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Offen mit Depression umgehen

Deutschland-Tour mit Botschaft: Radler kämpfen im Landkreis Mühldorf gegen Vorurteile

Sie radeln etappenweise durch Deutschland, um die Bevölkerung 
auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen zu sensibilisieren. Am Freitag machte die Radlgruppe Station in Neumarkt-St. Veit (Bild), Mühldorf und Waldkraiburg.
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Sie radeln etappenweise durch Deutschland, um die Bevölkerung auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen zu sensibilisieren. Am Freitag machte die Radlgruppe Station in Neumarkt-St. Veit (Bild), Mühldorf und Waldkraiburg.

„Zeigt, dass Depressionen kein Tabu sein darf!“ Offen gehen Betroffene mit dieser Thematik um, radeln durch die Bundesrepublik, um die Menschen zu sensibilisieren. Am Wochenende machten sie auch im Landkreis Mühldorf Station. Über Neumarkt-St. Veit, Mühldorf und Waldkraiburg ging es nach Rosenheim.

Neumarkt-St. Veit – Als die drei Tandems am vergangenen Freitag am Vormittag durch das große Tor auf den Neumarkter Stadtplatz radeln, ernten sie neugierige Blicke. Voll bepackt mit klaren Botschaften, auf denen zu lesen ist „Zeigt, dass Depressionen kein Tabu sein darf“, „Depression behandelbar ist“ und „Für Mut und Wissen im Umgang mit dem Thema Depression“ kommen die sechs Sportler gut gelaunt bei der Kirche St. Johann an. Dort steht ein Etappenstopp an, bevor es für Bernhard Rieder (49) aus Landshut, Erich Thimm (72) aus Hamburg, Tourleiterin Franziska Radczun (34) und Jonas Julino (28), beide aus Berlin, Michaela Göddenhoff (42) aus Essen und Gerd Krämer (67) aus Stuttgart weiter in Richtung Waldkraiburg geht.

Gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung

Als Sportler sehen sie sich eigentlich nicht, sondern eher als Botschafter für ein wichtiges Thema: Depression. Ihr Ziel ist es, ein Zeichen für mehr Offenheit, Wissen und Mut im Umgang mit psychischen Erkrankungen zu setzen. Dies ist mittels Tandem oder zu Fuß in Pferdebegleitung möglich. Hintergrund dieser Rundfahrt durch Deutschland: Psychisch Kranke fühlen sich auch heute noch von der Gesellschaft stigmatisiert und ausgegrenzt. Für Betroffene beginnt nicht nur ein Kampf gegen die Krankheit, sondern auch ein Kampf um die eigene Existenz. Der Trägerverein Mut fördern e.V. macht sich für dieses Thema stark und rief aus diesen Gründen die MUT-Tour ins Leben. Heuer findet diese zum elften Mal statt.

Mitfahrer sammeln positive Erfahrungen

Bernhard Rieder fährt seit 2021 jedes Jahr mit. Er musste selbst Depressionserfahrungen machen und hat wie seine Teamkollegen beschlossen, offen mit dem Thema umzugehen. Die Erfahrungen, die der 49-Jährige und seine Kameraden auf ihrer Tour machen, sind positiv. „Die meisten Leute finden das toll, dass jemand auf das Thema aufmerksam macht und an der Entstigmatisierung arbeitet. Das gibt uns Rückenwind und die Bestätigung, dass sich das alles lohnt“, berichtet Rieder.

Jonas Julino, 28, aus Berlin hat eine Botschaft: „Psychische Erkrankungen können jeden Menschen treffen. Mit der Teilnahme an der Mut-Tour möchte ich meinen kleinen Teil dazu beitragen, dass endlich offen über psychische Erkrankungen gesprochen wird und so Betroffene und Angehörige leichter damit umgehen können.“

Aufräumen mit Vorurteilen

Rieder und Julino räumen mit ihren Team-Kameraden mit Klischees auf. Rieder, ein 49-jährige Landshuter, ist mit seinem Job zufrieden, glücklich verheiratet und stolzer Vater von drei Kindern. Familie bedeutet ihm alles und was seine Belastbarkeit betrifft, da hat er Power ohne Ende. Die Teilnehmer fahren keine E-Bikes, die ihnen Steigungen leichter machen, sondern ganz normale Rad mit Kettenschaltung.

Auch das Tandem-Paar muss perfekt aufeinander abgestimmt sein, sonst funktioniert das nicht, erzählen die Teilnehmer. Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen sind das A und O. Pro Tag fahren sie etwa 50 Kilometer. Auf ihrer Tour haben sie ihre Zelte und Verpflegung dabei. So können sie auch mal an einem hübschen See oder im Freibad zelten, so wie am Vortag in Vilsbiburg.

Eine Etappe erstreckt sich auf etwa 300 Kilometer

Am nächsten Morgen geht es für sie dann weiter. Meist radeln sie eine Etappe. Diese dauert etwa eine Woche und erstreckt sich auf etwa 300 Kilometer. Am Mittwoch starteten sie in Regensburg. Am Samstag kamen sie in Rosenheim an. Eine relativ kurze Etappe. Manch einer fährt auch mehrere, wenn er es sich zeitlich leisten kann. In Rosenheim war schließlich Team-Wechsel.

Insgesamt sind es etwa 3.800 Kilometer durch ganz Deutschland, die die Teams vom 25. Mai bis 4. September 2023 unterwegs sein werden. Für Rieder und einige seiner Kameraden ging es aber schon jetzt wieder zurück nach Hause. Am Montag musste er wieder arbeiten. Für die Teilnahme an der Mut-Tour hatte er extra Urlaub genommen.

Sie werben um Akzeptanz und Verständnis

Erich Thimm ist seit 2016 dabei. Er war bis zu seiner Rente Verwaltungsleiter in einer Einrichtung für seelisch erkrankte Menschen. Thimm wünscht sich, wie seine Team-Kollegen, von der Gesellschaft Akzeptanz und Verständnis im Umgang mit depressiven Menschen. Kranke auffangen, anstatt sie fallenlassen.

„Manchmal hilft es auch, einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Bei der Depression ist es wichtig, dass man sich überlegt, ob es eine Neuorientierung für einen gibt“, fährt er fort. „Vorgestern waren wir in Regensburg. Da wurde eine junge Frau auf uns aufmerksam. Sie erzählte uns, dass sie gerade wegen schwerer psychischer Probleme in einer Klinik sei. Sie war total begeistert und sagte: Ich freue mich total, euch hier zu sehen, dass ihr das Thema so offen ansprecht. Jetzt weiß ich schon, was ich mache, wenn ich aus der Klinik entlassen werde. Sie hat wieder ein neues Ziel vor Augen. Das war sehr berührend!“

Wer sich für den Verein interessiert, ihn unterstützen oder mitmachen möchte, erhält alle Infos unter: www.mut-foerdern.de und www.mut-tour.de

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