Was mich freut, was mich ärgert
Wenn der Fahrplan nur noch unverbindlich ist: So blumig umschreibt die Bahn ein besonderes Ärgernis
Wer mit der Bahn fährt, hat oftmals etwas zu erzählen: Dazu gehören in vielen Fällen Verspätungen oder Zugausfälle. Das ärgert Andreas Link, der in Neumarkt-St. Veit im Archiv arbeitet. Er hat sich eine ganz besondere Liste zusammengestellt.
Neumarkt-St. Veit – Wer mit der Bahn fährt, muss immer damit rechnen, dass der Zug Verspätung hat oder im schlimmsten Fall sogar ganz ausfällt. Das ist ein Umstand, der es vielen verleidet, die Bahn zu nutzen. Andreas Link ist froh, dass er die Bahn nicht mehr nutzen muss. Der 72-Jährige ist viele Jahre berufsbedingt nach München gependelt. Der gebürtige Regensburger hat Geschichte und Politik studiert und war zuletzt in der Wahlforschung tätig.
Fünf Millionen Scans im Archiv
Vor zwölf Jahren ist er von Ampfing nach Neumarkt-St. Veit umgezogen und seit rund elf Jahren sitzt er ehrenamtlich im Archiv des Rathauses. Dort hat er mit der Digitalisierung aller Akten und relevanten Unterlagen begonnen. „Rund fünf Millionen Scans habe ich schon gemacht“, meint er.
Doch die Bahn hat ihn über all die Jahre nicht losgelassen: Er verfolgt immer noch alle Nachrichten rund um die Deutsche Bahn und die Südostbayernbahn (SOB). Vor kurzem haben sich die OVB Heimatzeitungen wieder einmal mit dem Fahrplan und der Pünktlichkeit der Bahn auseinandergesetzt. Dazu ergänzend meint er, dass die Bahn „neben dem Pünktlichkeitsproblem ein mindestens genauso massives Problem damit hat, dass die SOB überhaupt fährt.“ Er hat auf seinem X-Account (früher Twitter) eine Liste angelegt, mit der er alle Gründe sammelt, weshalb Züge der Südostbayernbahn ausfallen.
Die Ursachen hat die Bahn fein säuberlich auf ihrem eigenen X-Account dargestellt. Plötzliche Personalausfälle und technische Schäden an Fahrzeugen und Strecke werden dort unter anderem als Ursachen angegeben. „Es hat in letzter Zeit sogar den Fall gegeben, dass Neumarkt-St. Veit kurzfristig aus Richtung Mühldorf nicht erreichbar war, da Züge nach Landshut und Passau plötzlich ausfielen“, weiß Andreas Link.
Seit kurzem gibt es einen neuen Zugausfallgrund, hat Andreas Link festgestellt. So taucht jetzt immer wieder mal auf dem X-Account der SOB die Meldung auf: „RB 47 / ersatzloser Ausfall RB 27435 am 01.08.2024 zw. #Mühldorf (ab 19:34 Uhr) und #Garching/Alz (an 19:45 Uhr) wegen einer Betriebsstabilisierung. Bitte nächstmögliche Verbindung nutzen.“ Andreas Link ergänzt, dass die Bahn aus seiner Sicht bis zum nächsten Fahrplanwechsel auch schon mal Bahnverbindungen ausfallen lässt.
Dabei ärgert ihn besonders, dass er täglich den X-Account der Südostbayernbahn verfolgt und feststellen muss, dass die Zahl der Störungen im weitesten Sinne anwächst, ohne, dass sich was ändert. Tatsachen, die auch andere Bahnfahrer bestätigen, die zum Beispiel regelmäßig nach München pendeln.
Nachgefragt bei der Pressestelle der Deutschen Bahn AG, gibt es eine Pauschalantwort mit dem Verweis auf Internetseiten, auf denen Details zu Störungen und Ersatzverkehr stehen. Wörtlich bedauert die Bahn-Sprecherin, die namentlich nicht genannt werden möchte, die Unannehmlichkeiten: „Aufgrund von geplanten Bauarbeiten, aber auch durch kurzfristige Ereignisse wie Personalengpässe oder Fahrzeugstörungen kann es zu (Teil)ausfällen und Verspätungen kommen.“ Die Bahn versuche, für die Fahrgäste Alternativen anzubieten und einen Ersatzverkehr zu ermöglichen.
Ferner bittet die Bahn ihre Fahrgäste, sich vor Fahrtantritt über ihre Verbindung zu informieren, etwa in der Reiseauskunft unter bahn.de oder in der App DB Navigator. „Wir informieren auch auf der Internetseite der SOB und über den Streckenagenten über die aktuelle Betriebslage.“
Eingleisigkeit provoziert Verspätungen
Zum Begriff „Betriebsstabilisierung“ befragt heißt es seitens der Bahn: „Zur Stabilisierung der Pünktlichkeit wenden die Züge vorzeitig, da sich aufgrund der fast ausschließlichen Eingleisigkeit unserer Strecken die Verspätung auf Gegenzüge und auch andere Strecken übertragen würde.“
Die Bahn-Sprecherin bestätigt, dass es auf der Strecke von Mühldorf nach München im August Teilausfälle wegen Langsamfahrstellen gegeben haben. „Zudem gab es geplante Ausfälle des Taktverstärkers frühmorgens und abends.“ Es sei im Ferienmonat auch zu einigen Ausfällen bedingt durch Störungen am Zug gekommen. Im September werden Teilausfälle aus betrieblichen Gründen sowie wegen kurzfristigen Personalmangels und technischer Störungen am Zug genannt.
Verfügbarkeit von Zügen „stabil“
Die Vermutung wurde bereits geäußert, dass es zum Beispiel an Zügen fehle, deswegen Fahrten komplett ausfallen. Dazu sagt die Bahn lediglich: „In dieser Beziehung hat sich die Lage in den letzten Wochen stabilisiert.“
Im Dezember steht der nächste Fahrplanwechsel an. Aufgrund der Erfahrungen in den vergangenen Wochen besteht die Sorge, einzelne Fahrten könnten komplett gestrichen werden. Doch hier hält sich die Bahn bedeckt, sie bittet um „Verständnis und Geduld bis zur Kommunikation des Fahrplans. Aktuell stehen noch nicht alle Details abschließend fest.“
Das Problem des Fachkräftemangels
Die Sprecherin der Bahn verhehlt nicht, dass der Fachkräftemangel auch an der Bahn nicht spurlos herbeizieht. „Neue Mitarbeitende zu finden, ist für Unternehmen schwieriger geworden. Bei der SOB ist die Personalsituation bei den Lokführern derzeit angespannt.“ Dazu kämen kurzfristige Krankmeldungen, die oftmals nicht mehr auf die Kürze der Zeit abgedeckt werden können.
Lokführer in nur einem Jahr
Die SOB befinde sich in einer kontinuierlichen Rekrutierung und Ausbildung der Lokführer. „So bilden wir jedes Jahr unter anderem zwei Gruppen an sogenannten Quereinsteigern aus, das heißt Personen, die eine abgeschlossene Ausbildung in den unterschiedlichsten Berufen haben. Wir machen diese innerhalb eines Jahres fit für den Beruf des Lokführers.“
