VVG-Geschäftsführer Brandmaier im Gespräch
Ist Fleisch bald nicht mehr für jedermann leistbar?
Mühldorf – Der neue Bundesagrarminister will bessere Fleischpreise für die heimischen Landwirte. Wir sprachen mit Sebastian Brandmaier, Geschäftsführer der Viehvermarktungsgenossenschaft Oberbayern-Schwaben (VVG), über diese Entwicklung.
Die Landwirte haben mit schlechten Schweine-Preisen bei den Fleischerzeugern zu kämpfen. Welche Ursachen sind aus Ihrer Sicht für die schlechten Preise verantwortlich?
Sebastian Brandmaier: Die Schweinepreise notieren seit Anfang Oktober bei nicht akzeptablen 1.20 Euro Kilogramm Schlachtgewicht. Die ausgefallenen Volksfeste, große Hochzeiten aber auch Beerdigungen, sowie die 2G Situation in der Gastronomie führen in Corona-Zeiten zu Absatzschwierigkeiten. Die Exportmöglichkeiten sind aufgrund von ASP weiterhin stark eingeschränkt. Bei Schweinefleisch sind die Lagerbestände derzeit extrem hoch! Die Betriebskosten und Futtermittel in der Landwirtschaft sind explodiert. Es ist keine kostendeckende Schweinehaltung und Ferkelerzeugung möglich.
Was hält die VVG davon, dass der heimische Einzelhandel verstärkt auf Fleisch aus Deutschland mit den genauen Daten wie Standort, Haltung, Gütezeichen setzen will?
Brandmaier: Grundsätzlich ist es positiv, dass der Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) verstärkt auf 5xD (5xD bedeute, dass künftig die gesamte Wertschöpfungskette Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung/Verarbeitung) in Deutschland stattfinden muss. Bei Frischfleisch muss sich die Produktion umstellen. Unsere Forderung ist, auch Verarbeitungsware und Fleisch in Fertigprodukten muss 5xD gekennzeichnet sein. Aus bayerischer Sicht sollten wir versuchen mit der Herkunft und Regionalität Bayern zu punkten (5x Bayern)! Der deutsche LEH, allen voran Aldi, fordert mit der Aussage „eine Frage der Haltung“ bis 2030 die Haltungsform 3 oder Haltungsform 4. Für die Landwirtschaft bedeutet das, enorme Investitionen im Stallumbau in Richtung Tierwohl und Außenklimareize bevorstehen. Langfristige vertragliche Absicherungen sind für die Landwirte zwingend erforderlich, um das Investitionsrisiko zu rechtfertigen.
Könnte mit dieser Entscheidung eine Veränderung des Fleischmarktes und damit der Dominanz des Einzelhandels erreicht werden?
Brandmaier: Eine Veränderung am Fleischmarkt wird nur stattfinden, wenn sich der LEH sowie die Gastronomie nicht über die Hintertüre wieder Billigangebote in die Fleischtheke holen. Das dann extrem teure Inlandsfleisch trifft auf billige No-Name Importware! Was macht der Verbraucher?
Sehen Sie mit dieser Ausrichtung bessere Preise für die Bauern?
Brandmaier: Sollten wir in der Lage sein, unsere Inlandsmärkte in Deutschland oder etwa Bayern besser abzugrenzen, ist eine Besserung der Preise vorstellbar!
Wie steht die VVG zur Forderung des neuen Landwirtschaftsministers, dass die Fleischpreise in in Deutschland in die Höhe steigen müssen?
Brandmaier: Mit der Aussage unseres neuen Ministers bin ich einverstanden - ein Schritt in die richtige Richtung.
Welche Forderungen soll die Politik erfüllen, damit die Landwirte mit dem Ertrag ihrer Höfe leben und weiter investieren können?
Brandmaier: Die Politik, muss die Rahmenbedingungen für den ganz normalen Familienbetrieb, den eigentlich jeder will, so abstimmen, dass dieser eine Chance zum Überleben hat.
Ist Fleisch bald ein Produkt, das sich nur begüterte Menschen oder Familien leisten können?
Brandmaier: Bei Rindfleisch, mit entsprechender Haltungsform, ist es durchaus realistisch, dass die Preise sich in absehbarer Zeit nicht mehr jeder Verbraucher leisten kann, bzw. leisten wird oder weniger Fleisch, dafür hochwertigeres gegessen wird.