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Projekt des Gymnasiums Waldkraiburg

„Ärmliche Bedingungen”: 80 Jahre Kriegsende – Schüler blicken auf die eigene Familiengeschichte

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Waldkraiburg haben eine multimediale Ausstellung zum Kriegsende vor 80 Jahren erarbeitet. Unterstützt hat sie dabei unter anderem der Kraiburger Archivpfleger Franz Genzinger (links).
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Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Waldkraiburg haben eine multimediale Ausstellung zum Kriegsende vor 80 Jahren erarbeitet. Unterstützt hat sie dabei unter anderem der Kraiburger Archivpfleger Franz Genzinger (links).

Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg: Auch für die Waldkraiburger Bevölkerung war das spürbar. Schüler des Gymnasiums Waldkraiburg zeigen mit einer multimedialen Ausstellung, warum sich der Blick in die Geschichte lohnt.

Waldkraiburg/Kraiburg – „Meine Großeltern haben mir schon als kleines Mädchen von früher erzählt, wenn ich danach gefragt habe”, erinnert sich Schülerin Johanna. Damals habe die Elftklässlerin aber noch nicht wirklich verstanden, wie alles zusammenhängte. „Es ist schade, wenn die Geschichten in Vergessenheit geraten”, sagt sie. Darum hat sie eine Projektarbeit am Gymnasium Waldkraiburg genutzt, um sich nicht nur mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern auch mit ihrer Familiengeschichte tiefer zu beschäftigen.

Johanna, Laura und Leonie haben einen besonderen Blick in die Geschichte gewagt: Sie haben sich mit ihren Familienchroniken beschäftigt.

Den Vorschlag gemacht hat Mitschülerin Leonie: „Schon in der neunten Klasse habe ich meinen Opa einmal für Geschichte interviewt und hatte deswegen die Idee, mit Zeitzeugenaussagen zu arbeiten.” Inzwischen ist ihr Opa verstorben, doch seine Erzählungen leben weiter – auch weil Leonie sie gemeinsam mit dem Kraiburger Archivpfleger Franz Genzinger vervollständigt hat.

„Die jungen Menschen interessieren sich“

Der begrüßt es, dass die Jugendlichen mit Projekten wie diesen besser an die Geschichte herangeführt werden und sich mit ihrer Familienchronik beschäftigen. Der fast 80-Jährige habe den Fehler gemacht, in seinen Jugendjahren zu wenig mit seinem Vater und Großvater über die Geschehnisse zu reden. „Und wenn ich auf das Thema gekommen bin, ist es meist abgeblockt worden, weil sie auf dem Schlachtfeld so viele schlimme Sachen erlebt haben”, erinnert er sich. Umso mehr freut er sich über das Engagement der Schülerinnen: „Da merkt man wirklich, die jungen Menschen interessieren sich.”

Franz Genzinger ist seit rund 20 Jahren ehrenamtlicher Archivpfleger in Kraiburg. Das große Interesse der Jugendlichen an der Geschichte hat ihn gefreut.

Für die Schülerinnen und Schüler ist es meist das erste Mal, dass sie sich so eingehend mit dem Kriegsende vor 80 Jahren bezogen auf Waldkraiburg beschäftigen. Antonia und Isabelle haben sich die Entstehung der Stadt genauer angeschaut. „Wenn man die Häuser hier anschaut, habe ich früher gedacht, ‚die sind aber nicht so schön’ – durch das Projekt sehe ich Waldkraiburg mit anderen Augen”, erzählt Antonia. Heute weiß sie, dass die Stadt aus Bunkern eines ehemaligen Pulverwerks entstanden ist, das sei ein Aha-Effekt gewesen. Auch Freundin Isabelle bedauert: „Viele finden Waldkraiburg ja nicht so interessant.”

Isabelle und Antonia sehen Waldkraiburg seit der Projektarbeit mit anderen Augen. Sie haben sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte der Stadt auseinandergesetzt.

