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Bekannter Obdachlosen-Autor

„Helfen kann jeder, das kostet nix“: Bestseller-Autor Richard Brox in Egglkofen

Interessiert aber auch betroffen hören Thomas Mayrhofer, Ilse Preisinger-Sontag (von links) und Pfarrer Markus Hochheimer (rechts) den Erzählungen von Richard Brox über die Welt der Obdachlosigkeit zu.
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Interessiert, aber auch betroffen hören Thomas Mayrhofer, Ilse Preisinger-Sontag (von links) und Pfarrer Markus Hochheimer (rechts) den Erzählungen von Richard Brox über die Welt der Obdachlosigkeit zu.

„Jeder, der auf der Straße leben muss, hat Hilfe verdient“: Bestsellerautor Richard Brox liest im Pfarrheim Egglkofen aus seinem Buch „Deutschland ohne Dach“. Die Zuhörer sind beeindruckt und betroffen zugleich. Und Brox verrät seinen größten Wunsch.

Egglkofen – Es war eine Deutschland-Premiere, die im Pfarrheim von Egglkofen stattfand. Der Bestsellerautor Richard Brox, der vor seiner Autorenkarriere 30 Jahre auf der Straße gelebt hatte, las aus seinem zweiten Buch „Deutschland ohne Dach“ und stellte sich anschließend den Fragen der Besucher.

Thema Obdachlosigkeit soll in die Köpfe der Menschen

Er ist eine beeindruckende Persönlichkeit: Unübersehbar mit schwarzer Lederjacke sitzt er auf dem Podium im Pfarrheim. Neben ihm Hausherr Pfarrer Markus Hochheimer, die stellvertretende Landrätin Ilse Preisinger-Sontag und Egglkofens Zweiter Bürgermeister Thomas Mayrhofer. Sie sind einerseits gespannt und andererseits merklich verunsichert, was sie bei dieser Autorenlesung erwartet. Richard Brox hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Thema Obdachlosigkeit in die Köpfe der Menschen zu bringen.

In der Familie nie Liebe und Zuwendung erfahren

Deshalb hat er in seinem ersten Buch „Kein Dach über dem Leben“ sein Leben auf der Straße aufgeschrieben. Die Betroffenheit der Zuhörer ist spürbar, als der 59-Jährige seine Kinder- und Jugendzeit schilderte. Er wuchs in einem Stadtteil von Mannheim auf, der als sozialer Brennpunkt galt. „Alkohol, Drogen, Gewalt und Missbrauch gehörten hier zum Alltag“, so Brox. Auch er selbst hatte Missbrauch erfahren, kam mit fünf Jahren zum ersten Mal in ein Heim, galt als schwererziehbar und verweigerte die Schule.

Aus Faszination wird eine Lesung

Der Kontakt zu dem Bestsellerautor Richard Brox kam durch die Egglkofenerin Teresa Fischereder zustande. Sie hatte vor ein paar Jahren eine Sendung mit Richard Brox im Fernsehen gesehen und war „ziemlich fasziniert“, wie sie am Rande der Lesung erzählte. Anschließend hatte sie sich das erste Buch von Brox gekauft, das sie „sehr bewegt hat“. Sie las regelmäßig den Blog von Richard Brox, spendete Geld und suchte den Kontakt mit ihm. So habe sich eine lose Verbindung entwickelt, die dann allerdings wieder etwas abgerissen sei. Im vergangenen Jahr „läutete das Telefon und Herr Brox war dran, ich war total überrascht“, erinnert sich Teresa Fischereder. Seitdem seien sie wieder regelmäßig im Kontakt und das habe zu der Lesung im Egglkofener Pfarrheim geführt. Wegen der positiven Resonanz sei geplant, dass im Jahr 2024 auch eine Lesung in Mühldorf organisiert wird.

