„Notsituation“ droht
„Schallende Ohrfeige“ für Jobcenter: Landrat Heimerl knöpft sich Heil und Lindner vor
So wie es derzeit mit dem Jobcenter läuft, kann es nach Ansicht von Mühldorfs Landrat nicht weitergehen. Die OVB-Heimatzeitungen haben nachgefragt, was jetzt gebraucht wird, um der befürchteten Misere zu entgehen.
Mühldorf - Landrat Max Heimerl hat einen dringenden Appell an die Bundesminister Hubertus Heil (Arbeit und Soziales) und Christian Lindner (Finanzen) gerichtet. Er beklagt in einem Schreiben an die beiden Regierungsmitglieder, dass das Jobcenter des Landkreises Mühldorf geradewegs in eine „personelle und finanzielle Notsituation“ steuere. Er fordert die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für die Jobcenter schnellstmöglich so zu gestalten, dass die vom Bund zugewiesenen Aufgaben auch ordnungsgemäß erledigt werden können.
„Mit hoher Leistungsbereitschaft und -fähigkeit sowie unter Rückstellung persönlicher Belange“ hätten die Mitarbeiter im Jobcenter in den vergangenen Monaten etwa den Übergang der Ukraine-Flüchtlinge in SGB II - Hartz IV oder Bürgergeld - gemeistert, sagt Heimerl. „Der damit verbundene zusätzliche Aufwand spiegelt sich jedoch ebenso wenig im Budget für 2023 wider wie die steigenden Antragszahlen“, macht Heimerl seinem Ärger in einer Pressemitteilung Luft. Trotz des Mehraufwands werde das Budget des Jobcenters Mühldorf statt erhöht sogar noch um 555.604 Euro oder 8,7 Prozent gegenüber 2022 gekürzt und für das dringend erforderliche zusätzliche Personal gebe es keine einzige zusätzliche Stelle.
Schallende Ohrfeige für Mitarbeiter
„Dies ist angesichts der schon absehbaren zusätzlichen Aufgaben wie Bürgergeld, Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten und Entfristung des Teilhabechancengesetzes für die Mitarbeiter, aber auch für uns als Verantwortliche vor Ort eine schallende Ohrfeige“, sagt Heimerl. Seine Forderung, auch in seiner Funktion als Mitglied der Trägerversammlung des Jobcenters: „Die Bundesmittel müssten zeitnah den Realitäten vor Ort angepasst und deutlich angehoben werden.“
In der Antwort aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist Staatssekretärin Leonie Gebers auf finanzielle Verbesserungen im Gesamtbudget SGB Il seit dem Jahr 2019 hin. Die Zahl der vom Jobcenter Mühldorf betreuten Leistungsberechtigten sei allerdings in dem für die Mittelverteilung 2023 maßgeblichen Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr um 9,6 Prozent gesunken. „Dass sich diese Entwicklung in einer moderaten Reduzierung der Mittelausstattung widerspiegelt, ist folgerichtig“, stellt die Staatssekretärin fest.
Budget im falschen Zeitraum berechnet
Für Landrat Max Heimerl ist das zwar formal zutreffend, „geht aber in keiner Weise auf die konkreten finanziellen und personellen Nöte unseres Jobcenters ein.“ Er rechnet anders: „Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften insbesondere durch die ukrainischen Flüchtlinge hat sich erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 gesteigert und damit nicht in dem für die Mittelberechnung maßgeblichen Zeitraum, der am 30. Juni 2022 endete.“ Auf Basis der aktuellen Zahlen stünden demnach in 2023 für deutlich mehr Leistungsberechtigte fünf Prozent weniger Eingliederungsmittel als im Jahr 2022 zur Verfügung.
Heimerl appelliert auch an die Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer und Sandra Bubendorfer-Licht: „Bitte setzt Euch dafür ein, dass die Bundesmittel zeitnah den Realitäten vor Ort angepasst und deutlich erhöht werden.“
Ein paar Zahlen zum Jobcenter Mühldorf
Für das Jahr 2023 stehen dem Jobcenter 69,5 Vollzeitstellen zur Verfügung. Diese teilen sich auf insgesamt 76 Personen auf. Aufgrund von, zum Beispiel krankheitsbedingten, Ausfällen und Vakanzen bei Besetzungen sind derzeit 72 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Voll- oder Teilzeit für das Jobcenter Mühldorf am Inn tätig (Stand Dezember 2022).
„Um angesichts des zusätzlichen Aufwands für Beratung und Betreuung der Hilfebedürftigen aus der Ukraine das Betreuungsniveau zu halten und um die Steigerungen und Belastungen in der Zukunft besser abfedern zu können, wären aus Sicht des Landkreises vier zusätzliche Vollzeitstellen nötig“, teilt Landratsamts-Pressesprecher Wolfgang Haserer aus Nachfrage mit.
Beim Budget habe der Bund schon etwas - aber aus Mühldorfer Sicht nicht ausreichend - nachgebessert. „Nach Interventionen der Jobcenter und Landkreise hat der Bund zusätzlich 500 Millionen Euro für die Jobcenter zur Verfügung gestellt“, erklärt Haserer weiter. „Davon wurden 400 Millionen Euro bereits verteilt, wobei auch das Jobcenter Mühldorf zusätzliche Mittel zugeteilt bekommen hat.“ Dadurch sei das Mühldorfer Minus im Vergleich zum Vorjahr geringer geworden und liege aktuell noch bei 316.643 Euro, was ein Minus von 4,95 Prozent bedeutet. „Die Verteilkriterien und den Zeitpunkt für die vom Bund in Aussicht gestellten 100 Millionen Euro für Ukrainer hat die Regierung bis dato noch nicht festgelegt.“
