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Seltene Mischung von Rheuma-Krankheiten

Durch diesen seltenen Rheuma-Cocktail verlor ein Mühldorfer fast alle seine Gelenke

Über 20 Operationen wie zum Beispiel am Knie (Beispiel oben) an allen seinen Gelenken musste Thomas Maier über sich ergehen lassen. Lediglich das verdickte Ringfingergelenk seiner linken Hand ist noch „original“.
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Über 20 Operationen – wie zum Beispiel am Knie (Beispiel oben) – an fast allen seinen Gelenken musste Thomas Maier (Name redaktionell geändert) über sich ergehen lassen. Lediglich das verdickte Ringfingergelenk seiner linken Hand ist noch „original“.

Wegen einer seltenen Rheuma-Krankheit wurde Thomas Maier über 20 mal operiert. Warum er trotz versteifter Gelenke oder Gelenk-Prothesen aus Titan, Edelstahl und Plastik immer noch nicht im Rollstuhl sitzt, liegt an seinem Lebenswandel.

Mühldorf – Thomas Maier (Name redaktionell geändert) reibt sich über eine längere Narbe an seinem rechten Ellbogen. Seine Finger sind teils versteift oder die Mittelgelenke verdickt. „Das war die letzte OP vor rund drei Jahren. Damals konnte ich mit dem rechten Arm nichts mehr anfangen, weder mich waschen, noch essen“, erinnert sich der 47-Jährige – und streckt den Arm aus, was nicht ganz funktioniert. Aber immerhin, er ist wieder alltagstauglich. Seit seiner Jugend leidet der Mühldorfer an einer seltenen Mischung von Rheuma-Krankheiten, deretwegen er in über 20 Operationen Gelenke verschraubt oder die Gelenkknochen ganz ersetzt bekommen hat: Rheumatoide Arthritis in Verbindung mit Arthrose, beides chronisch.

Für jedes Gelenk ein spezialisierter Operateur

Dass er damals von einem Facharzt zum nächsten geschickten worden war, bis er endlich den auf Ellbogen-Gelenke spezialisierten in Oberammergau gefunden hat, ist für Maier nichts Neues. Sein Leben ähnelt einer Reise von einer Spezialklinik zur nächsten, wo sich eben die jeweiligen Chirurgen die Eingriffe, angefangen bei den Zehen über das Handgelenk bis hin zu Knie und Hüfte, zutrauten. Jedes Gelenk scheint eine Wissenschaft für sich.

Thomas Maier hat trotz vieler OPs und versteifter Zehen immer wieder neue Entzündungen (rechts). Um sich Socken anzuziehen, nutzt er eine spezielle Seilvorrichtung (links).

Begonnen hat der gebürtige Heidenheimer seine Reise mit gerade einmal 18 Jahren. Damals brach diese Autoimmun-Erbkrankheit, an der auch sein Großvater litt, am kleinen Zeh seines rechten Fußes aus. Was klein begann, brachte den Teenager, der gerade seine Ausbildung zum Kfz-Lageristen abgeschlossen hatte, für 14 Monate in die Ulmer Uniklinik, wo in fünf Operationen alle seine Zehen „versteift“ wurden, das heißt die Gelenkoberflächen samt Knorpel wurden vollständig entfernt. Bewegen konnte Maier seine Zehen dann nicht mehr, aber zumindest war er schmerzfrei. Schlimm sei diese erste Zeit in einer Klinik für ihn gewesen: „Ich hatte so gut wie keinen Besuch, meine Mutter hatte kein Auto und mein Vater musste arbeiten“, Thomas Maier zuckt mit den Schultern. „Man lernt schnell, stark zu sein.“

Körper als Teilelager: Titan, Edelstahl oder Kunststoff

Kein Wunder, folgten nach den Zehen die Handgelenke, Fingergelenke, bis er schließlich nach seinem 30. Geburtstag mit der linken Hüfte seine erste größere Gelenkprothese bekommen hat. Damals war er bereits seit seiner Umschulung zum Industriekaufmann in Waldkraiburg in der Region angekommen. Weil wenige Jahre später die Knie, dann die Sprunggelenke operiert werden mussten, läuft Thomas Maier heute etwas „steif“. Doch das tun andere auch, ganz ohne zig neue Gelenke in Beinen und Hüften. Maier grinst und vertritt seinen Standpunkt: „Ich bin zufrieden und glücklich.“ Alle OPs verliefen glatt, die Verschraubungen und Prothesen – egal ob nun aus Titan. Edelstahl oder Kunststoff – verhalten sich ruhig, kein Rollator, kein Rollstuhl. Ein kleines Wunder.

