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Frau in Mühldorf vor Angriff gerettet

Wie Lebensretter Fatih Aysu nach einer Messer-Attacke bis heute leidet

Im November 2021 bedrohte ein Mann in einer Spielothek in Mühldorf eine Angestellte mit einem Messer. Fatih Aysu (links) war vor Ort und nutzte einen günstigen Moment, um den Täter von hinten anzugreifen. Dafür verlieh ihm Ministerpräsident Markus Söder nun die Bayerische Rettungsmedaille.
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Fatih Aysu (links) aus Waldkraiburg erhielt von Ministerpräsident Markus Söder vor Kurzem die Bayerische Rettungsmedaille.

In einer Mühldorfer Spielhalle bedrohte ein Mann eine Frau mit dem Messer. Da griff Fatih Aysu mutig ein – und wurde selbst zum Opfer. Bis heute leidet der Waldkraiburger unter den Folgen seiner Rettungstat, für die er vom Ministerpräsidenten mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet wurde.

Waldkraiburg – Fatih Aysu erinnert sich noch genau an den 15. November 2021. „Bis heute muss ich fast täglich daran denken”, sagt er. Der Waldkraiburger wollte nach der Arbeit zu einer Autowerkstatt nach Mühldorf. „An dem Tag war eine Menge los und der Mitarbeiter hatte wenig Zeit.” Er sollte in einer Stunde wiederkommen. Weil die meisten Geschäfte wegen der Corona-Pandemie geschlossen hatten, ging er auf ein Getränk in eine nahegelegenen Spielhalle.

Wenig später betrat ein Mann den Raum und ging um die Theke herum, wo eine junge Frau arbeitete. „Ich habe nicht mitbekommen, was die beiden geredet haben, aber die Bedienung hat angefangen zu weinen”, erinnert sich Aysu. Anfangs habe er sich nicht einmischen wollen.

„Zwei Zentimeter weiter hätte mir kein Arzt helfen können“

Doch dann sah er, dass der Mann die Frau mit einem Messer bedrohte. Als der Mann das Messer für einen Moment vom Hals der Frau löste, griff Aysu von hinten danach – kurz darauf spürte er es in seiner Brust. Die Polizei war bereits vor Ort, da ein Dritter den Mann draußen mit einem Messer gesehen hatte.

Sie griff schnell ein, auch ein Notarzt sei da gewesen. Eine Notoperation war notwendig, eine Woche verbrachte Aysu im Krankenhaus. Und er hat Glück gehabt: „Zwei Zentimeter weiter verläuft die Herzarterie, da hätte mir kein Arzt helfen können und ich wäre verblutet”, sagt er. Auch seine übrigen Organe erlitten glücklicherweise keinen Schaden.

Eine lange Narbe und Konzentrationsprobleme bleiben

Was bleibt, ist eine knapp acht Zentimeter lange Narbe direkt neben dem Herzen. Ist es im Sommer heiß, brennt sie.

Der Sticht ließ nicht nur den Körper leiden, auch Aysus Psyche hat Schaden genommen – bis heute. Das erste Jahr wollte er überhaupt nicht über das Erlebte sprechen, hatte viele Albträume. Die sind inzwischen weniger geworden, aber Menschenansammlungen meidet er noch immer. Auch so belastbar wie früher ist er heute nicht mehr, arbeitet sieben Stunden weniger als davor.

Etwa fünf Monate konnte der Sachbearbeiter in der Automobilbranche gar nicht arbeiten – dann wollte er unbedingt wieder anfangen. Zu den gesundheitlichen Einschränkungen kamen finanzielle Einbußen: Der Angreifer war zur Tatzeit psychisch krank und damit schuldunfähig. „Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass man Helfern besser hilft – in so einer Situation sollte der Staat einen auffangen”, sagt Aysu. „In dem Moment habe ich gar nicht nachgedacht, was passieren könnte, das ist eine Sekunde, in der man entscheidet. Aber im Nachhinein war der Preis ziemlich hoch.”

Auch die Frau, die den Angreifer im Übrigen nicht gekannt habe, leide bis heute unter dem seelischen Schaden.

Reformiertes Gesetz für Opfer von Gewalttaten

„Welche Leistungen eine geschädigte Person erhalten kann, hängt vom konkreten Einzelfall ab, insbesondere von der durch die Tat verursachten gesundheitlichen Schädigung“, teilt Simone Prühl vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Anfrage mit. Das Recht der Sozialen Entschädigung sei umfassend reformiert worden und der wesentliche Teil zum 1. Januar 2024 in Kraft getreten.

Dadurch sollen Opfer von Gewalttaten nun schneller Hilfe beispielsweise durch einen Termin in einer Traumaambulanz innerhalb von fünf Tagen erhalten. Gleichzeitig haben mehr Menschen Anspruch auf Leistungen, darunter auch Opfer von schwerem Stalking oder Personen, die eine Gewalttat miterlebt haben, sogenannte Schockschadensopfer.

Wenn ein Messer im Spiel ist, ist Vorsicht geboten

Hat Fatih Aysu richtig gehandelt oder hätte er sich besser herausgehalten? „Zivilcourage zeigen, ist auf jeden Fall richtig”, sagt Dietmar Meißner, Polizeihauptkommissar in Waldkraiburg. Sich in ein Handgemenge einzumischen, davon würde er allerdings abraten, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

Er empfiehlt, als Außenstehender verbal einzugreifen und lautstark um Hilfe zu rufen, wenn nötig auch die Polizei zu verständigen. „Wenn ein Messer im Spiel ist, sollte man sehr vorsichtig sein”, betont der Polizist. Sowohl als Bedrohter als auch als Außenstehender sollte man versuchen, größtmöglichen Abstand zu halten oder sich zielstrebig zu entfernen. Wer es sich zutraue, könne versuchen, deeskalierend zu handeln und mit dem Angreifer zu sprechen.

Mit der Bayerischen Rettungsmedaille ausgezeichnet

Abstand halten, das hätte auch Aysu machen können, so wie die etwa zehn andere Besucher an diesem Tag. Doch mit seinem Eingreifen rettete er der bedrohten Frau womöglich das Leben. Mehrmals habe sie sich bei ihm dafür bedankt.

Kürzlich dankte ihm nun auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für seine Rettungstat, für die er sein eigenes Leben einsetzte: Er überreichte Fatih Aysu in München die Bayerische Rettungsmedaille. Bei der Verleihung war auch Bürgermeister Robert Pötzsch (UWG) anwesend. Damit hatte Aysu nicht gerechnet und sich über den persönlichen Glückwunsch besonders gefreut.

„Die Verleihung war insgesamt sehr schön, weil man sieht, dass auch andere nicht wegschauen”, sagt Aysu. Dabei sei es egal, wie man helfe. „Es gibt keine kleine und große Hilfe – auch ein Anruf kann Leben retten.”

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