Ausgesetzt in der Natur
10.000 Euro Bußgeld für Goldfisch? Warum das schmucke Haustier zur „Katastrophe“ werden kann
Klein, gold-orange, nett anzuschauen: Goldfische sind die wohl ältesten Haustiere. Doch einmal angeschafft, will so mancher die vermehrungsfreudigen Tiere wieder loswerden und setzt sie kurzerhand aus. Das ist ein echtes Problem.
Waldkraiburg – Es könnte so idyllisch sein auf dem Waldkraiburger Waldfriedhof. Bäume ragen in den Himmel, Bänke laden zum Verweilen ein, angelegte Teiche erfreuen Menschen wie Tiere. Doch vermeintlich harmlose, goldene Fische stören den Frieden. Denn geplant waren sie dort nicht.
Von einem klassischen Fall spricht Andreas Zahn, erster Vorsitzender der Bund Naturschutz Kreisgruppe Mühldorf: Ein kleiner Weiher werde im eigenen Garten angelegt und sofort seien Fische darin. Ihre menschlichen Besitzer wollen sie meist loswerden und denken, dass sie den Fischen damit etwas Gutes tun, wenn sie sie in einen anderen Teich aussetzen.
Bis zu 10.000 Euro Bußgeld und eine „ökologische Katastrophe“
Doch das ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro bestraft werden kann. „Die Tiere da auszusetzen, wo noch keine Fische sind, ist eine ökologische Katastrophe.” Die goldigen Fische fressen nämlich alles, was ihnen in die Quere kommt: Kaulquappen, Molche, Frösche und Kröten. Sie selbst haben dagegen kaum Fressfeinde.
Das hat sichtbare Auswirkungen: „Ich habe eine starke Bestandsabnahme der Amphibien festgestellt, besonders betroffen ist der Grasfrosch”, sagt Zahn, der einmal im Jahr den Amphibienbestand erfasst. In seinen Augen eine vertane Chance: Der Friedhof sei ein guter Lebensraum, die Amphibien würden dort nicht stören und bestenfalls sogar die ein oder andere Nacktschnecke fressen.
Auch Manfred Holzner, erster Vorsitzender des Vereins für Fischerei und Gewässerpflege Mühldorf, betont den „echten Schaden für Amphibien”, den Goldfische verursachen. „Wenn ein Goldfisch im Gewässer ist, explodiert die Population in den meisten Fällen.” Das Besondere: Selbst wenn sich nur ein Goldfischweibchen in einem Gewässer befinde, könne sich dieses mit anderen karpfenartigen Fischen vermehren und eine Vielzahl an Klonen hervorbringen.
Fische herausfangen, solange sie sich nicht vermehrt haben
Was den Naturfreund Zahn ärgert: Neben dem großen Teich befindet sich ein kleinerer, der eigentlich für Amphibien angelegt wurde. „Doch auch da sind jetzt Goldfische drin.” Während des Ortsbesuches mit den OVB Heimatzeitungen waren es um die zehn Tiere. Die könne man noch herausfangen, solange sie sich nicht vermehrt hätten.
Die Stadt Waldkraiburg hat Zahn darüber bereits in Kenntnis gesetzt. „Seitdem werden die Fische entnommen”, sagt der Leiter des Ordnungsamtes Moritz Althammer. Aufgrund der kühlen Witterung in der letzten Woche hätten sich die Fische aber am Boden des Teichs aufgehalten. „Hier ist es nicht leicht, die Fische zu fangen.” Es werde jedoch täglich versucht, die restlichen Fische zu entnehmen.
Ein einziger Laichplatz ist dem Grasfrosch geblieben
Die Kaulquappen des Grasfrosches werden es den Friedhofswärtern und der Verwaltung danken. Denn oberhalb des kleinen Teichs befindet sich eine noch kleinere Wasserstelle, beide sind über einen Bachlauf miteinander verbunden. Derzeit ist sie der letzte Laichplatz, der heimischen Fröschen geblieben ist. „Alles, was von oben runterkommt, wird in den Tod gespült”, beschreibt Zahn die Situation. Die obere Wasserstelle sei zudem recht klein, da hätten nicht so viele Amphibien Platz. „Und wäre sie größer, wären garantiert wieder Fische darin”, mutmaßt er.
Ein Problem, das sich nicht auf den Waldkraiburger Waldfriedhof beschränkt: Auch in Aschau ist ein extra für Amphibien angelegter Teich inzwischen zum Fischteich geworden, Ähnliches ist im Mühldorfer Hart geschehen.
Wohin mit überzähligen Goldfischen?
Aber wohin können beherzte Goldfischbesitzer ihre Tiere abgeben, wenn nicht in die freie Natur? „Rechtlich sauber ist das tatsächlich nicht so einfach”, sagt Fischereivereinsvorsitzender Holzner. Einfach töten und entsorgen könne man die Tiere nicht, das verstoße gegen das Tierschutzgesetz.
Holzner kennt die Problematik, zwei- bis dreimal jährlich würden Menschen deswegen beim Fischereiverein anfragen. Er empfiehlt, zunächst beim Händler, der einem die Tiere verkauft hat, nachzufragen. Einzelne würden Fische zurücknehmen und weiterverkaufen. Um die Tiere notfalls fangen zu können, empfiehlt Naturschutzvorsitzender Zahn Gewässer für Amphibien bereits ablassbar anzulegen.
Vom Haustier zu lebendiger Nahrung
Ansonsten könne auch der Verein selbst die Fische abnehmen – und sie als lebendige Nahrung verwerten. „Das ist ein legitimer Grund”, sagt Holzner. Der Goldfisch wird zum Futter für den Huchen, einen vom Aussterben bedrohten Fisch, der im Inn lebt. In einem offenen Gewässer wie diesem hätte der Fisch sowieso keine Chance: Das Wasser sei zu kalt und der Goldfisch nicht an die dortige Strömung angepasst.
Auch den Fisch in die Pfanne zu hauen, sei eine Möglichkeit. „Aber kleine Teiche mit vielen Algen sind nicht förderlich für die Fleischqualität, außerdem hat der Goldfisch viele Gräten”, rät Holzner vom Verzehr eher ab.
Einfache Lösung auf dem Waldkraiburger Waldfriedhof
Auf dem Waldkraiburger Waldfriedhof ist die Lösung denkbar einfach: Es würde genügen, die Goldfische nur wenige Meter vom kleinen in den großen Teich umzusiedeln. „Keine Kosten, kein großer Aufwand – schnelle Umsetzung”, fasst Ordnungsamtsleiter Althammer zusammen.
Denn im großen Teich befinden sich inzwischen so viele Fische und Wasserpflanzen, dass Amphibien wie der Grasfrosch keine Chance mehr hätten. Nur die Erdkröte kann dort überleben: Ihre Kaulquappen schmecken den meisten Fischen nicht. Die Goldfischsituation habe sich im großen Teich inzwischen sogar entspannt. „Seit einigen Jahren sind dort auch nordamerikanische Sonnenbarsche zuhause, die zwar sehr schön aussehen, aber üble Räuber sind – noch deutlich schlimmer als Goldfische”, erklärt Zahn.
Heimische Arten im Gartenteich
Und wer sich an Fischen erfreut, sich so viel Ärger aber lieber ersparen möchte? „Der legt sich am besten heimische Arten zu”, rät Holzner. Die Schleie sei etwa schön ruhig, fast schon zutraulich. Auch Rotfedern würden sich eignen. Möchte man diese dann doch wieder abgeben, könne man sie völlig problemlos zum nächsten Fischer bringen.





