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Mit „Ein-Zimmer-Büro“ fing alles an

Von großen Fällen und einem ungelösten Mord: 75 Jahre Polizei in Waldkraiburg

Gruppenfoto der Polizeiinspektion Waldkraiburg
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Die Polizei Waldkraiburg feiert Jubiläum. Am 19. Dezember 1949 wurde der Polizeiposten errichtet, 1977 wurde Waldkraiburg zur Polizeiinspektion.

Kein Auto, drei Schreibtische und ein Telefon: Bescheiden waren die Anfänge der Polizei in Waldkraiburg, als vor 75 Jahren die ersten Beamten ihren Dienst antraten. Ein Rückblick auf unvergessene Fälle und besondere Herausforderungen.

Waldkraiburg – Eine junge Frau liegt hinter der evangelischen Kirche. Ermordet mit mehreren Messerstichen. Fast auf den Tag genau vor 32 Jahren passierte der Mord, es ist einer von vielen Fällen, den die Polizei in Waldkraiburg versucht aufzuklären. Wo heute die Beamten mit modernsten Mitteln auf Verbrecherjagd gehen, fing vor 75 Jahren alles sehr spartanisch an.

Drei Schreibtische, ein Telefon und eine Schreibmaschine: So minimalistisch war das „Ein-Zimmer-Büro“ ausgestattet, als Waldkraiburgs Polizeiposten eingerichtet wird und Anton Urbatschek die Leitung übernimmt. Das war am 19. Dezember 1949 und damit Monate vor der Gemeinde-Gründung Waldkraiburgs.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Bevölkerung schnell gewachsen, für den Landpolizeiposten in Kraiburg war die Arbeit nicht mehr zu stemmen. Ein Dienstfahrzeug gab es in Waldkraiburg nicht, zu Fuß oder mit dem Fahrrad waren die Beamten unterwegs, den Nachtdienst übernahmen weiterhin die Polizisten in Kraiburg.

Eigene Polizeistation erst 1968

1960 waren schon sieben Beamte im Einsatz, außerdem gab es ein Dienstfahrzeug, ein Krad und ein tragbares Funkgerät. Eine eigene Polizeistation folgt 1968.

Mit dem „Eisernen Schutzmann“ konnten Bürger Kontakt mit der Dienststelle in Mühldorf aufnehmen.

Aus den Räumen im Carl-Maria-von-Weber-Weg 12 ist die Polizei längst ausgezogen, seit 1961 befindet sie sich in der Ratiborer Straße und aus dem ehemaligen Landpolizeiposten ist 1977 als eigene Polizeiinspektion. Damit ist die Waldkraiburger Polizei auf einem Dienstgebiet von 136 Quadratkilometern in den Gemeinden Waldkraiburg, Aschau, Jettenbach, Kraiburg, Taufkirchen und Unterreit für rund 37.000 Bürger da. 46 Beamte und fünf Polizeiangestellte arbeiten bei der Polizei, seit 2017 gibt es die Sicherheitswacht.

Das Führungstrio der Waldkraiburger Polizei: Dietmar Meißner (links), Franziska Stangl und Uwe Schindler.

Mit Mustafa Comuk tritt 2013 der erste Polizist seinen Dienst an, der keinen deutschen Pass hat. „Das ist nur von Vorteil. Bei dem Einsatz nach dem EM-Spiel der Türkei war das Gold wert“, sagt Uwe Schindler, der im Mai die Leitung der Waldkraiburger Dienststelle übernommen hat. In den Reihen der Waldkraiburger Polizei gibt es Kollegen mit serbisch-kroatischen oder russischen Wurzeln. „Damit machen wir nur positive Erfahrungen.“ Auch dass Frauen bei der Polizei sind, war der richtige Weg, sagt Schindler. Mit Karolina Linner trat im November 1992 die erste Frau ihren Dienst in Waldkraiburg an, heute sind rund ein Viertel Frauen.