In seiner Familie hatte er nie Liebe oder Zuwendung erfahren. „Es gab keine Umarmung, keine Nestwärme, ich hatte das Gefühl, meine Eltern waren innerlich tot“, beschrieb er es. Erst an ihrem Sterbebett erzählte ihm seine Mutter ihre Lebensgeschichte. Vater und Mutter waren polnische Juden, die die Nazizeit nur mit Mühe überlebt hatten. Ihre Erlebnisse im KZ Ravensbrück beziehungsweise dem berüchtigten Wehrmachtsgefängnis in Graz haben sie komplett aus der Bahn geworfen und sie haben ihr Leben nie mehr in den Griff bekommen. Brox selbst wurde bereits mit 13 drogenabhängig, landete in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und im Jugendgefängnis. Nachdem er einen stationären Drogenentzug gemacht hatte, war er als Berber, wie er sich selbst bezeichnet, 30 Jahre auf der Straße unterwegs.

Das Schicksal von Gerd bewegte die Zuhörer

In seinem zweiten Buch „Deutschland ohne Dach“ lässt er Obdachlose zu Wort kommen, um deren Schicksal aufzuzeigen. „Es sind Menschen, die aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden und oftmals unverschuldet obdachlos geworden sind“, sagt er. Er erzählte die Geschichte von Gerd, den er in einem Obdachlosenheim in Niedersachsen traf und dort bis zu seinem Tod begleitete. Gerd hatte er „als Quartalstrinker kennengelernt“. Es war aber sein Schicksal, das ihm seine Energie, seine Kraft und seine Lebensfreude raubte. Gerd sei ein liebenswerter Mensch gewesen. „Er war Ingenieur, verheiratet, hatte ein Kind, und ein zweites war unterwegs“, beschrieb es Richard Brox. Eines Tages erhielt er einen Anruf in der Arbeit, dass seine schwangere Frau mit dem Kind auf der Autobahn verunglückt war. „Damit war sein Absturz vorprogrammiert“. Er suchte Trost im Alkohol und verlor alles.

Richard Brox würde gerne ein Hospiz für Obdachlose schaffen

Als Gerd in dem Obdachlosenheim starb, war er ganz alleine. Bei seinem Begräbnis waren lediglich Richard Brox und ein Pfarrer dabei. Das sei für ihn ein Schlüsselerlebnis gewesen, so Brox. Er beschloss, denen zu helfen, die sich nicht mehr selbst helfen können: todkranken Obdachlosen. Sein Ziel wäre es, ein Hospiz für Obdachlose zu schaffen. Dafür sammelt Richard Brox auch Spenden, sein Buch wird mittlerweile auch als Lehrbuch an der Hochschule für den Fachbereich Sozialpädagogik verwendet.

Die eindrückliche Schilderung seiner Erlebnisse sorgte dafür, dass die Betroffenheit der Zuhörer im Pfarrheim spürbar war und Ilse Preisinger-Sontag stellte eine Frage, die sich viele Zuhörer stellten: Wie kann man auf der Straße überleben? Richard Brox zählte hier Wärmestuben, Pfarrämter oder Tafeln auf, wo man um Essen bitten konnte. In öffentlichen Hallenbädern konnte man sich ebenfalls aufwärmen und duschen. Am Vormittag konnte man sich in Gewerbegebieten um Tagelöhnerjobs bemühen.

Ein paar Euro tun nicht weh und helfen Obdachlosen

Richard Brox regte an, dass jeder immer ein paar Euro in seiner Hosentasche haben solle, um Bedürftigen etwas geben zu können. „Das macht sie nicht ärmer, aber hilft einem Obdachlosen“. Gleichzeitig meinte er, jeder, der auf der Straße leben muss, habe Hilfe verdient; auch wenn er sie dann in Alkohol umsetzen sollte. Brox empfahl, man solle sein Bauchgefühl entscheiden lassen, als er auf bandenmäßig organisierte Bettler angesprochen wurde.

Am Ende meinte Ilse Preisinger-Sontag, alle hätten etwas dazugelernt. Sie zweifelte daran, ob sie das alles aufschreiben und erzählen könnte, was Richard Brox erlebt hatte. Thomas Mayrhofer zollte Richard Brox seinen tiefen Respekt. Gleichzeitig rief er dazu auf: „Jeder kann etwas machen, jeder kann auch mal bei einem Obdachlosen stehen bleiben und seinen Kontakt suchen. Jetzt geht es ums Machen; im Sinne der christlichen Nächstenliebe“. Er werde das Thema auf alle Fälle noch einmal aufgreifen.

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