Beispiel Schönberg
Mehr Windräder in der Region: Warum das in der Praxis so kompliziert ist
Der Bund möchte den Bau von Windrädern erleichtern. Da im Bernloher Holz bereits seit 2015 ein Windvorranggebiet besteht, seien Neuerungen zu erwarten, ist Bürgermeister Lantenhammer überzeugt. Aber was bedeutet das für die Gemeinde? Das hat Lantenhammer in mühevoller Kleinarbeit recherchiert.
Schönberg – „In Schönberg bleibt nicht viel Platz für Windräder!“ Das ist das Fazit, das Schönbergs Bürgermeister Alfred Lantenhammer aus der Sitzung des Regionalen Planungsausschuss der Region 18 in Burgkirchen zieht. Der Grund: Seiner Ansicht nach können die Abstandsflächen selbst nach Wegfall der 10H-Regelung zum überwiegenden Teil – bis auf zwei Flecken – nicht eingehalten werden. Es sei denn, man speckt bei der Höhe der Anlagen ab. „Doch ob sie dann noch effektiv Strom erzeugen, bezweifle ich“, so Lantenhammer.
Als Mitglied des Regionalen Planungsausschuss habe er, auch in Einzelgesprächen aus den Wirtschaftsministerium, Klarheit in Abstands-Wirrwarr bringen können, berichtet Lantenhammer, der das Thema der Vorrangflächen für Windräder erst vor einer Woche im Schönberger Gemeinderat öffentlich zur Sprache gebracht und darüber informiert hatte.
Darin sei der grundsätzliche Wille des Bundes in den Fokus gerückt worden, aufgrund der Energieengpässe verstärkt Windkraftanlagen zu bauen. Das von der Bundesregierung beschlossene „Wind an Land – Gesetz“ soll den Bau von Windrädern erleichtern.
Neuerungen sind für Schönberg zu erwarten
Da im nördlichen Gemeindebereich Schönberg im Bernloher Holz ein Windvorranggebiet bereits seit 2015 besteht, seien mögliche Neuerungen zu erwarten. Denn: Durch den Wegfall der 10H-Regel würden diese Standorte zu privilegierten Windkraftstandorten werden, wie Lantenhammer dazu in der Sitzung informierte. Im Klartext heißt das: Ein Grundstückseigentümer hat dort voraussichtlich die Möglichkeit, ein Windrad zu errichten. Nachdem die Bundesregierung Windräder von nationaler Bedeutung einstuft, wird der Bau dadurch erleichtert, da andere Interessen zurückstehen müssen.
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„Ob und welche Regeln nun zukünftig für den Bau von Windkrafträdern gültig sind, wird die Gesetzgebung der nächsten Monate zeigen“, wurde anschließend im Protokoll der Sitzung festgehalten. Und wie diese dann für das Bernloher Holz anzuwenden sind, war zum Zeitpunkt der Sitzung noch offen.
Fest steht nur, dass es bayernweit Bestrebungen gibt, dass die Gemeinden den Bau von Windkrafträdern selbst in die Hand nehmen. Durch Bürgerbeteiligungen und Selbstvermarktung des Stromes an die Bürger könnten dadurch die Kommunen den Mehrwert in ihrer Gemeinde behalten, hieß es dazu in der Sitzung.
Rechtliche Vorgaben schränken die Aktivitäten ein
Wie realistisch Windstrom für Schönberg ist, hat Lantenhammer beim Regionalen Planungsausschuss eruiert. Die Flächen im Vorranggebiet Bernlohrer Holz sind zwar ab 1. Juni 2023 Privilegierte Windkraftstandorte. Aber um beim Bau einer Windkraftanlage rechtlich auf der sicheren Seite zu stehen, müssten Windräder mindestens die dreifache Höhe zum Abstand zur Wohnbebauung, auch landwirtschaftlichen Anwesen, haben. So sieht es zumindest die derzeitige Rechtssprechung vor.
