Jede ist willkommen
Sport in der Moschee: Nur für Türkinnen? Nur für Frauen!
Sportkurse zu besuchen, damit fühlen sich nicht alle Menschen wohl. Ein neues Angebot in der Moschee in Waldkraiburg soll den Zugang zum Sport erleichtern. Warum sich türkische Frauen das gewünscht haben und wie es bisher ankommt.
Waldkraiburg – Neun Frauen marschieren auf der Stelle, strecken ihre Arme in die Luft und nehmen sie wieder herunter, während sie abwechselnd ein Bein rechtwinklig anheben. Kurz darauf trippeln sie ganz schnell auf ihrem Platz. Auf den Song „Sofia” von Alvaro Soler wärmen sie sich auf.
Ein Foto von hinten gestatten sie dem OVB, erst danach nehmen die türkischen Frauen ihre Kopftücher ab. Die Teilnehmerinnen möchten nicht erkannt werden, weder ihre Namen in der Zeitung lesen noch ihre Gesichter dort sehen.
2500 Euro für Projekte von Frauen für Frauen
Von Frauen für Frauen: Berna Özcan hatte die Idee, ein spezielles Angebot zu schaffen – als Frauenverein innerhalb der DITIB türkisch-islamischen Gemeinde. Sie arbeitet ehrenamtlich in der Moschee und ist zudem Lebensmotivationscoach. „Ich möchte, dass Frauen in allen Bereichen vertreten sind, sich gemeinsam weiterentwickeln und vorankommen“, sagt Berna Özcan. Sie wünsche sich, dass Frauen etwas leisten und Erfolg haben.
Der neue Verein soll dazu beitragen. Das Konzept „Frauen in allen Lebensbereichen“ kommt gut an: Beim Sparkassen-Spendenvoting 2023 belegte es im Landkreis Mühldorf den zweiten Platz. 2500 Euro Preisgeld stehen nun zur Verfügung, um verschiedene Projekte umzusetzen. „Damit möchten wir die Frauen in Gemeinschaft zusammenbringen und die Freizeit aktiver gestalten“, erklärt Özcan.
Unter Frauen fühlen sie sich beim Sport wohler
Ein Teil davon ist das neue wöchentliche Sportangebot im Untergeschoss der Moschee in der Traunreuter Straße in Waldkraiburg. Für den für Anfänger geeigneten Sportkurs ist lediglich ein kleiner Eigenanteil zu entrichten.
Eine Teilnehmerin wusste schon, als sie von der Idee hörte, dass sie auf jeden Fall dabei ist: „Ich habe lange keinen Sport gemacht und möchte wieder etwas machen. Aber mit meinem Kopftuch fühle ich mich dabei nicht wohl, vor allem weil ich relativ stark schwitze, ist das für mich unangenehm.” Früher habe sie kein Kopftuch getragen, aber auch da habe sie sich schon wohler gefühlt, wenn beim Sport nicht verschiedene Geschlechter zusammen trainieren.
„Durch dieses Projekt können alle Frauen, die dies wünschen, ihre Aktivitäten in einem Umfeld ausüben, in dem sie sich wohler fühlen“, betont Özcan.
„Das bekommen wir alles hin“
In der kleinen Runde am Dienstagvormittag um 11 Uhr können sich die Frauen ganz auf sich selbst und die Übungen konzentrieren. Trainerin Alexandra Schlesag vom Fitnessstudio „Alexandras Trainingsplatzl” leitet die Frauen nach dem Aufwärmen zu einem kleinen Zirkeltraining mit vier Stationen an.
Bei einer Übung geht man auf einer Matte in Liegestützposition und berührt mit den Händen abwechselnd die Schultern. Während sie noch erklärt, sagt eine Teilnehmerin schon: „Oh, das ist schwer.” Eine Minute soll die Übung ausgeführt werden, danach sind 20 Sekunden Pause.
Und es wird getauscht, was in den ersten Runden etwas chaotisch vonstattengeht. „Aller Anfang ist schwer, aber das bekommen wir alles hin”, ermutigt Schlesag. Sie korrigiert die Teilnehmerinnen und gibt Tipps, wenn jemand über Rückenschmerzen klagt oder eine Übung nicht ausführen kann. „Halte den Stütz einfach nur” oder „das liegt an den Bauchmuskeln, versuch es einmal so”, sagt sie und macht vor.
Auch für die Trainerin ist die Situation neu
„Am Anfang habe ich mich natürlich auch gefragt, was von mir erwartet wird und welche Musik passend ist”, erzählt Schlesag, für die diese Trainingssituation ebenfalls neu ist. Im Rehasport habe sie zwar viele türkische Frauen, aber die kommen zu ihr ins Fitnessstudio und trainieren dort teilweise mit Kopftuch. „Ich kann nicht garantieren, wer wann durch meine Räumlichkeiten läuft“, sagt Schlesag, die von Zeit zu Zeit aus verschiedenen Gründen danach gefragt werde.
Bisher gab es nur positive Rückmeldungen
Aber es geht nicht nur um den Sport an sich, es soll auch Spaß machen. Nicht nur während der Sportstunde ist immer wieder Gelächter zu hören, auch Özcan freut sich über durchweg positive Rückmeldungen: „Bis jetzt kommt es supergut an!” Sollte die Nachfrage steigen, wäre es sogar denkbar, das Angebot auszuweiten.
Neben dem Sportkurs gibt es auch Treffen zu Hand- und Strickarbeiten. Künftig sollen Koch- und Sprachkurse hinzukommen. „Mir ist es wichtig, dass jede Frau willkommen ist. Frauen jeglicher Nationalität und Religion können gerne an den Angeboten teilnehmen”, betont Initiatorin Özcan.

