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Verscharrte Kinder von Zwangsarbeiterinnen

„Wie Müll betrachtet“: So würdigt Pürten die Opfer vom „Unschuldig-Kindlein-Friedhof“

Andreas Bialas wünscht sich auch auf dem Pürtener „Unschuldig-Kinder-Friedhof eine Gedenktafel, die an das Schicksal der Ausländerkriegskinder erinnert.
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Heimatforscher Andreas Bialas bemüht sich seit zwei Jahren um eine würdige Erinnerung an die Kinder vom Pürtener „Unschuldig-Kindlein-Friedhof“.

Während des Nationalsozialismus gab es auch im Landkreis Mühldorf Zwangsarbeiterinnen. Ihre Neugeborenen mussten elendig sterben und wurden einfach verscharrt. Heimatforscher Andreas Bialas will ihnen seit zwei Jahren ein Stück Würde zurückgeben. Das ist das Resultat.

Waldkraiburg/Pürten – „Als ich vor einigen Jahren eine Ausstellung zum Nationalsozialismus in Mühldorf besucht hab, habe ich von den Kinderbaracken erfahren“, erinnert sich Heimatforscher Andreas Bialas. Auf einer Liste verstorbener Kinder fiel ihm sein eigener Nachname ins Auge, zweifach. Zwillinge seien das gewesen.

„Das hat mich so berührt“, erzählt Bialas. Von Anfang an musste er an seine eigenen Kinder denken: Wie es wäre, wenn ihnen ein ähnliches Schicksal widerfahren wäre. „Ich hatte tausend Gedanken im Kopf, das hat mich nicht in Ruhe gelassen.“

Nahezu vergessen sind die damals verstorbenen Kinder

Bialas bleibt dran und forscht nach. Denn die Informationen zu den Ereignissen sind rar, die verstorbenen Kinder nahezu vergessen. In der Ausländerkinder-Pflegestätte in Burgkirchen sind bis zum Kriegsende 159 Kinder gestorben, im Sterbebuch der Gemeinde Pürten sind 29 Todesfälle verzeichnet. So steht es in der heimatgeschichtlichen Schriftenreihe „Unser Waldkraiburg“.

Mehrere tausend Zwangsarbeiterinnen lebten in der Region

Zeitweise lebten mehr als zweitausend Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Lager Gendorf. Etwa viertausend Männer und Frauen waren in den Landkreisen Altötting und Mühldorf gezwungenermaßen landwirtschaftlich tätig. Die meisten von ihnen kamen aus besetzten Gebieten im Osten: aus Polen, der Ukraine und Russland.

Nach der Entbindung mussten die Frauen schnell wieder arbeiten

Wurden schwangere Zwangsarbeiterinnen zunächst in ihre Heimat abgeschoben, mussten sie ab 1942 ihr Kind in einer der neu errichteten Entbindungs- und Kinderheime zur Welt bringen. Anschließend wurden sie direkt wieder zurück zur Arbeit zitiert.

Die Zustände in den Pflegestätten waren prekär

„Die Frauen wussten nicht, was mit ihren Kindern passiert. Ihnen wurde sehr gute Pflege versprochen, um ihre Arbeitskraft so stark wie möglich auszubeuten“, sagt Bialas. Die medizinische Versorgung der Säuglinge beschränkte sich auf ein Minimum und die Unterbringung in Räumen ohne Heizung kam noch hinzu.

Viele Kinder starben nach einigen Monaten

Die meisten Kinder starben wenige Monate nach ihrer Geburt, manche wurden nur wenige Wochen alt. Als Todesursache wurden am häufigsten Entzündungen von Darm und Magen, Rachitis, Lungenentzündung sowie Verdauungsstörungen angegeben. Ob diese Diagnosen jedoch alle korrekt sind, ist fraglich.

„Man hat diesen Kindern das Leben verwehrt“, sagt Franz Langstein, erster Vorsitzender des Vereins „Für das Erinnern – KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart“. Bialas drückt es noch drastischer aus: „Die Verantwortlichen damals haben den Tod der Kinder in Kauf genommen, das hatte alles System. Die Kinder der Zwangsarbeiterinnen wurden wie Müll betrachtet.“

Gedenkkreuz macht Geschichte öffentlich zugänglich

Ein Gedenkkreuz auf dem Friedhof in Pürten soll nun an sie erinnern. Schon vor etwa zwei Jahren wirft Bialas die Idee dazu auf, macht sich dafür stark. Die Pfarrgemeinde Pürten nimmt den Vorschlag einstimmig an und ergreift die Initiative. „Das hat mich wirklich glücklich gemacht“, sagt Bialas.

Am Volkstrauertag sollten wir nicht nur an die Gefallenen denken, sondern an alle Opfer der Nazi-Herrschaft – sie sind alle gleich viel wert und wir verneigen uns vor allen.

Franz Langstein, Vorsitzender „Für das Erinnern – KZ-Gedenkstätten Mühldorfer Hart“

Das schmiedeeiserne Kreuz stiftet eine alte Dame. Die Pfarrgemeinde schaffte eine neue Gedenktafel an, mittels eines QR-Codes ist die Geschichte der Zwangsarbeiterinnen und ihrer Kinder nachlesbar. „Das für die Öffentlichkeit so zugänglich zu machen, war schon eine aufwendige Geschichte“, sagt Langstein.

Warum sich der Volkstrauertag zum Gedenken anbietet

Er finde es gut, dass es nun einen konkreten Ort gibt, um dem Schicksal der Zwangsarbeiterinnen zu gedenken. „Am Volkstrauertag sollten wir nicht nur an die Gefallenen denken, sondern an alle Opfer der Nazi-Herrschaft – sie sind alle gleich viel wert und wir verneigen uns vor allen“, betont Langstein.

Pflegestätten waren im gesamten deutschen Reich verbreitet

„Es ist sehr schwer vorzustellen, wie sich die Mütter fühlten, die als Zwangsarbeiterinnen tagtäglich im Pulverwerk schufteten und dann auch noch ihre Babys verloren haben“, schreibt Rafael Raaber in „Unser Waldkraiburg“. Der Landkreis Mühldorf war dabei kein Einzelfall, im gesamten deutschen Reich gab es 400 bis 500 solcher Pflegestätten.

Wo die Kinder vergraben wurden, ist unklar

Nur zwei Kinder erhielten in Pürten damals eine kirchliche Beerdigung. Wo die anderen Kinderleichen liegen, lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen. Gut möglich, dass sie anonym in einem Massengrab auf dem sogenannten „Unschuldig-Kindlein-Friedhof“ in Pürten begraben wurden.

Gedenkkreuz „macht Geschichte greifbarer“

Orte wie diese könnten dazu beitragen, Geschichte lebendig zu halten. „Schulklassen können hier herkommen, das macht Geschichte greifbarer“, betont Bialas. Wenn solche Gedenkorte entstehen, sei das, als reiche man anderen Nationen eine ausgestreckte Hand zur Freundschaft.

Bialas beruhigt, dass es nun einen Gedenkort gibt

Bialas selbst gehe das Leid der Kinder unter die Haut, manchmal bringe es ihn auch zum Weinen. „Irgendwie beruhigt mich das, dass da nun dieses Kreuz steht.” Das habe für ihn mit menschlicher Würde zu tun: Jede und jeder sollte würdig sterben, mit einem Kreuz, einem Namen und Daten.

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