Landkreis Mühldorf
SPD kurz vor dem Aussterben? Der erste Ortsverein der Region löst sich nach 60 Jahren auf
Die Ampel am Ende, bundesweite Umfragen im freien Fall: Die SPD im Landkreis Mühldorf kämpft schon lange mit niedrigen Zustimmungszahlen. Jetzt gibt weitere Auflösungserscheinungen. Hat die SPD eine Zukunft?
Die Ampel ist kaputt, die Wahlergebnisse sind niederschmetternd. Die SPD ist im freien Fall: im Bund, im Land und jetzt auch im Landkreis. Der erste Ortsverein im Landkreis Mühldorf löst sich auf – nach 58 Jahren.
Mühldorf/Mettenheim – Seit 1983 leitet Manfred Igl den SPD-Ortsverein in Mettenheim als Vorsitzender, 1986 war er sogar Bürgermeisterkandidat. Jetzt zieht er die Reißleine. „Ich werde nächstes Jahr 80 Jahre alt, überwiegend altersbedingt kann ich den Vorsitz nicht mehr übernehmen! Es ist nicht mehr möglich, den Ortsverband weiterzuführen.“ Damit ist die Mettenheimer SPD Geschichte, die Auflösung beschlossen.
Keine Nachfolger gefunden
„Wir haben keine Kassiererin mehr, da sie altersbedingt und gesundheitstechnisch zurücktreten musste. Insgesamt haben wir nur noch elf Mitglieder, wir können für die Kommunalwahlen 2026 keine eigene Liste mehr aufstellen“, bedauert Igl. Trotz aller Bemühungen sei es nicht möglich gewesen, Nachfolger zu finden.
„Es blutet mir das Herz!“, gibt Igl zu. Denn mit der Auflösung des Vereins geht eine fast 60 Jahre alte Geschichte zu Ende, die ihre Anfänge am 2. Januar 1966 hatte, als die Sozialdemokraten vor den damaligen Gemeindewahlen sieben Kandidaten für insgesamt zehn Gemeinderatssitze zur Abstimmung gebracht hatten und mit Karl Raffler auf Anhieb ein Mandat sichern konnten.
SPD hat zuletzt zwei Mandatsträger gestellt
„Wir hatten in den vergangenen Jahren immer zwei Mandatsträger im Gemeinderat“, erwähnt Igl im Rückblick nicht ohne Stolz. Hans Auer, der zuletzt 2020 auch als Bürgermeisterkandidat angetreten war, und Dieter Aimer vertreten aktuell die sozialdemokratischen Themen im Mettenheimer Gemeinderat.
„Alle Ortsvereine der SPD haben Probleme. Vor allem wegen der Überalterung“, blickt Igl auf Nachbarorte. „Wir haben ja versucht, zu kämpfen. Bis vor vier Jahren sogar erfolgreich!“ Igl erinnert sich an 19 Mitglieder im Ortsverband. Drei seien inzwischen gestorben. „Und auch die Asylunterkunft im Ort hat uns Austritte beschert“, sagt er. Mitglieder seien mit der Ansiedlung nicht einverstanden gewesen.
Eine alte SPD
Die, die noch dabei sind, sind alt: 95, 93, 85 Jahre, das Durchschnittsalter liegt bei 79 Jahre. Nur noch zwei Mitglieder kämen als Kandidaten für die Kommunalwahl 2026 infrage. Und selbst die haben mit 55 und 63 Jahren ihre Jugendlichkeit schon lange hinter sich.
SPD in Bayern bei 8 Prozent, im Landkreis bei 4,4
Bayernweit vegetiert die SPD bei rund 8 Prozent, im Landkreis waren es bei der Landtagswahl 2023 desaströse 4,4 Prozent. Und jetzt auch noch das Ampelaus. „Ja, das mit Scholz ist in die Hose gegangen“, sagt Igl. Er rät dem Bundeskanzler den Weg für einen Neuanfang freizumachen.
Alleine in Mühldorf Mitgliederzuwachs
Von einem solchen Neuanfang ist die SPD im Landkreis jedenfalls weit entfernt. Patrick Mayer, Unterbezirksvorsitzender, zählt die noch bestehenden Ortsverbänden der SPD im Landkreis auf: Mühldorf, Waldkraiburg, Neumarkt-St. Veit, Haag, Aschau, Ampfing, Kraiburg und Schönberg. Er habe kein Patentrezept, um die Ortsvereine zu retten, sagt er. Immerhin: In Mühldorf habe man in den vergangenen beiden Jahren sechs Mitglieder hinzugewonnen, zwischen 16 bis 37 Jahre alt.
Mayer ist überzeugt davon, dass politisches Interesse grundsätzlich da ist. Das sehe man in Mühldorf durch das Engagement junger Menschen im Jugendparlament. „Aber wenn es darum geht, aktiv mitzuarbeiten, da werden die Leute scheu!“
In der Vergangenheit zu sehr auf alte Haudegen gesetzt
Gründe, warum sich die SPD offenbar besonders schwertut, sieht Mayer darin, dass man sich in der Vergangenheit auf die alten Haudegen verlassen habe, die viele Wählerstimmen gebracht hätten. Es sei versäumt worden, junge Leute aufzubauen. Jetzt habe sich ein Generationswechsel vollzogen. Doch es sei ein langer Weg zum Erfolg früherer Jahre.
Dass es der SPD an Themen fehle, lässt Mayer nicht gelten. Ein sicherer Arbeitsplatz, verfügbare Wohnungen, bezahlbare Mieten: das bewege die Menschen noch immer, auch wenn das Thema Migration längst übermächtig geworden sei.
Trotzdem drin bleiben
Das Ampelaus habe alles noch schwieriger gemacht, sagt Mayer. Dass man deswegen aus der SPD austritt, das kommt allerdings auch für Manfred Igl aus dem aufgelösten Ortsverband Mettenheim nicht infrage: „Wir bleiben weiterhin SPD-Mitglieder!“ Auch ohne Ortsverband. Auch die beiden Mandatsträger der Sozialdemokraten behalten ihren Parteistatus im Gemeinderat. Zumindest bis zur Wahl 2026.
