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Wo Betroffene im Landkreis Mühldorf Hilfe finden

Depression und Alkohol bei Kindern und Jugendlichen: Wie ein Projekt die Gefahr sichtbar macht

Bilder sagen oft mehr als tausend Worte. Die Bilder und Sprüche zu der Ausstellung kamen von den Kindern und Jugendlichen
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Bilder sagen oft mehr als tausend Worte. Die Bilder und Sprüche zu der Ausstellung kamen von Kindern und Jugendlichen.

Depression und Alkoholmissbrauch sind bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Deshalb hat der „Ambulant Komplementäre Verbund Mühldorf“ (AKV) eine Veranstaltung organisiert, um für diese beiden Themen zu sensibilisieren. Denn es kann jeden treffen.

Waldkraiburg – Drei Jugendliche kämpfen gegen ihre inneren Dämonen. Anna kommt mit dem Leistungsdruck in der Schule nicht mehr klar, Sabine leidet unter den Aggressionen in ihrer Familie und Christian hat Drogenprobleme und Angst, sich als Homosexueller zu outen. In dem deutschen Dokumentardrama „Grau ist keine Farbe“ wird schonungslos über das Tabuthema „Psychische Erkrankung“ gesprochen. Betroffene Jugendliche erzählen ihre Geschichten, führende Depressionsforscher wie Peter Falkai und Martin Keck sprechen aus Sicht der Experten.

Großes Interesse an den Themen Depression und Alkoholmissbrauch

Der Film wurde zum „Tag der seelischen Gesundheit“ im Kino Cinewood gezeigt. Zudem hatte der „Ambulant Komplementäre Verbund Mühldorf“ (AKV) als Veranstalter eine Ausstellung zum Thema Alkoholmissbrauch und eine Podiumsdiskussion organisiert. Das Interesse an dem Themenkomplex war groß, wie man an dem gut besetzten Kinosaal sehen konnte.

Jürgen Kollmeder, Leiter vom Servicezentrum der DAK-Gesundheit aus Mühldorf erklärte, was es mit der Ausstellung auf sich hatte: „Das Projekt nennt sich ,Bunt statt Blau‘. Angesprochen werden Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren. Sie können sich künstlerisch an das Thema ,Alkoholmissbrauch‘ heranwagen. Eine bundesweite Jury wählt die besten Bilder aus, die dann ausgestellt werden“, sagt Kollmeder. „Viele Kinder und Jugendliche sehen durch die Kunstaktion das Thema Alkoholmissbrauch mit anderen Augen. Wir hoffen, dass auch in Zukunft viele Schulen aus dem Landkreis bei dem Projekt mitmachen“, setzt er fort.

Psychische Erkrankung kann jeden treffen

Bewegend waren nicht nur die Bilder, sondern auch der darauffolgende einstündige Dokumentarfilm „Grau ist keine Farbe“. Mancher Zuschauer konnte sich gut in die Gefühlswelt der Darsteller hineinversetzen, da er selbst Menschen mit psychischen Problemen in seinem Umfeld hat, oder schlimmstenfalls selbst getriggert wurde.

Diskutierten über Depressionen und Alkoholmissbrauch (vordere Reihe von links): Michaela Semerad-Kronthaler (Schulpsychologin und Beratungsrektorin), Dieter Wenzler vom Sozialpsychiatrischen Dienst, Rudolf Starzengruber (stellvertretender Vorsitzender der Oberbayerischen Selbsthilfe Psychiatrie Erfahrener), Jürgen Kollmeder von der DAK, Christine Graupner (Referentin für Familie, Kinderbetreuung und Schulen sowie Stadträtin in Waldkraiburg) Daniela Muchingile (Sozialtherapeutischen Einrichtung für psychisch kranke Menschen der AWO), Claudia Hausberger (Bezirksrätin, Behindertenbeauftragte im Landkreis), Kirsten Prange (Amt für Jugend und Familie im Landratsamt), Thomas Christ (Therapiezentrum Christ), Alexandra Bohn (Kreisgeschäftsführerin der Caritas), Professor Dr. Thomas Schunck (Leiter der Heckscher-Ambulanz) (hintere Reihe von links).

Bei der Podiumsdiskussion nannten die Experten Ursachen, Hilfsmöglichkeiten und beantworteten die Fragen der Besucher. Dabei wurde klar: Psychische Erkrankungen gibt es in allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Das Schlimmste für Betroffene ist zum einen die Stigmatisierung und zum anderen, wenn ihnen Hilfe vorenthalten wird. „Der Film ist sehr deprimierend und entsetzlich, dass Kinder so etwas durchmachen müssen. Seitens der Schulen wird jedoch viel getan. Kinder, wie auch Eltern haben hier Ansprechpartner. In den letzten Jahren wurde auch in der Ausbildung der Lehrer viel getan. Haben Schüler psychische Probleme, können sie zum Schulpsychologen oder Lehrer kommen“, sagt Michaela Semerad-Kronthaler, Schulpsychologin und Beratungsrektorin in Mühldorf. 

