Zurück zum Stundenschlag?
Neumarkts Stadträte stinksauer über verstummte Glocken – aber einer schläft jetzt besser
Der Glocken‐Bann von Neumarkt‐St. Veit sorgen für hitzige Diskussionen. Auch im Stadtrat. Dabei sind Stadträte fast alle einer Meinung. Nur einer nicht. Der schläft jetzt besser.
Neumarkt-St. Veit – Die CSU Neumarkt-St. Veit ist deutlich: „Die bereits umgesetzte Einstellung des Glockengeläuts an der Kirche St. Johann zwischen 22 und 6 Uhr soll wieder rückgängig gemacht werden“, schreibt sie in einem Antrag an die Stadt. Auch die UWG will das und fragt: „Warum wurde dem Antrag so schnell stattgegeben?“ Das Läuten der Kirchenglocke am Stadtplatz sei Tradition und kulturelles Erbe. „Bedenklich ist, wenn einzelne Personen solche tiefgreifenden Veränderungen herbeiführen können.“
Ein „herzliches Vergelt‘s Gott“ von Ulrich Geltinger
Von der SPD kam nichts. Ulrich Geltinger, der die Apotheke vis-à-vis zum Gotteshaus betreibt und dort auch wohnt, drückte stattdessen gegenüber Pfarrer Franz Eisenmann sein „Herzliches Vergelts Gott“ dafür aus, „dass Sie sich für eine sehr gute Lösung eingesetzt haben. Ich schlafe wesentlich besser!“ Lärmschutz sei schließlich auch Gesundheitsschutz.
Die Verwaltung der Pfarrei Neumarkt-St. Veit hatte nach Beschwerden „ortsansässiger Personen“ reagiert und den Stundenschlag nachts ausgeschaltet.
Eindeutige Gerichtsurteile zu liturgischem Läuten
Im November 2024 sei der Anschlaghammer für das Viertelstundenläuten von St. Johann geändert worden, „so dass der Anschlag nun leiser ist“, sagte Eisenmann vor dem Stadtrat. Anfang 2025 sei der Stundenschlag dann nachts komplett abgestellt worden. Es habe jedoch keine rechtliche Auseinandersetzung gegeben.
Die Vehemenz der Entscheidung ist schwerer als wir gedacht hätten!
In der Sitzung räumte Eisenmann ein: „Die Vehemenz der Entscheidung ist schwerer als wir gedacht hätten. Das Ordinariat hätte uns sogar empfohlen, den Stundenschlag von 19 bis 7 Uhr abzuschalten. Das hat die Kirchenverwaltung aber als unverhältnismäßig eingestuft.“
Vergleich zum Bahnlärm
Die Debatte im Stadtrat entwickelte sich hitzig. Während Ulrich Geltinger betonte: „Wir sind als Stadt nicht dazu berufen, der Kirche Vorschriften zu machen!“, warnte Bürgermeister Erwin Baumgartner davor, die Maßnahme auf weitere Kirchen auszuweiten, und empfahl Pfarrer Eisenmann, die Lautstärke erneut überprüfen zu lassen. Dr. Klaus Windhager (UWG) schloss sich diesem Vorschlag an. „Ich bin das gewohnt als notorischer Frühaufsteher. Ich bin froh, wenn ich den Stundenschlag höre.“ CSU-Vertreterin Heike Perzlmeier nahm die Situation humorvoll: „Ich habe eine Bahn, die bei mir zu Hause vorbeifährt!“
Für CSU-Stadträtin Johanna Obermaier seien die Wünsche mit dem abgemilderten Stundenschlag bereits erfüllt. „Der Großteil der Bevölkerung kann sich den Wohnort aussuchen. Ich verstehe die Leute nicht, die gerne in der Natur ist, in der eine Kuh aber nicht muhen darf. Wir sind eine christliche Gemeinde, und da gehört der Glockenschlag dazu.“
Fraktionskollege Wolfgang Hobmeier pflichtete ihr bei. „Es ist offensichtlich schon so, dass hier Minderheiten entscheiden.“ Entscheidungen sollten jedoch, wie im Stadtrat, auf Basis der Mehrheitsmeinung erfolgen. Rosmarie von Roennebeck (CSU) wunderte sich: „Die zehn kirchlichen Feiertage stören niemanden, das Läuten aber schon!“
Peter Gruber (CSU) verwies auf die Glocken von St. Veit, in deren Nähe er wohnt und die größer dimensioniert seien. „Aber die höre ich schon gar nicht mehr. Nicht in der Nacht und auch nicht am Tag!“ Er befürwortet eine Messung, die Klarheit über die Einhaltung von Grenzwerten bringen soll. „Daran muss man sich dann auch halten!“ Er verstehe nicht, warum sich das ganze auf Grundlage der Meinung einzelner ändern sollte. Er bedauerte auch, dass der Stadtrat bislang nicht eingebunden worden sei. „Es geht schließlich auch um das gute Klima in der Bevölkerung!“
Kulhanek hebt kulturellen Wert hervor
Michael Kulhanek (CSU) machte deutlich: „Der Stundenschlag hat einen kulturellen Wert und für mich eine Daseinsberechtigung.“ Zur Notwendigkeit des Glockenschlags zog er einen Vergleich: „Wir haben ja auch immer noch zwei Stadtbrunnen, obwohl wir eine Wasserversorgung haben!“
„Aber wir müssen eine Linie ziehen, damit es nicht noch weiter eskaliert! Wir sollten auf die Minimallösung beharren und der Kirche Rückendeckung geben!“ Bürgermeister Baumgartner warnte sogar vor Folgeanträgen: „Erfüllte Wünsche haben schnell viele Kinder!“, warnte er.
Peter Hobmaier will ein Zeichen setzen
UWG-Stadtrat Peter Hobmaier gab zu, dass er sich über das Abschalten sehr geärgert habe. „Mich treibt es um, was da als Nächstes kommt. Darf dann am Georgitag dann keine Blaskapelle mehr spielen? Wir sollten ein Zeichen setzen, dass wir uns nicht immer alles gefallen lassen!“
Ludwig Spirkl (SPD) hätte es schön gefunden, wenn der Stadtrat miteinbezogen worden wäre. „Ich möchte mir aber nicht anmaßen, mich über die Kirche oder deren Entscheidung zu stellen.“
Die SPD stimmte dagegen
Der Stadtrat begrüßte schließlich per Beschluss die intensiven Bemühungen der Kirchenverwaltung, eine akzeptable Lösung zu finden. Auf Anregung von Peter Gruber wurde der Beschluss noch ergänzt mit dem Passus: „Der Stadtrat bittet die Kirchenverwaltung, nochmals den Glockenschlag zu überprüfen und gegebenenfalls die Entscheidung gemäß den rechtlichen Möglichkeiten zu ändern.“
Bei der Abstimmung stimmten Geltinger und Spirkl (beide SPD) dagegen. Pfarrer Eisenmann sagte zu, prüfen zu lassen, ob der Glockenschlag noch leiser gemacht werden könne. „Formal muss der Stadtrat in dieser Angelegenheit nicht gefragt werden“, weiß auch Eisenmann. „Aber seitens der Kirchenverwaltung sind wir froh darüber, dass das Votum so ausgefallen ist!“