Mühldorfer Amtsgericht
Schleuser aus der Ukraine vor Gericht: So viel Geld bekam er pro Flüchtling
Die Probleme mit Schleusern stehen spätestens seit dem tödlichen Unfall auf der A94 bei Ampfing vor wenigen Wochen im Rampenlicht. Jetzt berichten Polizisten, wie gefährlich ihr Alltag wegen der illegalen Einreisen geworden ist. Unterdessen musste sich ein Schleuser aus der Ukraine vor dem Mühldorfer Amtsgericht verantworten.
Mühldorf – Zwei Polizeibeamte der Justizvollzugsanstalt Mühldorf führten im Sitzungssaal 116 des Amtsgerichts einen 40-jährigen Ukrainer vor Amtsrichter Florian Greifenstein. Der Mann wohnt und arbeitet seit elf Jahren in Tschechien, wo er an einem Montageband der Autofirma Skoda beschäftigt ist. Er ist verheiratet und hat einen achtjährigen Sohn.
Lockende Aussicht auf 1200 Euro
Juristisch vertrat den Angeklagten Rechtsanwalt Axel Reiter, eine Dolmetscherin für Ukrainisch stand ihm ebenfalls zur Seite. Seine Frau und den Sohn hat er seit dem 24. Juli nicht mehr gesehen, nur dreimal dufte er mit ihnen telefonieren. Der Grund: Seit diesem Zeitpunkt saß der Mann in Untersuchungshaft.
Was hatte sich zugetragen? Die Staatsanwältin aus Traunstein verlas folgende Anklageschrift: Der Mann war mit seinem Opel Insignia auf der A 94 unterwegs, aus Österreich kommend. Gegen Mitternacht fiel einer Autostreife des Zolls das Fahrzeug auf, in dem vier Männer saßen. Dieses wurde zur Dienststelle des Zolls nach Eisenfelden eskortiert. Dort stellte sich heraus, dass drei Personen syrische Staatsbürger waren, der vierte Mann war ein staatenloser Mann palästinensischer Volkszugehörigkeit. Die vier Insassen waren im Besitz österreichischer Asylbewerberkarten, die allerdings nicht zu Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigen. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs entdeckten die Beamten in der linken Türablage ein Pfefferspray, im offenen Handschuhfach ein Messer mit einer neun Zentimeter langen Klinge.
Die Staatsanwältin erhob Anklage wegen Einschleusung von Ausländern und wegen Mitführens einer Waffe.
Rechtsanwalt Axel Reiter gab für seinen Mandanten folgende Erklärung ab: „Der Beschuldigte räumt die unerlaubte Einreise ein. Ihm war bewusst, dass dies illegal war. Er wurde im Internet via Telegram angeworben, sollte drei Touristen aus Wien und eine Person aus Linz nach Dresden fahren – mit seinem Privatfahrzeug. Pro Person sollte er 300 Euro bekommen. Was mein Mandant bestreitet, ist das Mitführen einer Waffe: Das Messer liege immer im Wagen, er sammle in Tschechien oft Pilze, er benötige dabei das Messer. Das Pfefferspray habe er kürzlich für seine Frau gekauft, die vor einiger Zeit von einem Mann bedrängt worden war. Dass diese beiden Sachen im Auto lagen, habe er vor und während der Fahrt vergessen. Er habe diese beiden Dinge jedoch niemals einsetzen wollen.“
Auf weitere Fragen von Richter Greifenstein gab der Angeklagte an, er hätte das Geld nach der Fahrt per Krypto-Währung bekommen sollen. Seinen Auftraggeber habe er nie gesehen. Die Adressen der vier „Reisenden“ waren auf sein Handy geschickt worden.
Als erste Zeugin sagte eine 35-jährige Zollbeamtin aus, die beim Zugriff dabei gewesen war: „Wir stoppten das Fahrzeug auf Höhe der Anschlussstelle Winhöring und lotsten es zu unserer Dienststelle. Die vier Insassen wurden der Bundespolizei übergeben, der Fahrer wurde von uns befragt. Das Handy nahmen wir ihm ab, damit er nichts löschen konnte.“
Der zweite Zeuge, ein 57-jähriger Beamter der Bundespolizei, hatte den Fall bearbeitet: „Der Fahrzeugführer war sehr betroffen. Ihm war klar, was er getan hatte. Die vier Insassen des Wagens wurden in die Abschiebehaftanstalt in Eichstätt gebracht. Das Ganze war eine organisierte Schleusung.“
Die Anklagevertreterin forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung. Eine Bewährung versagte sie, weil es ihrer Meinung durchaus weitere Straftaten des Ukrainers geben könnte.
Verteidiger Axel Reiter betonte in seinem Plädoyer zwei Spekulationen der Staatsanwältin. Spekulation Nummer eins: Der Angeklagte habe die Waffen einsetzen wollen. Dies stimme nicht, der Mann hätte diese auf der Fahrt in dunkler Nacht zur Dienststelle jederzeit aus dem Auto werfen können. Die zweite Spekulation, dass sein Mandant nicht von seiner Tat betroffen gewesen wäre, sei ebenfalls nicht richtig. Der Ukrainer war laut Zeugenaussage sogar sehr betroffen und geständig. Er habe sich zu dieser Straftat durch die Verlockung auf schnelles Geld hinreißen lassen. Es wäre auch die erste Straftat gewesen. Der Verteidiger forderte eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährung.
Freiheit statt Untersuchungshaft
Florian Greifenstein entschied schließlich auf eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung: „Sie haben Ausländer eingeschleust und wollten durch eine Fahrt von Wien nach Dresden 1200 Euro verdienen. Das hat nicht geklappt. Es gibt keinen Hinweis, dass Sie Messer oder Pfefferspray benutzen wollten. Sie sitzen jetzt seit über drei Monaten in Untersuchungshaft – das ist keine Kleinigkeit in einem Land, wo man wenig versteht. Man kann davon ausgehen, dass Sie keine weiteren Straftaten begehen werden. Der Haftbefehl ist aufgehoben. Sie sind wieder ein freier Mann.“