Zensur im Staatlichen Gymnasium
Gendern verboten – Mühldorfs „Innfloh“ darf sich nicht „Schüler:innen-Zeitung“ nennen
Gendern gehört vor allem für junge Leute längst zur Alltagssprache. Die Mühldorfer Schülerzeitung „innfloh“ wollte das auch in gedruckter Form durchziehen. Woran das gescheitert ist und was die „innfloh“-Redaktion davon hält.
Mühldorf – Der „innfloh“ ist die Schülerzeitung des staatlichen Ruperti Gymnasiums Mühldorf. Die Zeitung wurde bei diversen Wettbewerben bereits mehrfach bundes- und bayernweit ausgezeichnet, schafft es regelmäßig auf die Plätze zwei und drei unter den besten Schülerzeitungen Bayerns.
Ein Doppelpunkt für alle Geschlechter
Auf der Titelseite des aktuellen „innfloh“ 2024 sollte eigentlich „Schüler:innenzeitung“ stehen – mit dem sogenannten Binnen-Doppelpunkt, um in einem Wort alle Geschlechter anzusprechen. Bayerns Genderverbot hat das verhindert. Seit 1. April 2024 ist Behörden und damit auch staatlichen Schulen in Bayern Gendersprache mit Sonderzeichen untersagt: „Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig.“
Die „innfloh“-Titelseite ist allerdings die einzige Seite der aktuellen Ausgabe „Wasser“, von der dieser Binnen-Doppelpunkt verschwunden ist. „Am 1. April war unser ‚innfloh‘ längst fertig, der Drucktermin stand fest und konnte nicht verschoben werden“, erinnert sich Studiendirektorin Bettina Harnischmacher, Lehrerin für Deutsch und Sport am Ruperti Gymnasium und Betreuungslehrerin des „innfloh“. „Die Titelseite konnten wir noch problemlos ändern, für alle Artikel wäre das nicht durchführbar gewesen.“
„Wir fanden es doof“
In ihren Grundfesten erschüttert hat die neue Regelung die Schülerredaktion aber nicht. „Wir fanden es eher doof“, sagt die Lehrerin. „Dachten uns, was soll das jetzt?“ Wer lässt sich schon gerne etwas vorschreiben?
„Das schränkt uns nur ein“
„Ich fand das überhaupt nicht gut“, sagt „innfloh“-Redakteur Lorenz Paukner. „Das ist eine unnötige Regelung, die uns nur einschränkt. Das ist nicht ok.“ „Ein zu starker Einschnitt von außen in unsere Zeitung“, findet auch Thomas Hille. Und für Helene Pichlmeier ist nur „Schüler-Zeitung“ zu einseitig: „Damit werden doch nur die männlichen Schüler angesprochen.“
Chefredakteurin Johanna Eder pflichtet ihr bei: „Wir wollen mit unserer Zeitung alle ansprechen.“ Der Gender-Doppelpunkt hätte das schon auf der Titelseite deutlich zeigen sollen. Sabine Schranner, auch Chefredakteurin, meint: „Jede Redaktion sollte selbst darüber entscheiden können.“ Für Amelie Fels ist „die Entscheidung zu gendern ein Aspekt der Pressefreiheit. Die wurde uns genommen, das finde ich blöd.“
Inhalt ist wichtiger als der Doppelpunkt
Aber, da die Schule als Herausgeberin der Zeitung fungiert, musste sich die Redaktion an die neuen Vorgaben halten. Harnischmacher: „Wir waren uns einig, dass es uns um den Inhalt der Texte geht und nicht darum, wie einzelne Wörter geschrieben werden.“
Für staatliche Schulen ist Gendern tabu
Auch, wenn im täglichen Miteinander-Sprechen an Mühldorfs Gymnasium weiter nach eigenem Belieben gegendert wird – etwa Schüler-kurze Sprechpause-Innen gesagt wird – in der Schülerzeitung wird es nicht mehr vorkommen. „Im Heft werden wir es künftig wieder ausschreiben“, stellt Harnischmacher fest. Schüler und Schülerinnen heißt es dann wie früher schon. Das stresse nicht großartig beim Schreiben und die Texte blieben trotzdem gut lesbar.
Der nächste Sonderpreis wartet schon
Und vor allem erfolgreich. Die Reihe der Auszeichnungen für den „innfloh“ geht weiter. Mitte Juni wird die Redaktion in Berlin mit dem „Sonderpreis für Partizipation und lebendige Demokratie“ der Friedrich-Naumann-Stiftung ausgezeichnet. „Wir sind unglaublich stolz darauf“, freut sich Bettina Harnischmacher.
Mit dem „innfloh“, auf dem nicht „Schüler:innenzeitung“ stehen durfte, wird sich das Ruperti Gymnasium auch wieder am bayerischen Schülerzeitungswettbewerb „Blattmacher“ beteiligen.
Das ist der „Innfloh“
Der „innfloh“ erscheint einmal pro Jahr, mit rund 90 Seiten auf Umweltpapier gedruckt, immer zu einem bestimmten Themenschwerpunkt. Die Redaktion besteht derzeit aus zwei Chefredakteurinnen – Johanna Eder und Sabine Schranner – und einem 15-köpfigen Redaktionsteam von der 5. bis zur 11. Klasse: Valentina Ortmann, Julian Beck, Romy Feuchtgruber, Amelie Fels, Charlotte Dichtl, Simone Schranner, Cara Esperschidt, Teresa Eder, Verena Held, Thomas Hille, Valerie Wittich, Emilia Wicho, Lorenz Paukner, Ferdinand Röckenschuß, Raffael Strasser, Philipp Milde, Vincent Zahn und Helene Pichlmeier. Die Zeitung hat mehrfach bei Wettbewerben Preise erhalten.