Thomas Maier steht neben einer seiner vielen Leidenschaften: alte BMWs sammeln und fahren.

Zum Selbstmitleid hat der Mühldorfer nie geneigt, aber vielleicht ist auch für ihn manchmal eine kalte Dusche heilsam: Als ihm vor vielen Jahren ein Arzt prophezeit hat, dass er mit 40 im Rollstuhl enden könnte, wollte Maier das nicht stehen lassen. Ganz nach dem Motto „wer rastet, der rostet“ blieb er von nun an ständig in Bewegung, achtete genau auf gesunde Ernährung, damit die neuen Gelenke nicht durch zu viel Gewicht verschlissen werden. Mittlerweile lebt er eine eiserne Tagesroutine, die mit 15 Minuten Dehnübungen nach dem Aufstehen beginnt, um die Muskulatur zu erwärmen, dann mehrmals am Tag mit seinem Hund Gassi gehen, bis hin zu genau abgezählten vier Goldbären oder zwei Stückchen Schokolade, die er sich einmal am Tag gönnt. Müsse er nachts mal auf die Toilette, bewege sich sein Körper bereits instinktiv fünf Minuten vor dem Aufwachen. Im Takt bleiben.

Disziplin und Lebensfreunde

Aber was für Thomas Maier noch wichtiger ist als Disziplin: Geselligkeit, die Teilhabe am Leben. Gerade weil er seinen erlernten Beruf seit Jahren nicht mehr ausüben kann und frühverrentet werden musste. Abgesehen vom Gartenbauverein haben es ihm schnittige Maschinen angetan, ganz besonders alte BMWs als Vier-, aber auch als Zweirad-Flitzer. „Ich habe versucht, in meinem Leben alles mitzunehmen, was möglich ist – so lange es noch möglich ist“, erklärt er seine Leidenschaft. Zusammen mit dem Oldtimer-Club Ausflüge zu unternehmen, ist das Schönste, was er sich vorstellen kann. Zumindest Auto fahren klappt noch gut, auch wenn er krankheitsbedingt das Motorrad mittlerweile in der Garage stehen lassen muss.

Auf der motorisierten Maschine (rechts) kann Thomas Maier nicht mehr fahren. Dafür nutzt er fleißig sein Fahrrad, um Zeitungen auszutragen.

In der Freizeit Zeitungsausträger

„Hauptsache, ich bleibe immer in Bewegung“, trotzt Maier seinem Schicksal, gerne auch, wenn etwas Geld dabei herausspringt. Thomas Maier fährt nämlich obendrein an vier Vormittagen der Woche unterschiedliche Zeitungen aus. Warum auch nicht, es werden doch immer Austräger händeringend gesucht, flachst er. Schade nur, dass er nicht auch den Mühldorfer Anzeiger ausfahren könne; dafür müsste er um 3 Uhr morgens aufstehen und das machen seine Knochen wirklich nicht mehr mit.

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Trotzdem: „10.000 Schritte pro Tag müssen mindestens noch drin sein.“ Maier deutet auf seine Smartwatch mit Fitness Tracker am Armgelenk. Sollte er es mal übertreiben und sich Entzündungen bilden, kühlt er die betroffenen Stellen mit Eis. Notfalls gibt es einen fünfminütigen Ausflug in die Minus-110-Grad-Kältekammer, die es im Rheumazentrum in Bad Aibling gebe. „Das fühlt sich an wie tausend Nadeln in der Haut – aber man ist beschwerdefrei.“ Thomas Maier hat sein Leben im Griff.

Endstation: Kiefergelenk?

Derzeit wartet der Mühldorfer auf ein nagelneues Kiefergelenk. Das liege schon seit ein paar Jahren in einer Münchner Klinik für ihn bereit und komme dann zum Einsatz, wenn die eine oder andere Seite seines Kiefers brechen sollte. Dann dürften wirklich so gut wie alle Gelenke in seinem Körper schon mindestens einmal unters Messer gekommen sein.

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