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92-Jährige im Porträt

„Mit mir sterben wir aus“: So lebt die letzte Ecksberger Klosterschwester Engelberta

Schwester Engelberta, die letzte Klosterschwester von Ecksberg, hat ihren Heimtrainer im Beichtstuhl geparkt.
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Schwester Engelberta, die letzte Klosterschwester von Ecksberg, hat ihren Heimtrainer im Beichtstuhl geparkt.

Sie ist die letzte der Ecksberger Schwestern, die sich über Jahrzehnte um die Behinderten in der Stiftung gekümmert hat: Schwester Engelberta. Jetzt wurde sie 92. Wie sie in Ecksberg lebt – und was ihr fehlt.

Mühldorf – Ihr Heimtrainer steht im Beichtstuhl, das Moped in der Hauskapelle. Schwester Engelbertas Hilfsmittel finden keinen Platz in ihrem Zimmer in der Stiftung Ecksberg. Dafür aber in der kleinen Kapelle, um die sie sich liebevoll kümmert.

Schwester Engelberta, die letzte Klosterschwester von Ecksberg vor dem Beichtzimmer, in dem ihr Heimtrainer steht.

Radeln im Beichtstuhl

Hier stört sich auch niemand daran, wenn die letzte Klosterschwester von Ecksberg ein paar Runden strampelt. Der Beichtstuhl wird aber selten zum Turnzimmer. Derzeit sei sie nicht fit genug zum Radeln.

Am 1. März 1956 trat sie in den III. Orden des Heiligen Franziskus ein. In dieser Zeit hatte die Ordensgemeinschaft noch etwa 100 Schwestern. Die junge Engelberta – damals hieß sie noch Theresa Strasser – fand sich also in guter und zahlreicher Gesellschaft, als sie mit 21 Jahren nach Ecksberg kam.

Ordensschwestern fehlen ihr

„Mit mir sterben wir aus“, sagt sie etwas wehmütig. Ihr Ordensschwestern fehlen ihr, der Austausch, das Ratschen. „Zum Reden hab ich keinen mehr.“ Die weltlichen Kollegen verstehen „das Klösterliche“ nicht.

Schwester Engelberta war die einzige unter den Ordensschwestern, die den Führerschein machte. Das war Mitte der 1960er Jahre. Der damalige Direktor Dr. Roman Ecker schenkte ihr sein Auto.

Schwester Engelberta, die letzte Klosterschwester von Ecksberg, hat ihr „Moped“ in der Hauskapelle geparkt.

„Den alten Audi gibt es noch, die Stiftung kümmert sich um Wartung und Versicherung“, erklärt Vorstand Dr. Alexander Skiba. Schwester Engelberta nutzt ihn noch – als Beifahrerin. „Sie ist übrigens nicht nur die letzte Schwester in Ecksberg sondern in ganz Mühldorf“, so Skiba.

Gehörte einst dem geistigen Rat Dr. Roman Ecker: dieser Audi. Er hat ihn Schwester Engelberta vermacht.

Ihr Büro hat sie behalten

Ihr Büro im Verwaltungstrakt der Stiftung hat sie behalten, auch wenn sie nicht mehr im aktiven Dienst tätig ist. Hier stehen Bilder von ihren Zöglingen, wie die Behinderten früher genannt wurden. Ein paar Sessel, Schränklein und ein Schreibtisch, an dem sie jeden Vormittag die Tageszeitung liest.

Schwester Engelberta in ihrem Büro im Verwaltungstrakt.

„Ich kann nimmer viel tun“, sagt sie. „Meine Gesundheit!“ Engelberta schaut aus dem Fenster, beobachtet das Treiben draußen. Sie kann die Felder der Gärtnerei sehen, wenn gepflanzt oder geerntet wird. Oft geht sie mit ihrem Rollator durch die Gänge der Verwaltung.

