Zu wenig Organspenden
Start in ein neues Leben: Mühldorferin wartete elf Jahre auf eine Spender-Niere
Elf Jahre lang hat Derya Eliacik auf eine neue Niere gewartet. Dann veränderte ein Anruf mitten in der Nacht ihr Leben. Über eine Frau, für die 2023 ein ausgezeichnetes Jahr war – und die einem Unbekannten ihr neues Leben verdankt.
Mühldorf – Es war am Mittwoch, 28. Juni 2023, genau um 2.48 Uhr, als sich Deryas Leben komplett verändert hat. Mitten in der Nacht klingelte das Handy der Mühldorferin. „Ich habe gesehen, dass es eine Münchner Nummer war, und wusste sofort, meine Niere ist da.“ Das mag seltsam klingen, aber seit elf Jahren stand ihr Name auf der Warteliste für eine Transplantation. War langsam aber stetig einen Platz um den anderen an die Spitze geklettert.
„Glückwunsch. Ihr Spenderorgan ist da“
„Ich dachte noch, passiert das jetzt wirklich?“, erinnert sich die 31-Jährige an diesen absoluten Gänsehautmoment. Der Anrufer fragte noch, ob sie momentan erkältet sei. Als Derya sagte, sie sei vollkommen gesund, teilte ihr die Stimme am Telefon mit: „Dann herzlichen Glückwunsch. Ihr Spenderorgan wäre da!“ – „In diesem Moment konnte ich nur noch weinen“, erzählt die junge Frau. Jahrelanger Druck löste sich auf, sie war nur noch aufgeregt und glücklich.
Rückblick: Schon im zarten Alter von nur eineinhalb Jahren hatte Derya Eliacik ihre erste große Operation. Von Geburt an hatte sie ein Loch im Herzen, das nur operativ geschlossen werden konnte: „Bei den Voruntersuchungen wurde damals festgestellt, dass ich superkleine Nieren habe, sogenannte Schrumpfnieren.“ Die machten ihr aber jahrelang keine Probleme.
Ihre Schrumpfnieren wurden immer schlechter
Erst bei einer Untersuchung mit etwa 17 Jahren, fiel auf, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. „Es hieß, ich hätte zu viel Eiweiß im Urin“, berichtet sie. „Ich dachte, na ja, vielleicht hab ich einfach zu viel Joghurt gegessen.“ Leider steckte eine Nierenkrankheit dahinter, die dazu führte, dass ihre Nieren immer schlechter arbeiteten.
„Schon damals wusste ich, dass ich irgendwann Dialyse brauchen würde“, doch das konnte sie noch zwei Jahre lang mit der Einnahme von Tabletten hinauszögern. Trotzdem wurde ihr in Vorbereitung darauf sofort ein Shunt gelegt. Über diese operative Verbindung einer Vene und einer Arterie im Arm, wird die Dialyse durchgeführt.
Mit 19 Jahren dreimal pro Woche Dialyse
Als sie 19 Jahre alt war, musste sie dreimal pro Woche für jeweils vier Stunden zur Blutwäsche. „Während andere in meinem Alter gefeiert haben, saß ich im Dialysestuhl.“ Heute kann Derya darüber lachen, doch es war eine harte Zeit für sie. Jeden Montag, Mittwoch und Freitagabend kam sie nach ihrer Arbeit von 18 bis 22 Uhr an die Nadel.
Ab Tag eins der Dialyse stand sie auf der Warteliste für eine Organspende. „Für mich war klar, dass ich ein Spenderorgan will“, sagt Derya. „Ich hatte schon damals einen großen Kinderwunsch.“ Mit Dialyse wäre der aber nur schwer zu erfüllen.
