Trauerfeier für das letzte Fass
500 Jahre alte Tradition: Vor 40 Jahren beendete die letzte Neumarkter Brauerei ihren Betrieb
Es war ein trauriges Ereignis für die Stadt Neumarkt-St.Veit, als vor genau 40 Jahren, im Jahr 1984, die jahrhundertelange Tradition der Bierherstellung endete. Mit dem Ausschank des letzten Fasses Festbier von der Klosterbräu St.Veit AG, verschwand die letzte aktive Brauerei der Stadt von der Bildfläche.
Neumarkt-St. Veit – Mit dem Ausschank des letzten Fasses Festbier der Klosterbräu St.Veit AG endete vor 40 Jahren eine jahrhundertelange Tradition am Ort. Das Volksfest anno 1984 ist eingegangen in die Geschichte, als eines der traurigsten Ereignisse, die je über Neumarkt hereingebrochen ist. Nach annähernd 500 Jahren der Bierherstellung in Neumarkt-St.Veit war sie die letzte Brauerei, die ihren Betrieb einstellen musste.
500 Jahre alte Tradition
Einst rauchten die Schornsteine von sieben Sudhäusern in Neumarkt, und noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es vier aktive Brauhäuser im Markt. Dazu kommt die Schloßbrauerei Hertrich, die in der Gemeinde St. Veit die große Brautradition der Benediktinermönche weitergeführt hatte.
Der Steigerbräu ging noch vor 1890 pleite, und in der Zeit um den Ersten Weltkrieg gaben sowohl der Niedermeier- wie auch der Fruhmannbräu ihr Geschäft auf. Der Besitzer des Weindlbräu in der Altöttinger Straße verkaufte 1913 seinen Betrieb an eine Genossenschaft bestehend aus 40 Bauern des Umlandes. Die Mitglieder der neugegründeten Genossenschaftsbrauerei investierten kräftig in die alten Gemäuer, und es entstand ein moderner Braubetrieb. Nach Kriegsende 1919 existierten nur mehr zwei Brauereien am Ort und kämpften ums Überleben.
Der Besitzer der Schloßbrauerei Hertrich in St. Veit sah in der Umwandlung seines Betriebes in eine Aktiengesellschaft im Jahre 1922 die besten Chancen für eine zukünftige Entwicklung. Die vorherrschende Wirtschaftskrise und die Inflation zu dieser Zeit zwangen auch die Mitglieder der Genossenschaftsbrauerei zum Handeln. Im Jahre 1923 entschloss man sich, mit der Schloßbrauerei Hertrich AG zu fusionieren. Diese neugeründete Brauerei trug zuerst den Namen Klosterbräu St.Veit – Neumarkt a. Rott AG. Und nach der Eingemeindung von St.Veit ab 1934 nur mehr Klosterbräu St.Veit AG. Mit dieser neugegründeten Brauerei glaubten nun alle Beteiligten, für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.
Alleiniger Lieferant für das Festbier
Seit dem Volksfest des Jahres 1928 war die Klosterbräu St.Veit AG alleiniger Lieferant für das Festbier geworden. Es war ein besonderer Tropfen, der nur für das Volksfest gebraut wurde. Und man war schon jedes Jahr gespannt, wie wohl heuer das Festbier schmecken wird. Dieses ländliche Idyll hielt bis zum Beginn der 1980er-Jahre und wurde dann schlagartig per Dekret beendet.
Der Münchner Paulanerbrauerei war es nämlich im Laufe der 1970er- Jahre gelungen, die Mehrheit der Aktien der St. Veiter Brauerei in ihren Besitz zu bringen. Sie übernahm die Geschäftsführung und nahm in den folgenden Jahren immer mehr in der St. Veit hergestellte Biersorten aus dem Programm. Das endgültige Produktionsende erfolgte im Frühjahr 1984 mit der letztmaligen Herstellung des Bieres für das Volksfest.
Es muss ein komisches Gefühl für den neugewählten Bürgermeister Rudi Berghammer gewesen sein, als er zum Volksfestbeginn am 8. Juni 1984 das erste Fass St. Veiter Festbier angestochen hatte. Es sollte sein Einziges während seiner langen, 18-jährigen Karriere als Neumarkter Stadtoberhaupt bleiben.
Der Heimatkundler Rudolf Angermeier beschrieb in seiner Betrachtung „Die letzten Fassl von St.Veit“ die traurige Lage der Bewohner und warf die Frage auf, wie die Neumarkter dieses lokale Unglück vor der Geschichte und vor den kommenden Generationen rechtfertigen sollen. Auch die örtliche Jugend war sich über den Ernst der Lage in Klaren und wenn sie auch den Untergang der Brauerei nicht aufhalten konnten, so sollte diese wenigstens in einem würdigen Trauerakt zu Grabe getragen werden.
Es war eine bewegende Veranstaltung am letzten Volksfesttag 17. Juni 1984, als im Beisein von annähernd 2000 „Trauergästen“ im Festzelt Abschied von der Klosterbräu St. Veit AG genommen wurde. Der Chronist dieser Tage schilderte diese Stunden so: Vor der Beisetzung hatte sich ein langer Trauerzug vom Stadtplatz zum Volksfestplatz bewegt. An der Spitze des Zuges wurde ein großes Transparent mit der Aufschrift „Wir trauern um`s St.Veiter Bier“ vorangetragen. Hinter der Musikkapelle marschierten die „Geistlichkeit“ und das Leichenpersonal, dass das mit Trauerschleifen gezierte „letzte Bierfaßl von St.Veit“ trug. Den Abschluss bildete eine über hundertköpfige, ganz in schwarz gekleidete Trauergemeinde, laut jammernd und in Tränen aufgelöst. Beim Einmarsch in das überfüllte Bierzelt wurde der Zug mit starkem Beifall begrüßt.
Tosender Beifall während der Reden
Der Zug nahm vor der Bühne Aufstellung, und während die Festkapelle einen Trauermarsch intonierte, wurde das Faßl vor der Bühne aufgebahrt, und zwar so, dass es für alle sichtbar war. Anschließend hielten stellvertretend für alle Hinterbliebenen Jürgen Altenburg und Peter Gruber den Nachruf auf die verblichene Klosterbrauerei. Die Reden wurden immer wieder durch tosenden Beifall unterbrochen, vor allem an den Stellen, an denen die Verantwortlichen am Tode der Brauerei mit scharfen Worten angeklagt wurden. Nach den Ansprachen formierte sich der Trauerzug wieder und marschierte aus dem Zelt um das „letzte Faßl“ und damit die Klosterbrauerei der Erde zu übergeben.
Anlässlich des 40-jährigen Todesjahres der letzten Neumarkter Brauerei hält der Heimatkundler Walter Jani am Dienstag, 30. April, ab 19 Uhr im Gasthaus Vitusstüberl einen Lichtbildervortrag. Gezeigt wird im Anschluss daran ein Film von 1980, in dem die Bierherstellung in der Klosterbräu St.Veit AG gezeigt wird. Der Eintritt ist frei.mh/Walter Jani