Der Probebetrieb läuft aus
Rufbus – zwischen heftiger Kritik und „Bombensystem“: Geht Experiment in Mühldorf weiter?
Bis Mai 2025 fährt der Rufbus Mühldorf im Probebetrieb. Um daraus einen Dauerbetrieb zu machen, muss es eine Ausschreibung geben. Darüber wurde zuletzt heftig gestritten. Jetzt sollte eine Sondersitzung den Weg frei machen. Ob das gelungen ist?
Mühldorf – Fast rappelvoll war der Sitzungssaal im Mühldorfer Rathaus bei der jüngsten Hauptausschusssitzung. Auf der Tagesordnung stand der Rufbus. Genauer gesagt, die Ausschreibung für seinen Dauerbetrieb nach dem Probebetrieb. Neben den Gremiumsmitgliedern waren auch einige Rufbus-Nutzerinnen, Vertreter des Landratsamtes und mögliche Bewerber für den Rufbus-Betrieb gekommen.
Eigentlich sollte das Vergabeverfahren schon in der Oktobersitzung des Stadtrats beschlossen werden. Doch Stadträte, Verwaltung und Bürgermeister warfen sich gegenseitig vor, die Zahlen zu Kosten und Nutzung von Stadtbus und Rufbus in ihrem Sinne zu berechnen. Eine Vertagung wurde nötig, eine Sondersitzung einberufen. In dieser standen nun Rechtsanwalt Oliver Ronnisch, er berät die Stadt in rechtlichen Fragen rund um den Rufbus, und Clemens Deyerling, Gründer des Rufbus-Betreibers Omobi, per Video-Zuschaltung Rede und Antwort und taten ihre Einschätzung zum Rufbus kund.
Stadt muss jetzt handeln
Anwalt Ronnisch machte gleich eingangs klar, dass die Stadt jetzt handeln müsse. „Der Probevertrag mit Omobi und damit der Probebetrieb laufen aus“, stellte er fest. „Für die Vergabe des weiteren Betriebs müssen gesetzliche Fristen eingehalten werden. Ansonsten hat Mühldorf ab Mai 2025 einen verkehrslosen Zustand.“ Außerdem müsse ein neuer Rufbus-Betreiber bis zum Start ab Mai 2025 Fahrzeuge beschaffen und Fahrer einstellen, einen Betriebsstandort, ein Online-Buchungssystem und ein Callcenter einrichten. „Und das alles vor dem Tag X des Betriebsstarts“, so Ronnisch.
In den anschließenden Fragen tauchte fraktionsübergreifend immer wieder der Wunsch nach einer Verzahnung von Rufbus und zusätzlichem Linienbus auf. Insbesondere auf den Strecken von Mühldorf-Nord und Mühldorf-Süd ins Stadtzentrum. Davon riet der Fachanwalt im Mobilitätsrecht ab: „Parallele Linien würden sich kannibalisieren, beide würden nicht voll werden. Die Stadt für das Rumfahren heißer Luft bezahlen.“ Stattdessen solle sich Mühldorf auf den Rufbus konzentrieren und dessen Erfolgsgeschichte fortschreiben. „Das verspricht aus meiner Sicht Erfolg.“
Was belegt den Rufbus-Erfolg?
Hier hakte Stephan Schinko (Grüne) nach und wollte wissen, woher der Anwalt die Erkenntnis für den Erfolg des Rufbusses habe. „Das ist die Aussage der Stadt“, antwortete Ronnisch. Zahlenmäßige Maßstäbe habe er nicht. Schinko regte an, den Probebetrieb über den Winter zu verlängern, um aussagekräftigere Zahlen über Nutzung und Kosten zu erhalten. Das sei laut Anwalt aber rechtlich problematisch. Andere Busanbieter könnten dagegen vorgehen.
„Mühldorf ist bestlaufendes Projekt“
Der aktuelle Rufbus-Betreiber Clemens Deyerling erklärte, dass er seit fünf Jahren in anderen Landkreisen und Städten Rufbusse anbiete. „Von Mühldorfern habe ich ein Wahnsinns-Feedback bekommen, der Rufbus hebt ihre Lebensqualität“, berichtete er freudig und erntete dafür leises Gelächter aus der Reihe der Rufbusnutzerinnen. „Der Rufbus in Mühldorf ist unser bestlaufendes Projekt, es war ein fulminanter Start. Wir haben eine extrem hohe Nachfrage.“
Problemen werde nachgegangen
Aus dem Gremium kamen an ihn Fragen zu Problemen mit der App, dem Beschwerdemanagement, Barrierefreiheit der Fahrzeuge und größeren Fahrzeugen mit mehr Sitzplätzen, um auch spontanes Mitfahren zu ermöglichen. Deyerling beteuerte, da jede Buchung und Beschwerde digital erfasst werde, könne Problemen „so was von“ nachgegangen werden. Die Barrierefreiheit werde nachgebessert. Größeren Fahrzeugen mit mehr als acht Sitzen erteilte er eine Absage: „Dann brauchen wird Fahrer mit Busführerscheinen.“ Spontanes Mitfahren sei ein rechtliches Problem und es verändere und verlängere für die vorgebuchten Fahrgäste die Fahrtrouten.
„Den Nutzern wird Angst gemacht“
Daniela Goldbacher, in der Stadtverwaltung zuständig für den öffentlichen Nahverkehr, reagierte verärgert auf die oft vorgebrachte Kritik: „Wir haben mit dem Rufbus 175 Haltestellen, so viele wie nie zuvor. Wir gehen jeder Beschwerde nach. Es sollte nicht immer behauptet werden, die Buchung mit der App sei so kompliziert. Den Nutzern wird Angst gemacht.“ Wenn es künftig mehr und barrierefreiere Fahrzeuge gebe, würde auch die Zufriedenheit der jetzigen Kritiker steigen. Sie wünsche sich, dass Beschwerden direkt an Omobi oder an sie im Rathaus gingen.
„Bombensystem“ wird alle glücklich machen
„Wir gehen positiv nach außen und führen die App in Seniorenclubs, auf der Seniorenmesse und am Campus vor“, stieg Bürgermeister Michael Hetzl (UM) in die Diskussion ein. Veranstaltungen gegen den Rufbus würden Ängste schüren und die Bemühungen der Stadt „konterkarieren“. Hetzl: „Wir haben ein Bombensystem, das in wenigen Jahren alle Mühldorfer erreichen und alle glücklich machen wird.“
Am Ende der Sitzung empfahl der Hauptausschuss dem Stadtrat einstimmig, die Verwaltung mit der Durchführung des Vergabeverfahrens zu beauftragen. Das soll in der kommenden regulären Stadtratssitzung am 28. November passieren.
Stadt steht unter Zeitdruck
Ausschreibung und Vergabe sind dann gerade noch fristgerecht möglich. „Es eilt in der Tat“, betont Werner Kurzlechner, Pressesprecher der Stadt auf Nachfrage des OVB. „Kommt es in der Novembersitzung nämlich nicht zu einem entsprechenden Beschluss, ist der skizzierte Fahrplan Makulatur. Das würde bedeuten, dass es in Mühldorf im Mai 2025 und womöglich auch im Juni 2025 keinen städtischen ÖPNV geben würde. Der Rufbus-Regelbetrieb könnte dann erst im Juni oder Juli 2025 starten – unter der Voraussetzung eines schnell nachgeholten Beschlusses.“