Sie bekommt ein Taschengeld, das sie Pension oder „eine Art Betriebsrente“ nennt. Kost und Logis bezahlt die Stiftung, das Taschengeld gibt sie für Medikamente aus. Oder wenn sie mal was Besonderes naschen möchte.

Metzgerei und Milchschwester

„Ich brauch‘ ja nicht viel. Hier hab ich doch alles, was ich brauch“, sagt sie zufrieden.

Als Schwester Engelberta zum Orden kam, war sie in der Küche tätig, als „Milchschwester führte sie ihr Weg häufig in die Ecksberger Landwirtschaft.

Am liebsten sei es ihr aber gewesen, wenn sie in der Betreuung in den Gruppen arbeiten durfte. „Das geht mir am meisten ab“, sagt sie. Zu einer Frau, Angelika, habe sie eine besondere Bindung. Das Gesicht der inzwischen 63-Jährigen lacht von einem Foto auf der Kommode in Schwester Engelbertas Büro.

Als Angelika drei Jahre alt war, wurde sie von einem Säuglingsheim in München nach Ecksberg gebracht. „Die Mutter holte sie nicht mehr. Das ist jetzt 60 Jahre her.“ Die Schwester Oberin habe sie damals gefragt, ob sie sich das zutraue, sich um ein Kleinkind zu kümmern, das nicht reden und nicht gehen kann.

Ich war wie eine Mutter für sie.

Schwester Engelberta (93) über ihren Schützling Angelika (63)

„Ja, die Kleine war meine Herausforderung. Sie konnte sich ja nicht selbst waschen oder anziehen. Und ich war dann wie eine Mutter für sie.“ Ob sie streng war? „I glaub scho“, sagt sie lachend. „Aber auch beliebt. Die Kinder hatten ja keinen.“

Noch heute besucht Angelika ihre „Ziehmama“ an jedem Sonntag. „Sie wird mit dem Rolli von den Betreuern ihrer Wohngruppe herübergefahren.“ Laut Stiftungschef Skiba stimmt Engelbertas Selbsteinschätzung also nicht, dass sie keine Funktion mehr innehabe. „Schwester Engelberta kümmert sich auch heute noch regelmäßig um die Bewohnerin und verbringt jeden Sonntagnachmittag mit ihr.“

Die Schwester deutet auf eines der Nachbargebäude auf dem weitläufigen Gelände, da wohnt ihre Angelika. Dort liegt auch der Speisesaal, den die Ordensfrau mittags aufsucht, um mit den behinderten Bewohnern gemeinsam zu essen.

Exotin in Nonnentracht

„Da bin ich eine Exotin mit meiner Nonnentracht“, sagt sie. Früher sei das anders gewesen. Da gab es sogar einen eigenen Speisesaal für die vielen Ordensschwestern. „Aber alle sind weggestorben.“ Jetzt setze sie sich eben zu den Bewohnern. „Wenn ich will, habe ich Anschluss. Wenn ich meine Ruhe will, hab ich meine Ruhe.“

Vorstand Skiba bewundert, dass die 92-Jährige „die Bürden ihres Alters mit Fassung trägt. Sie hat eine enorme Selbstdisziplin und ist sehr anpassungsfähig an die sich veränderten Umstände. Die Stiftung Ecksberg kann froh sein, dass sie ihr Leben in den Dienst der kirchlichen Einrichtung gestellt hat“.

Die Smartwatch mit Notruftaste gibt Schwester Engelberta, der letzten Klosterschwester von Ecksberg, Sicherheit.

Kein Weihnachtskitsch

Die Weihnachtstage verbringt Schwester Engelberta zurückgezogen, sie will nur die Christmette besuchen. Eine Einladung in ihre alte Gruppe 7 habe sie abgelehnt. „Heiligabend ziehe ich mich in mein Zimmer zum Fernschauen zurück - im Dritten kommen kirchliche Beiträge. Für Weihnachtskitsch hab ich nichts übrig.“ Sie zieht die Augenbrauen hoch. Sie schmunzelt.

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