „Draufzahlgeschäft“.
„Wir werden auf dem Land weiter auf einen Mobilitäts-Mix setzen müssen“, schlussfolgerte Clemente und kritisierte vehement, dass Infrastrukturprojekte wie der Bahnausbau so lange brauchen.
Für den Landkreis brauche es intelligente und kleine Lösungen, so Saller und Schnürer. „Die individuelle Mobilität ist für uns am Land auch in den nächsten 30 Jahren absolut wichtig“, urteilte Saller.
Wer möchte mit wem im Zug fahren und diskutieren?
„Mit wem würden Sie nach der Wahl am liebsten im Zug nach München in den Landtag fahren und diskutieren?“, fragte abschließend Moderator Zellner.
„Mit allen in der Runde, weil man mit allen gut diskutieren kann“, sagte Schnürer und Saller unterstrich das: „Es würden sich gute Gespräche ergeben.“ Hegmann wollte lieber mit „Menschen wie Du und ich“ diskutieren: „Mit den anderen kann ich im Landtag reden.“ Clemente und Altmann betonten, dass es wichtig sei, unter Demokraten in der Sache zu diskutieren, danach aber auch privat sprechen zu können.