Anlaufstellen helfen Betroffenen und ihren Angehörigen

„Ganz wichtig ist, dass die Leute wissen, dass es Anlaufstellen gibt, wo sie Hilfe herbekommen. Der Krisendienst ist das Pendant zu den Sanitätern. Bei seelischen Erkrankungen kann man uns täglich zu jeder Tag- und Nachtzeit anrufen. Beim Krisendienst Psychiatrie Oberbayern erhalten die Leute bei psychischen Krisen und psychiatrischen Notfällen eine qualifizierte Soforthilfe“, erklärt Daniela Muchingile von der Sozialtherapeutischen Einrichtung für Psychisch kranke Menschen der AWO. „Im Bedarfsfall kommen Mitarbeiter vom Krisendienst zu den Leuten nach Hause. Die Mitarbeiter sind in Zivil und kommen auch mit einem ganz normalen Auto. Man muss keine Angst haben, dass Außenstehende etwas davon mitbekommen. Der Krisendienst ist sehr gut vernetzt“, setzt sie fort.

Je früher Depression erkannt wird, desto besser ist die Behandlungsmöglichkeit

Dass enorm großer Bedarf an Einrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen besteht, weiß auch Alexandra Bohn, Kreisgeschäftsführerin der Caritas. Das Thema „Jugendsuchtberatungsstellen“ hat man im Landkreis Mühldorf schon lange auf dem Schirm, aber leider sei es bislang aus finanziellen Gründen nicht umsetzbar. Dabei sei wichtig, dass solche Erkrankungen früh erkannt werden, denn umso besser seien dann die Behandlungsmöglichkeiten. Vielen Betroffenen werde durch Ausgrenzung die Chance auf eine normale Zukunft genommen.

Eine gute Anlaufstelle für Betroffene und deren Angehörige sind die Krisendienste. Diese findet man im Internet unter www.krisendienste.bayern oder telefonisch unter 0800/6553000. Alles wird streng vertraulich behandelt. 

Gesellschaftlicher Wandel und unsichere politische Situation begünstigen Depressionen

Besucherin: Was ist, wenn das Kind etwa zwölf Jahre alt ist und psychische Probleme entwickelt. Wie soll man reagieren? 

Professor Dr. Thomas Schunck, Leiter der Heckscher-Ambulanz in Waldkraiburg:  Frühester Beginn solch einer Erkrankung kann schon mit neun Jahren sein. Depressionen kann man medikamentös behandeln. Natürlich haben auch Psychopharmaka Nebenwirkungen, aber diese sind eher unbedenklich. In schweren Fällen sollten Kinder stationär aufgenommen werden. 

Besucher: Ich kann mich nicht erinnern, dass Kinder oder Jugendliche zu meiner Zeit Depressionen hatten. Wie kommt es, dass das heutzutage so ein großes Problem ist? 

Professor Dr. Thomas Schunck: Depressionen gibt es, seit es Menschen gibt. Wo es zu vermehrter Häufigkeit kommt, liegt tatsächlich auch an gesellschaftlichen Problemen. Auch Medienkonsum ist ein Problem. Manche Patienten haben massiven Medienkonsum. Dadurch kommt es auch zu Schlafmangel, was wiederum Depressionen auslösen kann. Ein weiteres Problem ist der Konsum von Suchtmitteln. Wer schon in jungen Jahren regelmäßig Cannabis konsumiert, ist umso mehr gefährdet depressiv zu werden. 

Michaela Semerad-Kronthaler, Schulpsychologin und Beratungsrektorin in Mühldorf: Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Vielleicht waren die Menschen früher resilienter als heute. Heute haben wir mehr Luxus und müssen uns keine Gedanken ums Überleben machen. Der Leistungsdruck wird größer. Ein großes Problem ist auch das Handy und natürlich das Internet sowie Social Media. 

Kirsten Prange, Leiterin Amt für Jugend und Familie im Landratsamt:  Ich sehe auch den gesellschaftlichen Wandel als großes Problem. Dazu kommt unsere unsichere politische Situation. Die Familiensysteme sind nicht mehr so strukturiert wie früher.

Alexandra Bohn, Kreisgeschäftsführerin der Caritas: Beziehungen sind wie vieles andere oberflächlich geworden. Vor allem Social Media hat extrem viel Einfluss auf die Menschen; und das schon im Kindesalter. Dort ist alles nur Fassade, eine Scheinwelt, die erschreckenderweise viel Einfluss auf die Menschen hat. Wenn Mamas ihren Kinderwagen vor sich herschieben und nur auf ihr Handy starren, um irgendwelche Reels zu posten, wie soll da eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung entstehen?

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