Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Von der Wäscherei zum angesehenen Modehaus

Viel Mut in schweren Zeiten: Wie Frauen-Power schon 1927 den Neumarkter Stadtplatz belebt hat

Ein Haus und seine Geschichte: Noch heute erinnert der Name an der Fassade an das angesagt Neumarkter Modehaus.
+
Ein Haus und seine Geschichte: Noch heute erinnert der Name an der Fassade an das angesagt Neumarkter Modehaus.

Es war ein mutiger Schritt in einer Zeit voller Turbulenzen: Dennoch entschied sich in den 1920er Jahren Maria Bleibrunner, ein eigenes Geschäft mitten in der Stadt Neumarkt zu eröffnen.

Neumarkt-St. Veit – Während 1918 weit über 100 Neumarkter nicht aus dem ersten Weltkrieg zu ihren Familien zurückgekehrt waren, hatte Maria Bleibrunner Glück. Ihr zukünftiger Mann, der während des Krieges in Frankreich stationiert war, schaffte es trotz Erkrankung heim und heiratete zwei Jahre später seine Maria. Doch es war ein Glück mit Ablaufdatum, da Marias Mann immer schwächer wurde. Die anfängliche Freude verwandelte sich in eine Angst ums Überleben.

Probleme mit dem traditionellen Rollenbild

Denn an dem unaufhaltsam näher rückenden Ende ihres Mannes hing nicht nur Marias Zukunft, sondern auch die der gemeinsamen Kinder. Die Rente des Soldaten war klein und Sozialleistungen gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Während des Krieges hatten die Frauen an der Heimatfront notgedrungen eine Art geliehene Emanzipation erhalten. Doch mit Erblühen der Weimarer Republik drohte dies wieder durch das traditionelle Rollenbild des Mannes als alleinigem Versorger ersetzt zu werden. Das war für Maria Bleibrunner keine Option, so entschloss sie sich für einen mutigen Schritt: sich selbstständig zu machen.

Ein Archivbild der Belegschaft des Modehauses: Die Enkelin der Gründerin Ilse Noack (links) und ihre Mutter Katharina (rechts).

Kleines Haus am Ende des ehemaligen Herzoggangerls

Also eröffnete Maria Bleibrunner in Neumarkt an der Rott die erste Wäscherei mit Stärken und Bügeln. Zu dieser Zeit waren gestärkte Plastronkragen der Männerhemden und bunte Kopftücher für die Damen angesagt. Dazu erwarben die Bleibrunners 1925 ein kleines Haus am Ende des ehemaligen Herzoggangerls, dem heutigen Stadtplatz Nummer 5.

Mit eingeseifter Wäsche bis zur Rott

Alles lief gut, doch die Arbeit war mühsam. Denn die eingeseifte Wäsche musste bis hinunter an die Rott getragen werden, um sie vom Waschmittel zu befreien. Vollautomatische Waschmaschinen kamen in Deutschland erst 1951. Als geschäftstüchtige Frau merkte Bleibrunner schnell, was ihre Kunden noch brauchten, und so fügte sie ihrem kleinen Laden Stoffe, Stoffreste sowie Kurzwaren hinzu.

Die Zeitungsannoce mit der Gründerin Maria Bleibrunner, wie damals üblich, ihre Wäscherei ankündigt.

Der Erfolg war so groß, dass sie 1931, mit beinahe 40, die harte Arbeit der Wäscherei aufgeben konnte und sich fortan nur noch mit dem Verkauf von Stoffen und Kurzwaren den Lebensunterhalt verdiente. Als fünf Jahre später ihr Mann starb, waren Maria Bleibrunner und ihre Kinder gut versorgt.

Sohn musste an die Front

Ein Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vollzog Marias Tochter Katharina eine Einzelhandelslehre, um später das Geschäft zu übernehmen. Doch mit Beginn des Krieges musste die kleine Familie wieder ums Überleben kämpfen; zumal der einzige Sohn an die Front geschickt worden war.

In dieser Zeit bezahlten die Bäuerinnen für die schönen Stoffe im Geschäft mit einem Stück Butter oder Fleisch, Tochter Katharina konnte in der Nahrungsmittelknappheit durch ihre Kochkenntnisse viele unterernährte Schulkinder mit Essen versorgen.

Lebensweisheiten von der Oma mitbekommen

Trotz vieler Schicksalsschläge – dass etwa Mann und Bruder nicht aus dem Krieg heimkehrten, das Geschäft mühsam wieder aufgebaut werden musste – fand Katharina eine zweite Liebe. Aus dieser Ehe ging Tochter Ilse hervor. Sie würde den kleinen Laden einmal in ein bekanntes Modehaus verwandeln.

Heute werden im Stadtplatz 5 und 6 fair gehandelte Blumen, Biolebensmittel und mehr verkauft.

Doch zunächst wuchs die kleine Ilse unter der Obhut der Oma auf. Von ihr lernte sie all die Lebensweisheiten, 1988 übernahm sie den Familienbetrieb.

„Eigentlich wollte ich Lehrerin werden!“

Ilse Noack

„Eigentlich wollte ich Lehrerin werden“, sagt Ilse Noack heute. Aber dank ihrer kaufmännischen Ausbildung, zwei Semestern Modefachschule und der verantwortungsvollen Position als Leiterin eines großen Münchner Kaufhauses, konnte sie das Geschäft erfolgreich weiterführen. Denn die Modewelt lag ihr im Blut und der kleine Laden wurde zum Mode-Salon, der sogar bis nach Österreich bekannt wurde.

2008 kame die Schließung – schweren Herzens

Doch als sie entschied, der Liebe den Vorrang zu geben und von Bayern zu ihrem Mann ins Rheinland zu ziehen, stand für sie im Jahr 2008 schweren Herzens die Schließung des Geschäftes an. Ihre verwaisten Geschäftsräume am Neumarkter Stadtplatz hatten anfangs mehrere Pächter, bis Ilse schließlich eine Seelenverwandte traf. „Die Ilse hat mich gefragt, ob der Laden nicht was für mich wäre“, erzählt Sandra Prieschl lachend, die seit 2020 mit ihrem Geschäft „Querdurchsbeet“ Pächterin ist.

Die Frauenpower ist auch nach 2008 geblieben

Genau wie in Ilses Familie als roter Faden erkennbar, hat auch Sandra Prieschl die Frauenpower, um eigene Projekte erfolgreich umzusetzen. „Wir sind beide Menschen, die immer an das Gute im Menschen glauben und so unseren Weg gehen“, erklärt Sandra Prieschl nachdenklich. Denn als sie mit ihrem innovativen Konzept Blumen, Bio und mehr am Neumarkter Stadtplatz startete, war das nicht ohne Risiko. Das Ladensterben vor Ort machte ihr Sorgen.

Aus dem Modehaus wurde „Querdurchsbeet“

Bevor sie die für „Querdurchsbeet“ einzigartige Sortiment-Mischung fand, probierte sie viele Branchen aus und kam zu dem Schluss: „Ich kann nur ehrlich Dinge verkaufen, von denen ich selbst überzeugt bin, dann passt das.“ So hat sie seit 2019 ein festes Team an Gleichgesinnten ähnlicher Frauenpower gefunden, die sie als Floristinnen und Verkäuferinnen durch dick und dünn begleiten: „Wir sind wie eine Familie.“

Kommentare