Für 16.000 Euro alle drei Jahre
Kampf um Pflegeschüler: Landkreis will Berufsschule in Mühldorf vom TÜV zertifizieren lassen
Die Pflegeschüler am Beruflichen Schulzentrum (BSZ) Mühldorf werden immer weniger. Gesetzliche Vorgaben sind mit ein Grund. Nun will der Landkreis einen unorthodoxen, aber kostspieligen Weg aus der Misere einschlagen.
Mühldorf - Es klingt kurios: Zu dem großen Rückgang der Schülerzahlen im pflegerischen Bereich am Beruflichen Schulzentrum Mühldorf beigetragen hat eine nicht vorhandene „private“ Zertifizierung einer „staatlichen“ Einrichtung.
Wie das Landratsamt Mühldorf auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen ausführt, schreibt das seit Januar 2019 geltende „Gesetz der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung“ einen Zwang zur Zertifizierung der Berufsfachschulen für Pflege - unter anderem durch den TÜV - vor. „Noch bis zum Schuljahr 2019/2020 konnte das BSZ als staatliche Schule von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Schülerinnen und Schüler (Umschüler) auch ohne Zertifizierung aufnehmen“, so das Landratsamt.
Hubertus Heil lenkt nicht ein
Was also tun, wenn die gesetzlichen Grundlagen gegen die einzige staatliche Pflegeschule weit und breit arbeiten? Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sei seitens der bayerischen Staatsregierung und des CSU-Wahlkreisabgeordneten Stephan Mayer mehrfach auf diesen Missstand hingewiesen worden - ohne Erfolg. Da von einer Aufhebung der Zertifizierungsnotwendigkeit selbst für eine staatliche Schule in absehbarerer Zeit nicht auszugehen ist, „beabsichtigt der Landkreis Mühldorf als Sachaufwandsträger die Schule durch eine „fachkundige“ Stelle zertifizieren zu lassen, um dem Rückgang der Pflegeschülerzahlen schnellstmöglich entgegenzuwirken“, heißt es weiter aus dem Landratsamt.
Kultusministerium noch gegen Zertifizierung
Bisher lehne das bayerische Kulturministerium diese Vorgehensweise jedoch ab. Nicht ohne Grund sei - so ordnet das Landratsamt den Vorgang selbst ein - „eine Zertifizierung staatlicher Schulen durch private Institutionen, um Zuschüsse vom Bund zu erhalten, in sich nicht schlüssig.“ Um nicht zu sagen paradox. Noch dazu, wenn für eine Zertifizierung durch den TÜV Südostbayern ein Kostenaufwand von 16.000 Euro alle drei Jahre verbunden ist.
Pflege-Bachelor als Pluspunkt entfällt
Der Pflegeausbildung Mühldorf einen Schlag versetzt haben dürfte bereits die Auflösung des zunächst am Campus Mühldorf eingerichteten Pflege-Bachelors. So manch ein Pflegeschüler am BSZ hat auf diese Weiterbildungsmöglichkeit direkt vor der Haustüre gebaut, wie die OVB-Heimatzeitungen berichteten. Ob diesbezüglich das letzte Wort gesprochen oder auf eine Rückkehr dieses Pflegeabschlusses zu hoffen ist? „Der Campus stößt in seiner aktuellen Struktur bereits an die Kapazitätsgrenze. Überlegungen zu einer zusätzlichen inhaltlichen Ausrichtung können wir erst anstellen, wenn die Voraussetzungen für eine räumliche Weiterentwicklung geschaffen sind“, erläutert Landrat Max Heimerl auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen.
Heilerziehungspflege als Ausweg?
Was bleibt, ist die Flucht nach vorne. Entweder indem das BSZ zumindest die Umschüler mit einer nachgeholten Zertifizierung zurückholt. Oder auch indem neue Pfade gesucht werden: Wie die OVB-Heimatzeitungen berichteten, möchte die Schulleitung am BSZ zum Schuljahr 2023/2024 eine Fachschule für Heilerziehungspflege einrichten - mit finanzieller Unterstützung des Landkreises. „Dadurch würden das bestehende Bildungsangebot am BSZ ideal ergänzt und Synergieeffekte aus den bereits bestehenden Fachschulen genutzt“, heißt es aus dem Landratsamt mit Verweis auf ein großes Einzugsgebiet mit den Landkreisen Altötting, Erding, Ebersberg oder Landshut, wo es keine derartige Schule gebe. Die Entscheidung trifft letztlich das bayerische Kultusministerium.
Bleibt die Frage offen, was mit der Pflege in Mühldorf passiert, wenn die Heilerziehungspflege nicht ans BSZ kommt - und die generalistische Pflegeausbildung weiter auf dem abbrechenden Ast in Form sinkender Schülerzahlen sitzt.