Amtsgericht Mühldorf
„Das Auto als Waffe benutzt“: Waldkraiburger Familienfehde eskaliert in Fußgängerzone
Im Sommer 2023 eskalierte auf Waldkraiburgs Sartrouville-Platz ein Streit zweier Familien: Ein 37-Jähriger soll mit seinem Auto bewusst auf einen 46-Jährigen zugefahren sein und ihn verletzt haben. Nun ist das Urteil gesprochen. Schickt das Mühldorfer Amtsgericht den Täter ins Gefängnis?
Waldkraiburg – Ist ein 37-jährige Kosovare nun mit dem Auto auf einen 46-jährigen Türken Hassan B. (Name von der Redaktion geändert) zugefahren, um ihn zu verletzen, oder nicht? Diese Frage klärte das Schöffengericht am Amtsgericht Mühldorf unter Amtsrichter Florian Greifenstein am zweiten Verhandlungstag. Der war notwendig geworden, weil sich das Geschehen am ersten Prozesstag nicht eindeutig klären ließ und weitere Zeugen erforderlich waren.
Oberstaatsanwalt Markus Andrä warf dem angeklagten Kosovaren aus Waldkraiburg „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unfalls“ sowie „gefährliche Körperverletzung“ vor. Er soll an einem warmen Sommerabend im August 2023 auf dem Sartrouville-Platz in Waldkraiburg mit seinem Auto auf Hassan B. zugefahren sein und diesen verletzt haben. Anschließend gab es noch eine Schlägerei zwischen den beiden Kontrahenten.
Das reinste Chaos – jeder schrie auf jeden ein
„Wir bekamen eine Meldung über eine Schlägerei auf dem Sartrouville-Platz, eventuell sei auch ein Messer dabei im Spiel“, erzählte eine 25-jährige Polizeibeamtin der Polizeiinspektion Waldkraiburg, die am Tatort war. Als sie mit zwei Streifenwagen ankamen, war aber „bis auf eine einzige Zeugin“ niemand mehr da. Das Geschehen habe sich in ein Lokal in der Nähe verlagert. „Hier herrschte das reinste Chaos – jeder schrie auf jeden ein. Da kam ein Mann auf mich zu, der heute Angeklagte, und übergab mir ein Messer, das, wie er gestand, sein Bruder mit sich geführt hatte.“
Zeugin Nummer Zwei, eine 54-jährige serbische Hausfrau, war an besagtem Abend ebenfalls auf dem Sartrouville-Platz: „Der Angeklagte fuhr schnell auf die Bank zu, auf der wir saßen. Hassan sprang auf und landete auf der Kühlerhaube des Autos. Der Fahrer sprang aus dem Auto und schlug Hassan, der dann blutete. Neben dem Angeklagten war sein Bruder dabei.“
„Er schlug meinem Mann mehrmals ins Gesicht“
Auch die 38-jährige Ehefrau von Hassan B. war als Zeugin geladen: „Ich war mit meinen Kindern am Sartrouville-Platz. Mein Mann kam dazu und erzählte mir von einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Bruder des Angeklagten. Das war vor einem Wettbüro. Wenig später fuhr der Angeklagte selbst mit einem Auto schnell auf uns zu. Mein Mann sprang auf die Kühlerhaube des Wagens, fiel aber wieder herunter. Obwohl ich die Fahrertür einige Zeit zuhalten konnte, gelang es dem Angeklagten, auszusteigen und er schlug meinem Mann mehrmals ins Gesicht, so dass er blutete.“
Oberstaatsanwalt Andrä bewertete in seinem Plädoyer die Zeugen als glaubhaft. Die Verletzungen von Hassan B. seien „am unteren Rand der Skala“ und der Angeklagte bislang nicht vorbestraft. „Sehr negativ bewerte ich jedoch, dass er sein Auto als Waffe benutzt hat und er damit in eine belebte Fußgängerzone gefahren ist, wo sich auch Kinder aufhielten. Auch dass ein Messer im Spiel war, ist scharf zu verurteilen.“ Er forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Zudem solle der Führerschein für ein Jahr eingezogen werden.
In dem Familienstreit sind weitere 19 Strafverfahren anhängig
Rechtsanwalt Jörg Zürner verwies auf die Vorgeschichte: ein langjähriger Familienstreit, in den der Angeklagte hineingezogen worden sei. So seien zwischen den beiden verfeindeten Familien weitere 19 Strafverfahren anhängig. Laut Zürner habe der Angeklagte nach einem Vorfall seines Bruders mit dem Opfer wohl die Nerven verloren.
Zürner fügte den Wertungen von Oberstaatsanwalt Andrä hinzu, dass das Auto bei dem Vorfall nicht beschädigt wurde, Hassan B. keine „gravierenden Verletzungen“ davon getragen habe und sein Mandant auf weitere Zeugen verzichtet hatte. Zürner: „Er akzeptiert den Tatverlauf, dies kommt einem Geständnis sehr nahe.“ Daher sei eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung sowie ein Führerscheinentzug von acht Monaten „angemessen“.
„Das ist schon allerhand“
Am Ende verhängte das Schöffengericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die es drei Jahre zur Bewährung aussetzte. Außerdem wird der Führerschein für ein Jahr eingezogen.
Zwar sei der Angeklagte nicht vorbestraft, die Tat schon eineinhalb Jahre her und der Aufprall nur leicht gewesen, so Amtsrichter Greifenstein. Allerdings habe Hassan B. durch die anschließenden Faustschläge „schwere Blessuren“ erlitten. Und: „Die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit auszutragen, mit spielenden Kindern dabei, das ist schon allerhand“.