Sozialverbände warnen, Bayerns Bauern positiv
Streit um Özdemirs Fleisch-Plan
Der Vorstoß des neuen Bundesagrarministers Cem Özdemir (Grüne) für höhere Lebensmittelpreise sorgt für Debatten. Bayerns Bauern begrüßen die Pläne.
„Die Debatte ist überfällig“, sagte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, unserer Zeitung. Fleisch dürfe nicht das Lockmittel sein, mit dem die Handelskonzerne ihre Kunden ködern. Es brauche seinen Preis, um die hohen Tierwohl-Auflagen der Landwirte auszugleichen. Der Deutsche Tierschutzbund sieht das ähnlich: „Es gibt kein Menschenrecht auf Billigfleisch“, sagte Präsident Thomas Schröder. „Ramschpreise verhindern ein Mehr an Tierschutz.“
„Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben“
Özdemir hatte – wie schon viele seiner Vorgänger – Dumpingpreise für Lebensmittel und Agrarprodukte angeprangert. „Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben. Sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima“, sagte er der „Bild am Sonntag“.
Doch es gibt auch Kritik an Özdemirs Aussage. So sagte etwa Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der „Welt“, höhere Auflagen beim Tierwohl würden ohnehin zu höheren Preisen führen. „Bei dieser Spirale, die man dann lostritt, muss man aufpassen, dass die kleinen Bauern nicht hinten runterfallen.“ Zudem dürften Sozialhilfeempfänger nicht aus den Augen verloren werden. Preissteigerungen müssten mit deutlich höheren Regelsätzen einhergehen.
Gegenwind für Özdemir-Pläne
Auch politisch erhält Özdemir Gegenwind. „Nicht jeder kann sich Bio-Produkte leisten“, sagte Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU). Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) betonte, über die Ziele in der Agrarpolitik – mehr Tierwohl, gesunde Nahrungsmittel, gutes Einkommen für die Bauern – herrsche längst Einigkeit. Doch so wie die Regierung das angehe, mit den Verboten der Grünen und der maximalen Marktliberalisierung der FDP, werde es nicht funktionieren.
Sozialer Ausgleich? Noch keine Details
Dazu, ob ein sozialer Ausgleich geplant sei, gab es von der Bundesregierung gestern wenig Details. Eine Sprecherin des Sozialministeriums verwies auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeld, das an die Stelle von Hartz IV treten soll. Schon heute flössen in die Neuberechnung der Grundsicherung auch Preissteigerungen bei Lebensmitteln ein.
Fragen zu den Auswirkungen höherer Preise von in Deutschland erzeugten Lebensmitteln ließ das Bundeslandwirtschaftsministerium unbeantwortet. Ein Sprecher sagte aber: „Es geht nicht darum, staatlich den Kilopreis von Fleisch oder vielleicht den Preis von einem Bund Möhren festzulegen.“
Aldi-Sprecher nimmt Stellung
Ein Sprecher von Aldi Süd betonte, die Einkaufspreise entsprächen grundsätzlich dem marktwirtschaftlichen Prinzip von Angebot und Nachfrage. „Unser Anspruch ist es, unseren Kunden zu jedem Zeitpunkt hohe Qualität zum bestmöglichen Preis anzubieten.“ Angebotspreise seien auch ein wichtiges Instrument, um Überkapazitäten abzubauen. Zuletzt hatten etwa Landwirte vom Handel Werbeaktionen gefordert, um den Schweinestau abzubauen. Der Sprecher verwies auch darauf, dass Aldi sich vorgenommen habe, das Frischfleisch-Sortiment auf die Haltungsformen 3 und 4 umzustellen.
Der Handelsverband HDE betonte: „Wenn der Gesetzgeber aus Gründen des Tierschutzes die Haltungsbedingungen auf den Höfen verbessern will, steht es ihm frei, mit gesetzlichen Maßnahmen direkt bei den für die Tierhaltung verantwortlichen Erzeugern anzusetzen.“ Der Handel werde noch stärker auf Regionalität und Herkunft setzen.
Im neuen Jahr soll auch eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und Wurst an den Start gehen. Die Verbraucherzentralen fordern eine Anhebung der gesetzlichen Standards. Der jetzige Mindeststandard sei unbefriedigend. Es dürfe außerdem nicht passieren, dass der Handel höhere Preise verlange, mehr Tierwohl aber nur vorgegaukelt werde. Der Bayerische Bauernverband pocht zudem auf die Umsetzung der ebenfalls angekündigten Herkunftskennzeichnung. Nur so könne sichergestellt werden, dass heimische Produkte nicht von Billigerzeugnissen aus dem Ausland verdrängt werden.
dpa/dg
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