Wegen Kinderwunsch wollte sie die Transplantation
Zurück zu dem erlösenden Anruf aus München im Juni 2023. Derya Eliacik berichtet: „Ich habe versucht, meine Freundin anzurufen, denn sie wollte mich in die Klinik fahren, aber sie hat das Telefon nicht gehört.“ Also packte die Mühldorferin eilig eine Tasche zusammen, setzte sich ins Auto, fuhr zu ihrer Freundin nach Burgkirchen und klingelte sie aus dem Bett. „Meine Niere ist da, war das Erste, was ich zu ihr gesagt habe“, danach ging alles ganz schnell. „Kurz nach 5 Uhr früh waren wir schon im Klinikum Rechts der Isar in München.“ Eine klare Erinnerung an die Stunden nach dem Anruf hat sie nicht. „Es ging alles wie in einem Film an mir vorbei.“
Leben mit drei Nieren im Körper
Nach einer verkürzten Dialyse wurde Derya gegen 10.30 Uhr in den OP geschoben: „Der Professor fragt mich noch scherzhaft, ob ich ein Organ möchte. Natürlich war ich bereit.“ Nach der Transplantation wachte die junge Frau mit drei Nieren in ihrem Körper auf. „Die meisten denken, dass eine Niere rausgenommen und durch das Spenderorgan ersetzt wird“, erklärt sie. „Das stimmt aber nicht. Meine beiden nutzlosen Mini-Nieren sind noch drin, die dritte wurde mir in den Bauchraum eingesetzt und direkt mit der Harnblase verbunden.“
Nach der OP täglich 20 Tabletten
Ein halbes Jahr nach dem Eingriff in München geht es Derya Eliacik blendend. Sie hat alles seelisch und körperlich bestens verkraftet. Nach der OP musste sie täglich 20 Tabletten einnehmen, mittlerweile sind es „nur“ noch 14. „Aber das tue ich gern, ich vertraue den Ärzten blind und will mich gut um meine neue Niere kümmern“, beteuert sie. Dem Ärzte- und Pflegeteam von Rechts der Isar kann sie gar nicht genug danken: „Sie haben es mir leicht gemacht, das alles durchzustehen.“
„Seine Niere lebt in mir weiter“
Natürlich beschäftigt sie der Gedanke, dass sie ihre neue Niere von einem Toten bekommen hat. „Es ist zweischneidig“, sinniert sie. „Ich freue mich und auch meine Familie ist glücklich über dieses Organ. Auf der anderen Seite trauert eine Familie, weil sie einen Menschen verloren hat. Tod und Leben liegen so nah beieinander.“ Hat sie etwas über ihren Spender erfahren? „Mir wurde nur gesagt, es wäre genauso ein Jungspund gewesen wie ich“, sie lacht. „Ich finde es schön, dass dieses Organ jetzt in mir weiterlebt, spreche ab und zu mit meiner Niere und habe mich bei ihr bedankt.“
Es ist Deryas große Chance
Schon vor der Transplantation hat sie versucht, ihr Leben trotz Dialyse so frei wie möglich zu gestalten: „Aber jetzt beginnt es noch einmal von Neuem. Kinderkriegen, Reisen, ich hab so viel vor. Ich habe eine so große Chance bekommen.“ Die jahrelange Dialyse hat sich schon vergessen: „Aus den Augen aus dem Sinn. Ich erinnere mich gar nicht mehr daran.“
Viel mehr sollten zu Organspende bereit sein
Sie wünscht sich, dass viel mehr Menschen sich dazu entschließen, sich einen Organspendeausweis zu holen, wirbt dafür im Familien- und Freundeskreis. Und sie wünscht sich, dass auch in Deutschland endlich die Widerspruchsregelung gilt. „Dann ist jeder Organspender, außer er hinterlegt seinen Widerspruch bei einer Behörde.“ Sie freut sich, dass im Bundesrat aktuell wieder darüber diskutiert wird.
Sie klärt auf TikTok und Instagram auf
Derya redet offen über ihre Geschichte. Berichtet auf TikTok unter deryaaa.eli und Instagram unter derya_eliacik ausführlich über ihre Transplantation. Sie will aufklären, Ängste nehmen und für Organspende werben. „Ist es nicht schön, dass mir ein Fremder ein neues Leben ermöglicht hat?“, fragt sie und strahlt dabei wie das sprichwörtlich blühende Leben.