Erstmals seit 50 Jahren: Ortschef begründet Schritt
Trotz vollem Sparbuch: Die reichste Gemeinde im Kreis Mühldorf macht Millionen-Schulden
Das Haushaltsjahr 2023 ist in Aschau historisch. Erstmals seit 50 Jahren plant die Gemeinde mit Schulden, gleichzeitig gehen die Rücklagen deutlich zurück. Das führte im Gemeinderat zu Diskussionen, trübte aber nicht die Zuversicht.
Aschau am Inn - „Ich habe damit Bauchschmerzen“, sagten Aschaus Gemeinderätinnen Alexandra Kutschera und Gertraud Langbauer (beide Bündnis Aschau) in der jüngsten Gemeinderatssitzung ein ums andere Mal. Sie hatten Probleme mit dem vorgelegten Haushalt, der erstmals seit 50 Jahren, so Bürgermeister Christian Weyrich (CSU), eine Kreditaufnahme von drei Millionen Euro einplant. „Das ist historisch“, meinte Christian Mayerhofer (AWG), Barbara Bischoff (AWG) ergänzte: „Der Gedanke fällt mir schwer.“
„Das ist nur ein Rahmen“, verteidigte Bürgermeister Weyrich die Haushaltsposition immer wieder. Auch zwei Tage später bekräftigte er gegenüber den OVB-Heimatzeitungen noch einmal: „Der Haushalt ist solide finanziert. Wir können alle Pflichtaufgaben erfüllen und sind immer noch wohlhabend.“
Rahmen, um „mutig und gestalterisch“ handeln zu können
Am Jahresende soll die Gemeinde immer noch sechs Millionen Euro auf der hohen Kante haben. „Die sind gebunden und kurzfristig nicht verfügbar“, so Weyrich. „Es tun sich aber auch in der Krise immer wieder Türen auf. Um diese mutig und gestalterisch zu ergreifen zu können, brauchen wir den Kreditrahmen.“ Nur so könne die Gemeinde ohne einen zeitaufwendigen Nachtragshaushalt kurzfristig reagieren.
Martin Höpfinger (SPD) verglich diesen Spielraum in der Sitzung mit einem Disporahmen, den sich jeder einräumen lässt, aber nicht notwendigerweise wahrnimmt. „Das ist kein Automatismus“, betonte unter anderem Mayerhofer. Das sei nur ein Plan; jede konkrete Ausgabe werde im Gemeinderat noch einmal diskutiert und beschlossen.
„Wir müssen auch in schlechten Zeiten investieren“
Für Thomas Wintersteiger (CSU) sind das mögliche Schulden, die später zum Beispiel in Form von Steuereinnahmen wieder zurückfließen: „Wir können jetzt die Weichen für die Zukunft stellen und müssen auch in schlechten Zeiten investieren.“
Auch müsse die Gemeinde, so Andreas Kölbl (AWG), Projekte vorfinanzieren, da Zuschüsse erst nach deren Abschluss fließen. Ein Beispiel sei der Breitbandausbau für 352 Haushalte in Aschau. Der kostet, so Weyrich, die Gemeinde zunächst 2,1 Millionen Euro. 90 Prozent der Kosten werden nach Abschluss gefördert und erstattet. Unterm Strich koste der Ausbau Aschau also nur 213.500 Euro. Weyrich: „Das ist eine super Geschichte. Wenn wir das jetzt nicht machen, wäre es in Zukunft nur teurer.“
Kutschera und Langbauer hatten dennoch weiterhin Bauchschmerzen: „Das ist zu viel Spielraum. Wir sollten unsere Projekte priorisieren und ohne Kredite auskommen.“ Projekte wie das Pfarrhaus oder die Ortsmitte sollten zur Diskussion stehen, die ärztliche Versorgung und die Familien Vorrang bekommen. Kutschera: „Wir sollten den Gürtel enger schnallen.“
Die geplanten Investitionen bis 2026
2,5 Millionen Euro sind dieses Jahr alleine für den Grunderwerb für das Gewerbegebiet Thann eingeplant. Weitere Meilensteine sind heuer die Bahnunterführung in Klugham sowie der Breitbandausbau (jeweils eine Million Euro). Hinzu kommen die Planungen für die Fernwärme (750.000 Euro) und der Grunderwerb für den Multifunktionsplatz (700.000 Euro).
