Von Versuchen im Garten zur eigenen Marke
Millionen Würmer in Aschau: So entsteht in Deutschlands einziger Wurmkompostiererei dieser Art Dünger
Im eigenen Garten hat alles angefangen, mit einem kleinen Komposthaufen und ersten Experimenten. Nun stellen zwei Aschauer Familien professionell Wurmkompost her. Wie Millionen von Würmern Grüngut zu Dünger verarbeiten.
Aschau – Auf Eleonore Sölls ausgestreckter Hand liegen kleine gelbliche Kügelchen. „Jeder kennt diese dickere Stelle bei einem Wurm”, sagt sie. „Das ist eine Blase, in der sich Wurmeier wie diese befinden.” Stimmen Feuchtigkeit und Wärme der Umgebung, schlüpfen aus einem solchen Ei drei neue Würmer.
Für das, was die Familien Söll und Galneder aus Taufkirchen vorhaben, benötigen sie viele Millionen davon: Sie verarbeiten Grüngut zu Kompost. Dazu haben sie in den vergangenen rund drei Jahren eine Wurmkompostierungsanlage errichtet – laut eigener Aussage die einzige dieser Art in Deutschland. Nur hier werde ausschließlich regionales Grüngut verwendet, um die Würmer zu füttern.
Auch ein Kompost braucht Pflege und Knowhow
Doch angefangen hat alles ganz klein: Mit einem Kompost im eigenen Garten startete Hobbygärtnerin Eleonore Söll. „Wir mussten erstmal lernen, wie es funktioniert”, erinnert sich Ehemann Robert. Der selbstständige Schreiner befasste sich da zum ersten Mal so richtig mit dem Thema. „Das ist kein Hexenwerk, aber man muss sich tatsächlich erstmal reintüfteln”, bestätigt Eleonore. Auch ein Komposthaufen brauche Pflege.
Nun füllen sie eine große Halle mit Anlagen und Gerätschaften, um Wurmkompost professionell herzustellen. 2,5 Jahre hat es gedauert, bis alles stand. Ihr Ausgangsmaterial Grüngut – also Gras, Äste, Heckenschnitt und Laub – holen sie von den Wertstoffhöfen in Aschau und Kraiburg.
Geschlossener Nährstoffkreislauf durch Kompostierung
„Durch Kompostierung im Lokalen einen geschlossenen Nährstoffkreislauf herzustellen, ist auf jeden Fall geschickt”, sagt Bernhard Huebner. Er ist Berater für Pflanzenbau im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Töging. Die organischen Materialien zu verwerten und wieder einzubringen, betrachtet er als größten Vorteil jeder Art von Kompostierung.
In Aschau liegt das Grüngut zu einem großen Haufen aufgeschüttet an einem Ende der Halle. Darüber steigt weißer Dampf auf: Lose Bestandteile wie Gras erhitzen sich im Inneren des Haufens von selbst. Diese Bioaktivität machen sich die Sölls zunutze. Doch zunächst wird das Grüngut durch einen Schredder gehäckselt.
Das Grüngut erhitzt sich selbst und tötet so Keime ab
Anschließend wird es erneut aufgeschichtet. Durch die Feuchtigkeit und Bioaktivität erwärmt sich der braune Berg. Robert Söll misst regelmäßig die Temperatur, denn sie soll über einen bestimmten Zeitraum zwischen 55 und 70 Grad betragen. Dieser Vorgang wird als Hygenisierung bezeichnet und tötet Krankheitserreger ab. „Danach ziehen wir ein Muster und schicken es an ein Labor – erst dann wird das Material an die Würmer verfüttert”, erklärt Eleonore Söll.
Dazu füllen sie es in Kisten aus Holz. Lange Bahnen mit diesen füllen die andere Seite der Halle. Dort warten Millionen von Würmern und Mikroorganismen darauf, das Material zu verspeisen. Bis der Durchlaufprozess einmal komplett abgeschlossen ist, dauert es bis zu zwölf Monate. Doch solange müssen die Sölls mit dem Verkauf nicht warten: Alle zwei bis vier Wochen können sie bereits fertigen Wurmkompost ernten.
Kompost und Wurmkompost sind nicht das gleiche
„Bei einem normalen Kompost dauert die Zersetzung nur vier bis sechs Monate und die Durchsatzmenge ist höher”, vergleicht Robert Söll. „Wurmkompost kann man nicht mit normalen Kompost gleichsetzen”, betont auch seine Frau.
Während bei einem normalen Kompost Zersetzungsprozesse überwiegen, geht es beim Wurmkompost stärker um Mikrobiologie. „Einfach gesagt, besteht unser Produkt aus Wurmkacke”, umschreibt Eleonore Söll. Erkennbar ist das nicht, der Wurmkompost sieht aus wie Erde und fühlt sich locker und feucht an. Das Endprodukt ist kein Humus, sondern reiner Dünger. Die Sölls und Galneders vertreiben ihn unter dem Namen „Kraftana”. Ein Übderdüngen soll mit ihrem Produkt nicht möglich sein.
Auch mit Kompost ist eine Überdüngung möglich
Landwirtschafts-Experte Huebner kennt die Anlage und Vorgehensweise in Aschau nicht. Er betont, dass die Menge an Dünger, die man ausbringt, immer mit den entsprechenden Pflanzen zusammenpassen sollte. „Es ist auf keinen Fall so, dass Kompost nur gut und Mineraldünger nur schlecht ist”, sagt er. Beides würde den Pflanzen die gleichen Nährstoffe bringen und auch durch Kompost könne es zu einer Überdüngung kommen, da sich die Nährstoffe aus dem organischen Material herauswaschen.
Es gelte allerdings zwischen klassischen Kompost und Wurmkompost zu unterscheiden, so die Sölls. „Ganz auszuschließen ist eine Auswaschung auch bei Wurmkompost nicht, aber durch sogenannte Ton-Humus-Komplexe (spezielle organo-mineralische Verbindungen, Anm. d. Red.) sind die Nährstoffe bei uns besser gebunden und können kaum herausgewaschen werden”, sagt Robert Söll. Vielmehr sei es so, dass die Pflanzen die Nährstoffe über ihre Wurzeln nach Bedarf „anfordern” würden. Dies sei beim normalen Kompost nicht der Fall, der gebe Nährstoffe ab, egal ob die Pflanzen sie benötigen oder nicht.
Einen grünen Daumen braucht es trotzdem
Eleonore Söll ist mit ihren Pflanzversuchen im eigenen Garten mit dem Wurmkompost zufrieden und freut sich, dass bereits einige Händler in der Region ihr Produkt anbieten. Weitere interessierte Läden dürften gerne auf sie zukommen. Zukünftig ist ein Online-Handel über Ebay geplant.
Kann sich dank Wurmkompost bald jeder einer reichen Ernte erfreuen? „Naja, ein bisschen einen grünen Daumen braucht es dafür natürlich trotzdem”, sagt Eleonore Söll.