Viele Fälle müssen mit einem Dolmetscher bearbeitet werden

Doch die Sprachkenntnisse aller Beamten zusammengenommen reichen in einer Stadt mit 109 Nationen in der täglichen Arbeit nicht immer aus. „Wir können viele Fälle nur mit einem Dolmetscher bearbeiten, da kommen wir ganz schnell an unsere Grenzen“, sagt Schindler über ein Phänomen, das speziell für Waldkraiburg sei. Vernehmungen mit Dolmetschern seien zeitintensiv, aufwendig und würden kosten. „Das hält auf und belastet die Polizeiinspektion.“

Meist sind es kleinere Delikte, um die sich die Beamten kümmern müssen. Ein Blick in die Statistiken: In Waldkraiburg passiert aus Sicht der Polizei nicht mehr als in anderen Kommunen. „Krawallburg – das war mal. Heute gibt es in der Stadt keine Brennpunkte.“ Selbst an der Dependance macht die Polizei keine Probleme mehr aus. „Wir haben ein Auge darauf.“

Inspiriert vom Beatles Song „For you Blue“ stellten Beamten der PI Waldkraiburg zur Einführung der blauen Uniform das berühmte Foto der LP Abbey Road nach.

Ärgern muss sich Schindler über ganz andere Fälle. Dass die Cyberkriminalität so zugenommen hat, dass Betrüger mit dem Enkel-Trick Leute um Hab und Gut bringen und psychisch angeschlagen zurücklassen. Das empfindet er als „skrupellos“. Es ist aber auch die Sensationslust von Passanten, bei der ihm „der Kragen platzt“. „Die Leute haben kein Verständnis für Opferschutz. Die Gier nach Sensation hat sich geändert und das ist furchtbar.“

Große Kriminalfälle der Waldkraiburger Polizei

Dass Beamte bei ihren Einsätzen gefilmt werden, ist keine Seltenheit. „Blaulicht-Kräfte waren lange Zeit Respektspersonen. Heute werden sie bespuckt und beschimpft. Dieser gesellschaftliche Wandel macht nachdenklich.“ Erst Anfang Dezember musste eine Polizistin im Krankenhaus behandelt werden, nachdem sie bei einer Verkehrskontrolle von einer Frau angegriffen wurde.

Meist bestimmen kleinere Einsätze das Alltagsgeschäft der Polizei: Verkehrsunfälle, Streitereien oder Diebstähle. Doch es gibt auch die großen Fälle, die in der Stadt nicht vergessen werden: Die Explosion in einer Farb-Fabrik in unmittelbarer Nähe der Polizeiinspektion 1984, 2010 der Brand im „Weißen Hirsch“, ein Ehemann, der 2001 seine Frau mit 20 bis 30 Hammerschlägen tötete, oder ein 25-Jähriger, der 1970 eine Frau geschlagen und vergewaltigt und dann unbekleidet in den Innkanal geworfen hat. 2016 hebt die Polizei zu dieser Zeit das größte Untergrund-Labor aus, 1998 hatten die Beamten in einem als Vereinsheim getarnten Drogen-Labor zugeschlagen, 1967 nahm die Polizei drei Waldkraiburger fest, die einen Kaufmann ausgeraubt,schwer verletzt und am selben Tag eine Bank in Hart an der Alz überfallen hatten.

„Nicht locker lassen“

Festgesetzt im Gedächtnis der Stadt hat sich der Brandanschlag auf das Haus am Stadtplatz im April 2020. Die Kripo gründet eigens eine Soko, nur kurze Zeit später wird der Täter festgenommen. Weil er kein Zugticket hatte, kontrolliert ihn eine Streife des Bundespolizeireviers Mühldorf und findet in seinem Gepäck mehrere Rohrbomben.

Upcycling der alten Uniform: Eine Waldkraiburger Polizistin hatte ihrer Hündin Olga aus der alten grünen Uniform einen warmen Wintermantel genäht.

Kommissar Zufall? Für Schindler braucht es bei der Polizeiarbeit zwar eine Portion Glück, aber: „Es ist das Glück des Tüchtigen, wir lassen nicht locker, sensibilisieren die Bürger. Dann braucht es auch das Glück für den entscheidenden Hinweis.“

Doch nicht immer gibt es ihn. Wie im Fall der ermordeten 21-jährigen Frau aus Albanien, die in der Nacht auf den 30. Dezember 1992 mit mehreren Messerstichen ermordet aufgefunden worden ist. „Ich kann mich noch gut an das Bild der Frau erinnern, der Fall beschäftigt mich“, sagt Schindler. Er selbst war damals 23 Jahre alt, denkt heute immer wieder mal an den ungeklärten Fall. Es ist Waldkraiburgs einziger „Cold Case“.

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