Für die Zeit bis 2026 sind für Grunderwerb im Gewerbegebiet weitere zwei Millionen Euro angesetzt. Hinzu kommen der Straßenbau im Gewerbegebiet Thann (1,9 Millionen Euro), der Multifunktionsplatz (1,6 Millionen Euro), der Breitbandausbau (1,1 Million Euro) sowie das Leitungsnetz der Fernwärme und die neue Eisenbahnbrücke (jeweils 750.000 Euro).
„Kredite vorbehaltlos zu zeichnen, macht mir Angst“
„Kredite vorbehaltlos zu zeichnen, macht mir Angst“, meinte auch Karl Heinz Jekler (Bündnis Aschau) und verwies auf die Entwicklung der Rücklagen: Sie lagen 2020 noch bei 13,4 Millionen Euro; Ende 2023 werden es nur noch sechs Millionen sein. „Das ist ein Rückgang von fast 60 Prozent.“ Auch Daniela Reingruber (CSU) warnte: „Wir können nicht jedes Jahr zwei Millionen entnehmen.“
Allein in diesem Jahr schrumpfen die Rücklagen um 5,9 Millionen Euro. Jeder fünfte Euro (1,2 Millionen Euro) fließt dabei in den Verwaltungshaushalt. Nur so kann der ausgeglichen werden. Der leidet dieses und kommendes Jahr unter der Kreisumlage. Allein heuer sind 3,5 Millionen Euro an den Landkreis zu überweisen, während die Gewerbesteuereinnahmen bei 2,6 Millionen Euro verharren und wohl auch in den kommenden Jahren nicht nennenswert steigen werden.
„Wir werfen das Geld nicht zum Fenster raus“
„Das ist der Zeit geschuldet“, betonte Weyrich. „Wir werfen das Geld nicht zum Fenster raus.“ Der Haushalt habe an allen Fronten mit steigenden Kosten zu kämpfen; dennoch blieben die Hebesätze unverändert.
Für dieses Jahr plant die Gemeinde insgesamt mit 21,2 Millionen Euro (2022: 19 Millionen Euro). Der Verwaltungshaushalt liegt mit 10,4 Millionen Euro auf Vorjahresniveau, während der Vermögenshaushalt auf 10,8 Millionen Euro (8,8 Millionen Euro) klettert.
Am Ende lehnten nur Jekler, Kutschera, Langbauer und Harald Rösler (alle Bündnis Aschau) den vorgelegten Haushalt, den Finanzplan sowie das Investitionsprogramm bis 2026 ab. Der Stellenplan wurde dagegen einstimmig beschlossen.
Die Eckpunkte des Haushaltes
Der Verwaltungshaushalt speist sich heuer zur Hälfte aus der Gewerbesteuer (2,6 Millionen Euro) und dem Anteil an der Einkommenssteuer (2,4 Millionen). Weitere große Einnahmeposten sind die Zuweisungen (1,4 Millionen Euro) sowie eine Zuführung aus dem Vermögenshaushalt (1,2 Millionen Euro).
Mehr als jeder dritte Euro (35 Prozent) des Verwaltungshaushalts geht in Form der Kreisumlage (3,5 Millionen Euro) an den Landkreis. Drei Millionen Euro werden für den Verwaltungs- und Betriebsaufwand benötigt, 1,9 Millionen Euro sind Personalkosten und 1,5 Millionen für Zuweisungen und Zuschüsse.
Der Vermögenshaushalt wird 2023 mit 5,9 Millionen Euro zu knapp zwei Dritteln (59 Prozent) aus den Rücklagen sowie zu gut einem Drittel (30 Prozent) mit dem Kreditrahmen von drei Millionen Euro finanziert.
Größte Ausgabenposten im Vermögenshaushalt sind der Kauf von Grundstücken (vier Millionen Euro; 38 Prozent), Baumaßnahmen (3,7 Millionen; 34 Prozent) sowie die Zuführungen zum Verwaltungshaushalt (1,2 Millionen Euro; 12 Prozent).
