Vor vier Jahren in Rente geschickt
Zu jung fürs Museum: Aschauer Feuerwehr übergibt altes Fahrzeug an die Ukraine
Vier Jahre stand es ungenutzt in der Garage, jetzt hat es eine neue Aufgabe: Das alte Mehrzweckfahrzeug der Aschauer Feuerwehr erfüllt jetzt seinen Dienst in der Ukraine. So kam das Fahrzeug ins Kriegsgebiet und wie ein fehlender Kaufvertrag den Transport ausbremste.
Aschau am Inn – „Die Menschen leiden, es herrscht Not an jeder Ecke. Das Feuerwehr-Auto wird dringend benötigt“, erzählt Inna Biloshapka. Zusammen mit Bürgermeister Christian Weyrich und Feuerwehr-Kommandant Anton Bruckeder sitzt sie im Aschauer Rathaus und erzählt von der kritischen Lage in ihrem Heimatland und wie es ein altes Feuerwehr-Fahrzeug in die Ukraine geschafft hat.
Vier Wochen nach Kriegsbeginn war Inna Biloshapka aus der Ukraine geflohen, ihr Haus in Kiew wurde vor knapp einem Monat von Raketen getroffen. „Es ist dort zu gefährlich, vieles ist kaputt, Hilfsgüter werden benötigt“, sagt sie. Sie ist es, die den Kontakt in die Ukraine zum Katastrophenministerium herstellt, denn für die Aschauer Feuerwehr hat es mittlerweile schon Tradition, dass ausgediente Fahrzeuge weitergegeben werden.
Ein letztes Mal mit Martinshorn vom Hof
„Fürs Museum ist das Mehrzweckfahrzeug noch zu jung“, erklärt Kommandant Bruckeder. Deshalb soll der 39 Jahre alte Wagen den Weg in die Ukraine antreten, damit er dort eine sinnvolle Verwendung findet. „Es ist jedes Mal ein Erlebnis, ein Fahrzeug in ein anderes Land zu überführen“, sagt Kommandant Bruckeder. Nach Rumänien ging es für ihn dieses Mal in die Ukraine.
Ein letztes Mal mit Blaulicht und Sirene fuhr das Fahrzeug vom Hof der Feuerwehr, Ziel ist Lwiw in der Ukraine. „Sonntagabend ging es los mit einem zweiten Fahrzeug, Brotzeit und Werkzeug im Gepäck. 1.200 Kilometer sind es bis nach Lwiw“, erklärt Bürgermeister Christian Weyrich. Zu viert machensie sich auf die Reise, bis Montagvormittag wollten sie die Grenze zur Ukraine erreichen.
Eine neue Aufgabe in der Ukraine: Aschauer Feuerwehr-Auto überführt




Über Österreich, Tschechien geht es nach Polen und von dort weiter in die Ukraine. „Jedes Land hat seine eigene Mautbestimmung, aber an jeder Grenzen waren alle hilfsbereit“, erzählt Bruckeder. Das bringt die Zeitplanung durcheinander, weshalb sie die ukrainische Grenze später als geplant erreichen. Doch wird die Bürokratie dort zu einem fast unüberwindbaren Hindernis.
„Wir waren schon 16 Stunden auf Achse und dann brauchten wir für die Ausfuhrbescheinigung den Kaufvertrag für ein 39 Jahre altes Fahrzeug“, sagt Weyrich. Weil man später an der Grenze ist als geplant, hat das Aschauer Rathaus jedoch bereits geöffnet. Und tatsächlich findet sich im Archiv der Kaufvertrag. Damit allein durften sie nicht ausreisen.
„Lost“ an der Grenze
„Mit Händen und Füßen haben wir versucht, uns zu erklären“, sagen Bruckeder und Weyrich, die im Nachhinein darüber lachen können. Der Bürgermeister hatte sich im Vorfeld selber Briefe in mehreren Sprachen ausgestellt, wonach der Fahrer des Fahrzeugs unterstützt werden soll. Doch auf den letzten Metern bis zur Grenze geht es nur in Schrittgeschwindigkeit weiter.
Von der „Tax free“-Spur weiter zur Lastwagen-Spur, wieder nach hinten. Und so geht es hin und her. „Wir sind eine Stunde zwischen Grenzpolizei und Zoll hin und her geirrt. Keine Schilder, wir waren lost“, sagt Weyrich. Irgendwie haben sie es am Ende tatsächlich geschafft, doch dann fehlte ein Stempel und wieder wurden sie von einer zur nächsten Station geschickt. „Wir sind von Pontius zu Pilatus gelaufen und irgendwann wurde ich grantig. Dann wurde einfach alles gestempelt“, fährt er fort.
Zweieinhalb Stunden Zeit kostete der Grenzübertritt, doch ein Problem blieb: Für das Begleitfahrzeug fehlte der Fahrzeugschein, durfte deshalb die Grenze nicht passieren. „Wir mussten es auf einem Parkplatz abstellen, der war aber nur bis 18 Uhr geöffnet“, beschreibt Bruckeder die Situation.
Zeitdruck und kein Roaming machen die letzten Kilometer zusätzlich spannend, vom Krieg ist im Westen der Ukraine nichts zu sehen. „Wir mussten nur noch auf der zentralen Straße weiterfahren und dann wurden wir auch schon mit einer Fahne willkommen geheißen. Das war ein Abenteuer. Aber wäre alles glattgelaufen, wäre es langweilig gewesen“, kann Weyrich im Nachhinein lachen.
Auto ist nicht kaputtzukriegen
Ohne Mängel war das Feuerwehr-Fahrzeug daheim durch den TÜV gekommen: „Das Auto ist nicht kaputtzukriegen, der Motor läuft und jeder kann es bedienen“, erklärt Bruckeder. Vor Ort weisen sie die Ukrainer in das Fahrzeug ein, bekommen als Dank für ihre Hilfe eine Urkunde, bevor sie zurück an die Grenze müssen. Denn das zweite Fahrzeug muss bis 18 Uhr abgeholt sein. Doch wie kommen sie am schnellsten wieder über die Grenze? Der Fußgänger-Übergang und die ukrainische Urkunde beschleunigen den Weg zurück nach Polen.
„Zu diesem Zeitpunkt waren wir fast 24 Stunden unterwegs, aber zurück am Auto fühlten wir uns wie Helden“, sagt Weyrich, für alle war die Fahrt in die Ukraine ein Erlebnis. Dass alles geklappt hat, freut auch Inna Biloshapka, denn: „Unterstützung für die Ukraine ist dringend nötig. Die Menschen versuchen, trotz des Krieges weiterzuleben.“
Auch Weyrich freut sich, dass das Fahrzeug noch Verwendung findet. „Ein Trip wie dieser erdet. Auf so kurzer Strecke haben wir so viel erlebt und sinnvolles getan.“ Das Feuerwehr-Fahrzeug wurde nach Charkiw gefahren, eine Millionen-Stadt in der Ost-Ukraine, in deren Region russische Truppen immer weiter vorrücken.