Multimediale Ausstellung im Haus des Buches

Ein Einblick in die Ausstellung, die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Waldkraiburg erarbeitet haben. Sechs Wochen lang ist sie nun im Haus des Buches zu sehen. Über QR-Codes warten bis zu drei Stunden Audio- und Videomaterial auf Besucher.

Um auch anderen diese Geschichte näherzubringen, haben sie und rund 30 weitere Französischschüler des Gymnasiums Waldkraiburg eine multimediale Ausstellung auf Deutsch erarbeitet. Ausgehend von Plakaten lassen sich über QR-Codes mehr als 66 Audio- und Videodateien von insgesamt etwa drei Stunden Länge abrufen. Die Ausstellung sei selbsterklärend und kann für sechs Wochen im Haus des Buches besucht werden. „Dieser Kurs ist unglaublich leistungsstark und zuverlässig”, lobt Diana Schwaben, Fachschaftsleitung Französisch.

Die Schülerinnen Amelie, Toni und Antonia haben sich während der Projektarbeit mit dem Massaker von Oradour beschäftigt. Sie finden es erschreckend, dass das Geschehen von damals in Deutschland kaum bekannt ist.

Man merkt ihnen an, dass sie sich in den letzten Wochen intensiv mit der Geschichte beschäftigt haben. Auf dem Plakat von Antonia, Toni und Amelia dreht sich alles um das Massaker von Oradour. „Viele kennen das gar nicht”, sagt Toni. „In Frankreich dagegen jeder”, ergänzt Mitschülerin Antonia. 643 Menschen kamen dabei ums Leben, getötet von der Waffen-SS beim zahlenmäßig womöglich verheerendsten Massaker in Westeuropa. „Es ist ein grausames Thema und schlimm, dass viele in Deutschland nicht Bescheid wissen”, meint Amelie.

Von einer Erbfeindschaft zur Freundschaft

Mit den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich haben sich auch Mirza und Zeno beschäftigt, allerdings auf Staatspräsident-Bundeskanzler-Ebene. „Manchmal gab es Schwierigkeiten, aber im Allgemeinen sind die Beziehungen seit 1950 gut”, erklärt Zeno. „Aber man denkt schnell, dass das immer so war – die Geschichte zeigt dagegen, dass aus einer Feindschaft auch eine starke Freundschaft werden kann”, fügt Mirza hinzu.

Sigmund Hümmrich-Welt ist Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Waldkraiburg-Sartrouville und findet es wichtig, Gedenktage nicht einfach dahinplätschern zu lassen. So entstand die Idee zu der Ausstellung.

Auch Sigmund Hümmrich-Welt, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Waldkraiburg-Sartrouville, bezeichnet die Aussöhnung mit dem Nachbarland als „absolutes Erfolgsmodell”. Sein Verein hatte die Idee, das Kriegsende in dieser Form aufzugreifen. „Wir wollten den 8. Mai nicht einfach dahinplätschern lassen”, erklärt er. „Natürlich kann man jedes Jahr erinnern, aber ein solcher Gedenktag ist vor allem auch dazu da, zu sehen, was man erreicht hat.” Das schaffe auch ein größeres Bewusstsein, dass es nicht immer selbstverständlich war, hier in den Zug ein- und in Paris auszusteigen – ganz ohne Stempel und Visum.

Geschichte soll sich nicht wiederholen

Dass wir heute verglichen mit den damaligen, ärmlichen Verhältnissen im Luxus leben, ist Schülerin Johanna durch das Projekt besonders bewusst geworden. „Die Erzählungen, wie es damals wirklich war, sind ziemlich erschreckend”, blickt sie auf ihre eigene Familiengeschichte, die die junge Frau mehr bewegt als ein Bericht im Fernsehen. Mitschülerin Antonia findet es zudem wichtig, die Geschichte und die Art und Weise, wie die Menschen gelebt haben, zu verstehen, damit derartiges nicht noch einmal passiert. Dem kann sich Lehrerin Schwaben nur anschließen. „Man muss sich der Geschichte bewusst sein”, sagt sie.

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