Mit Video: „So einen Unfall hatten wir noch nie“
Gefahrgut-Unfall in Waldkraiburger Chemie-Firma: So brisant war der Großeinsatz der Feuerwehr
Mittwoch (2. August), zwei Uhr nachts: Auf dem Gelände des Waldkraiburger Chemie-Unternehmens SI Group brennt es lichterloh. In der Folge sind bis zu 150 Einsatzkräfte stundenlang im Einsatz. Das waren die Hintergründe.
Waldkraiburg – Um halb elf Uhr am Mittwoch ist schon wieder alles vorbei. Der Parkplatz der SI Group an der Teplitzer Straße liegt friedlich da. Nur ein ramponierter, gelber Tankauflieger hinter dem Werkszaun erinnert an die Stunden der Nacht. Von zwei Uhr früh bis gegen halb zehn waren hier rund 150 Einsatzkräfte im Einsatz, um einen Gefahrgut-Unfall auszuschließen.
„Es bestand und besteht keine Gefahr für die Bevölkerung“, teilte die Polizeiinspektion Waldkraiburg bereits um 8.06 Uhr per E-Mail mit. Zu diesem Zeitpunkt herrschte auf dem Parkplatz seit sechs Stunden volle Konzentration und höchste Vorsicht. Seit zwei Uhr nachts waren Polizei, Rettungsdienst, Technisches Hilfswerk (THW) und die Feuerwehren aus Waldkraiburg, St. Erasmus, Ebing, Pürten, Mühldorf, Kraiburg, Obertaufkirchen, Ampfing und Heldenstein sowie die Berufsfeuerwehr München im Einsatz, weil die Isolierung eines Auflegers eines Gefahrguttransporters gebrannt hatte und der Austritt von Gefahrstoffen nicht ausgeschlossen werden konnte.
„Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr“
Ein Mitarbeiter der SI Group hatte in der Nacht an dem Aufleger eine brennende Isolierung entdeckt und sofort gelöscht, war aus gut informierten Kreisen des Unternehmens zu erfahren: „Der Tanker war zu diesem Zeitpunkt schon leer und an nichts mehr angeschlossen. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Kollegen und die Bevölkerung.“
Großeinsatz wegen Gefahrgut-Austritt in Waldkraiburg




Vorsorglich informierte der SI-Mitarbeiter die Waldkraiburger Feuerwehr, da die SI Group ein Störfallbetrieb ist. Dabei handelt es sich um Industrieanlagen, in denen gefährliche Stoffe vorhanden sind, von denen für die Beschäftigten und Anwohner eine Gefahr ausgehen kann und die daher der Störfall-Verordnung unterliegen.
Innerhalb kürzester Zeit waren bis zu 150 Kräfte im Einsatz
Die Waldkraiburger Feuerwehr rückte zunächst in kleiner Besetzung zur Brandschau an, erklärte Kommandant Andreas Englmeier. Da in dem Tank wohl einst ätzende und gewässergefährdenden Stoffe waren und die Lage zunächst unklar war, forderte die Waldkraiburger Feuerwehr Verstärkung an. Innerhalb kürzester Zeit waren bis zu 150 Kräfte im Einsatz, davon gut 120 von den Feuerwehren. Auch der Gerätewagen Gefahrengut der Waldkraiburger Feuerwehr war umgehend vor Ort – er musste nur über die Straße.
„Alles hat perfekt funktioniert“, freut sich Kommandant Englmeier kurz nach dem Einsatzende. „Die hervorragende Ausbildung hat sich ausgezahlt.“ Mit „maximaler Schutzausrüstung und Dauerberrieselung“ verhinderten die Einsatzkräfte ein erneutes Ausbrechen und Übergreifen eines Brandes. „Wir haben permanent gemessen“, erklärt Englmeier. „Es ist zu keiner Zeit etwas ausgetreten.“
Waldkraiburg braucht seinen Gerätewagen Gefahrgut
Für Englmeier zeigt diese Nacht, wie wichtig es ist, dass ein Gerätewagen Gefahrgut in Waldkraiburg vor Ort ist. Er brauchte nur die Teplitzer Straße zu überqueren und war schon vor Ort. Wäre Waldkraiburg auf den überörtlichen Wagen angewiesen, der im 40 Kilometer entfernten Burghausen stationiert ist, „hätten wir nicht so schnell eingreifen können“, sagt Englmeier.
Der Waldkraiburger Gerätewagen Gefahrgut soll mittelfristig durch einen neuen ersetzt werden; Kosten rund 600.000 Euro. Das überörtliche Stationierungskonzept des Freistaates Bayern sieht als zentralen Standort für die Landkreise Mühldorf, Altötting und Traunstein aber Burghausen vor, daher müsste die Stadt den neuen Gerätewagen ohne Förderungen finanzieren.
„Das Gefahrenpotential ist in Waldkraiburg vorhanden“, so Englmeier. Szenarien wie Mittwochnacht kommen vielleicht nur alle fünf Jahre vor, „aber das Fahrzeug brauchen wir öfter“.
„So einen Unfall hatten wir noch nie“
Am späten Vormittag war der Einsatz auf dem Parkplatz der SI Group ohne Verletzte beendet. Danach hieß es für Englmeier und Kollegen noch Aufräumen, ehe endlich Dusche und Couch folgten.
Die Brandursache ist nach wie vor unklar. „So einen Unfall hatten wir noch nie. Es war ein technischer Unfall an dem Laster“, war aus Kreisen der SI Group zu erfahren. „Die Ursache des Störfalls wird im Rahmen eines in Auftrag gegebenen Gutachtens ermittelt“, teilte die Waldkraiburger Polizei um 13.26 Uhr mit; bis dahin könnten auch keine Angaben zum Sachschaden gemacht werden. Die Ermittlungen würden durch „eine Fachbehörde der Verkehrspolizei Rosenheim“ durchgeführt.
Das rät das Landratsamt bei Gefahrgut-Unfällen
Das Landratsamt Mühldorf empfiehlt „dringend“, so Pressesprecherin Karin Huber, dass sich die Bürger für Gefahrgut-Unfälle entsprechende Warn-Apps installieren: „Über die Warn-Apps NINA oder KatWarn bekommen die Bürgerinnen und Bürger die entsprechenden Informationen und Verhaltenshinweise.“ Weitere Hinweise würden auch über Lautsprecher oder Rundfunkdurchsagen verteilt. Pressesprecherin Huber: „Grundsätzlich gilt: Abstand halten und die Rettungskräfte informieren.“