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Jeder Anrufer findet einen Zuhörer

Telefon-Seelsorge Mühldorf: Rund um die Uhr ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen

Telefon-Seelsorge Mühldorf
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Andrea Fürnrohr leitet die Telefon-Seelsorge Mühldorf und ist auch selbst für die Anrufer da.

Die Tage rund um den Jahreswechsel bescheren der Telefon-Seelsorge viele Anrufer. Wenn die ganze Welt mit Familie und Freunden fröhlich zu feiern scheint, fühlen andere ihre Einsamkeit um so stärker und greifen zum Hörer.

Mühldorf - „Telefon-Seelsorge“ - mit diesen sachlich, aber freundlich gesprochenen Worten wird empfangen, wer die Nummer 0800 1110222 wählt. Der Mitarbeiter am Telefon meldet sich nicht mit Namen und auch der Anrufer darf anonym bleiben. Es geht nur um das, was der Anrufende auf dem Herzen hat, nicht um Name oder Herkunft.

„Niemand, der bei uns anruft, muss sich offenbaren“, betont Diplom-Psychologin Andrea Fürnrohr, Leiterin der Telefon-Seelsorge Mühldorf. Anonymität ist besonders in einem ländlichen Gebiet wie dem Landkreis Mühldorf, wo jeder jeden kennen könnte, wichtig. Aus diesem Grund gibt auch das Team der Telefon-Seelsorge von sich keine Namen preis.

Anonymität ermöglicht Offenheit

„Niemand wird zu etwas gedrängt“, bestätigt auch eine Mitarbeiterin mit Pseudonym „Felicitas“. Es geht darum, den Anrufenden ein offenes Ohr zu schenken. Zuzuhören. Da zu sein. Den Anrufer wertzuschätzen. „Ein vertrauliches Gespräch mit einer fremden Person fällt den Anrufern oft leichter“, wissen die beiden erfahrenen Seelsorgerinnen. „Diese Anonymität ist ein großer Schutz, sie ermöglicht die Offenheit, über alles reden zu können, ohne sich auszuliefern.“ Persönlichste Sorgen, Ängste und Probleme vor Freunden oder Bekannten auszusprechen falle den meisten viel schwerer.

„Der Bedarf der Menschen in Not ist wahnsinnig groß“, stellt Fürnrohr fest. Und sie versichert: „Bei uns kann jeder anrufen, sich jedes Anliegen von der Seele reden.“ Auf Ratschläge vonseiten der Seelsorger können die Anrufer weder hoffen noch müssen sie solche fürchten. „Wir geben keine Ratschläge, wir weisen die Leute auf ihr eigenes Potenzial zurück. Frage etwa nach, was ihnen denn bisher in einer Notlage geholfen hat.“

24 Stunden am Tag erreichbar

Wer es von sich auch nicht ausdrücklich wünscht, wird auch nicht an andere Fachstellen weiter verwiesen. „Viele unserer Klienten sind bereits in Therapie oder in fachärztlicher Behandlung“, sagt Fürnrohr. „Diese Menschen rufen bei uns an, weil sie außerhalb ihrer regelmäßigen Sitzungen jemandem zum Zuhören brauchen.“ Denn die Telefon-Seelsorge bietet Menschen in krisenhaften Situationen, was Therapeuten und Ärzte nicht stemmen können: Erreichbarkeit rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr - am Telefon, per Mail oder Chat.

Einsamkeit, Mobbing, Krankheit

In einem kurzen Filmchen zum 60-Jährigen der Telefon-Seelsorge der Diözese München und Freising, zu der auch die Dienststelle Mühldorf gehört, sprechen bayerische Schauspieler die Anfangssätze einiger tatsächlichen Telefonate nach. Die Bandbreite der Anliegen ist groß. Sie reicht von Einsamkeit oder Mobbing in der Schule, über Krankheit oder Angst vor dem Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bis zur Frage nach dem Sinn des Lebens. Wer schon öfter angerufen hat, will vielleicht nur mal etwas Schönes mit dem anderen Menschen am Telefon teilen oder einfach etwas (Zuhör-)Zeit von einem anderen Menschen geschenkt bekommen.

Kein Thema ist tabu

Auch Gespräche über Selbstmord gehören für das Team fast zum täglichen Brot. „Wer solche Gedanken äußert, will oft nur eine Pause von der schlimmen Situation, in der er oder sie gerade steckt, dass es aufhört“, erklären die beiden Seelsorgerinnen übereinstimmend. „Uns gegenüber darf jedes Thema ausgesprochen werden und das allein erleichtert viele Anrufer ungemein.“ In den durchschnittlich 20 bis 40 Minuten dauernden Telefonaten wird geweint und gelacht - oft in ein- und demselben Gespräch.

Aus der Anonymität erwächst in dieser kurzen Zeit zwischen Anrufer und Zuhörer ein Gefühl von Vertrautheit und Intimität. Ein Grund, warum die Mitarbeiter der Telefon-Seelsorge es lernen müssen, sich selbst abzugrenzen, ausgewogen und neutral zu bleiben. Die Sorgen der Anrufer nicht zu ihren eigenen werden zu lassen. Deshalb sei es wichtig, dass der Telefon-Dienst nur im Büro der Diözese stattfindet. Andrea Fürnrohr beschreibt es für sich so: „Im Büro ziehe ich mir - bildlich gesprochen - den Mantel des Telefon-Seelsorgers über.“ Nach dem Dienst hängt sie ihn zusammen mit den Problemen der Anrufer in den Schrank und geht unbelastet zurück in ihr Privatleben.

Ein Ehrenamt für mitfühlende Menschen

Die Telefon-Seelsorge, deren Mitarbeiter ausschließlich ehrenamtlich tätig sind, kann immer wieder personelle Verstärkung gebrauchen. Wer sich einbringen will, bekommt eine kostenfreie Ausbildung mit dem nötigen Rüstzeug, um mit dieser Aufgabe gut umgehen zu können. „Man erfährt von viel Leid, aber diese Gespräche geben mir auch so viel zurück“, Felicitas will ihr anspruchsvolles Ehrenamt nicht mehr missen. Und wird auch selbst nicht allein gelassen. Einmal pro Monat findet ein Austausch zwischen den Mitarbeitern statt, erzählt sie und lacht: „Wir werden gut gepflegt.“

Informationsabend der Telefon-Seelsorge Mühldorf

Wer sich für dieses Ehrenamt interessiert, erfährt dazu mehr am Dienstag, 20. Juni, um 18.30 Uhr. Der Informationsabend findet im Pfarrsaal St. Peter und Paul, Kaiser-Ludwig-Straße 15 in Mühldorf statt. Es geht um die Inhalte der Ausbildung als Telefon-Seelsorger/in und deren Voraussetzungen. Mehr dazu finden Sie auch auf der Homepage des Erzbistums München oder direkt bei Andrea Fürnrohr unter Telefon 089/213774142 oder E-Mail afuernrohr@eomuc.de

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