Nur zwei Standorte kommen in Frage
Gute, leistungsfähige Windräder hätten eine Nabenhöhe von bis zu 170 Meter. Mit Rotorblatt kämen dann bis zu 260 Meter zusammen, hat Lantenhammer inzwischen recherchiert. Das Ganze mal drei ergibt einen Mindestabstand von knapp 780 Meter. „Eine kleinere Anlage macht in dem Waldstück von Bernloh keinen Sinn“, findet Lantenhammer, der sich bei der Frage nach einem wirtschaftlichen Betrieb einer solchen Anlage auf Erkenntnisse aus dem Windatlas beruft. Und so hat der Bürgermeister auf der Karte nachgemessen und will herausgefunden haben: „Nur zwei Standorte im Bernloher Holz erfüllen diese Anforderung“.
Überall herrscht Goldgräberstimmung
Dabei handelt es sich – ausgehend von einem angenommenen Abstand von 700 Metern – um eine Fläche zwischen Stangelszell und Bernloh von knapp 550 Metern Länge, die an der breitesten Stelle knapp 300 Meter hat, an der schmalsten jedoch nur 50 Meter. Auch ein kleines Dreieck ist übrig geblieben, knapp 800 Meter östlich von Oed. „Jeder tut rum, es herrscht Goldgräber-Aufbruchstimmung. Aber wenn man genauer hinsieht, bleibt dann selbst von Vorrangflächen nicht viel übrig“, sagt Lantenhammer, der sich grundsätzlich mehr Infos von der Politik wünschen würde. „So muss man sich die Informationen mühsam selbst zusammentragen.“
Nach dem derzeitigen Stand der Dinge kommt er zu dem Schluss: Schönberg wird wohl keine Windräder bauen. Wenn ein privater Investor kommen würde, dann freilich stünde einem solchen Vorhaben nichts im Wege. Die Gemeinde hätte dann aber auch nicht wirklich Einfluss darauf.
Ab 50 Meter ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung notwendig
In Vorranggebieten für Windkraftanlagen, die in der windkraftbezogenen Teilfortschreibung des Regionalplans der Region18 seit 2015 gelten, hat die Nutzung der Windenergie Vorrang gegenüber anderen konkurrierenden Nutzungsansprüchen. Das schreibt das Landratsamt zu den Vorranggebieten im Landkreis Mühldorf. „Die Festlegung eines Vorranggebietes für Windkraftanlagen bewirkt, dass in diesem Gebiet andere raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen werden, soweit diese mit der Windenergienutzung nicht vereinbar sind. Im Einzelfall erforderliche Genehmigungsverfahren bleiben hiervon unberührt“, klärt die Pressestelle des Landratsamtes auf Nachfrage auf. Das hieße in der Regel, dass nur in Vorranggebieten eine Windkraftanlage geplant werden kann – im Landkreis Mühldorf sind das rund 901 Hektar, also 1,1 Prozent der Landkreisfläche. Circa 99,1 Prozent der Regionsfläche der Region 18, welche die Landkreise Mühldorf, Altötting und Traunstein umfasst, sind nach geltendem Regionalplan Ausschlussfläche, dort kann keine Windkraftanlage entstehen. Wie das Landratsamt weiter auf Anfrage mitteilt, benötigt die tatsächliche Errichtung ein eigenes Genehmigungsverfahren, so bedarf die Errichtung einer Windenergieanlage (WEA) höher 50 Meter einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. In einem anlagenbezogenen Genehmigungsverfahren wird das Vorhaben nach sämtlichen relevanten Gesetzesgrundlagen geprüft, vor allem nach Bau-, Immissionsschutz- und Naturschutzrecht (Lärmschutz, Schutz des Landschaftsbildes, Schutz von Pflanzen- und Tierarten). Eine Genehmigung ist mit einer Rückbauverpflichtung verbunden, das heißt, dass die Windenergieanlage nach ihrer Betriebszeit abgebaut und dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden muss.
Das sagt die Rechtssprechung
Die aktuelle Rechtsprechung sieht vor, dass bei einem Abstand zwischen Wohnhaus und Windenergieanlage von mindestens dem Dreifachen der Gesamthöhe der Windenergieanlage (Nabenhöhe und halber Rotorradius) keine optisch bedrängende Wirkung vorliegt. Beträgt der Abstand weniger als das Zweifache der Gesamthöhe, so gehen die Gerichte davon aus, dass eine optisch bedrängende Wirkung durch die betrachtete Windenergieanlage vorliegt. Wird hingegen eine Entfernung zwischen dem Zwei- und Dreifachen der Gesamthöhe ermittelt, so bedarf es einer intensiven Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.